Raumausstatter Schachenmeier, © Max Kalup
Tobias Schachenmeier, © Max Kalup

Wohnträume – Made in Miesbach

Im Herzen von Miesbach zeigt der junge Raumausstattermeister Tobias Schachenmeier wie modern und kreativ Handwerk heutzutage sein kann.

 

Für die heutige Stadtgeschichte bin ich etwas aufgeregt… zum einen treffe ich mich mit einem jungen charismatischen Geschäftsmann und zum anderen freue ich mich auch auf unseren Interview-Ort. Um dies näher zu erklären muss ich ein bisschen die Zeit zurückdrehen: in meiner Jugend war eine der angesagtesten Institutionen Miesbachs das „Leb“. Mit echtem Namen hieß es Café Lebzelter und nicht nur, dass es hier traumhaft leckere Torten und andere Schlemmereien gab, nein hier traf sich Jung und Alt, Hautevolee und Low-Budget-Jugendliche saßen friedlich Tisch an Tisch im holzvertäfelten alten Caféraum, der nicht selten von Nebelschwaden (ja, damals durfte man noch indoor rauchen) durchdrungen war. Und glaubt man dem Mythos Leb, so soll es mitunter auch vorgekommen sein, dass sogar vormittags hier Schüler verweilten, in der Hoffnung der ein oder anderen langweiligen Schulstunde entfliehen zu können; jedoch wurden sie hier von so manchem spitzfindigen Lehrkörper dennoch aufgefunden und zurück in die Schule zitiert. Das Leb gehört seit 6 Jahren der Vergangenheit an, doch ich darf heute die heiligen Hallen betreten. Der junge charismatische Mann, von dem ich anfangs sprach, ist Tobias Schachenmeier, Sohn des früheren Konditors Stefan Schachenmeier, und hat nun im ehemaligen Café seine Küche und sein Wohnzimmer eingerichtet.

 

Gespür fürs Wohnen

Beim Betreten seiner Wohnung staune ich, Tobi ist es gelungen den alten Spirit zu wahren und doch eine modern einladende schicke junge Wohnung daraus zu machen. Ehrlich gesagt, ist es eigentlich nicht verwunderlich, denn wer, wenn nicht er könnte das besser? Tobias Schachenmeier ist nämlich gelernter Raumausstattermeister und hat sein eigenes Geschäft am Lebzelterberg, unterhalb seiner Wohnung, vor sechs Jahren eröffnet. Unter dem Label Made in Miesbach produziert er in seiner Werkstatt Unikate für die eigenen vier Wände – von Kissen über Vorhänge bis zur eigenen Couch. So gesehen ist es eine Schande, dass er damals beim Innenarchitekturstudium nicht genommen wurde. Doch der reflektierte 33-Jährige ist im Nachhinein ganz froh, dass alles so gekommen ist: es wäre wahrscheinlich eine zu große Belastung geworden, neben der jungen Selbstständigkeit noch ein Vollzeitstudium zu absolvieren. So kam es, dass er seinen ganzen Spirit in sein Geschäft gesteckt hat und dort bezaubernde Ideen in bewohnbare Wirklichkeit umsetzt und sag niemals nie…so ein Studium läuft einem ja nicht davon!

 

Die jugendlichen Lehrjahre…

Gelernt hat Tobias zunächst in München bei SportScheck: „Das war eine lässige Zeit in der Großstadt“. Trotz gutem Verdienst merkt er nach der Lehre, dass er woanders hin möchte. Seine Eltern sehen auch seine kreative Ader, lassen ihn aber dennoch frei entscheiden. „Sie haben immer versucht zu lenken, aber nie zu steuern. Wir sind immer alle beinand‘ g’hockt und haben zusammen überlegt…“ erinnert sich Tobias an seine Jugend. Auch war nie der Druck da, dass einer der Söhne in die Fußstapfen des Vaters treten sollte. Tobias empfindet es schon ein bisschen traurig, dass keiner den Betrieb übernahm, aber die Offenheit und damit verbundene Freiheit gepaart mit familiärem Rückhalt wiegt das viel mehr auf und hat wohl diesen achtsamen und wertschätzenden jungen Menschen stark geprägt. Oft erzählt er während unseres Gesprächs noch sehr anrührend vom Familienzusammenhalt. Beispielsweise nach dem Tod des Vaters oder wie die Brüder mit ihrer Mutter zusammen das Haus in eine riesige Baustelle verwandelt haben und mit sehr viel Eigenleistung nun für alle ein neues schönes Zuhause erschaffen haben. „Sa ma scho Stolz drauf, was wir geschafft haben!“ So schließt er dieses Kapitel ab.

 

Das kreative Handwerk und soziales Engagement

Nach seinen Münchner Jahren lernt Tobias also Raumausstatter, weil ihm das Individuelle wichtig ist und sich in diesem Beruf viele verschiedene Tätigkeiten vereinen: man beschäftigt sich mit dem Nähen von Stoffen, Sonnenschutz, Fußbodenbelägen, Polsterei, Wandbelägen, Restauration und noch vielem mehr. Das spricht den jungen Kreativen an. Nach seiner Lehre hat er das Glück, dass die Wehrdienstpflicht aufgehoben wird. Dennoch beschließt der engagierte Wissbegierige ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren und kommt, Fortuna sei Dank, mit der Organisation ICJA in sein Wunschland Neuseeland. Dort arbeitet er auf einem Adventure Camp für Kinder und Jugendliche. Genau das Richtige für den sportbegeisterten jungen Mann. Auch der Pastor, der Leiter der Ranch, merkt schnell welches Potential in ihm steckt und so ist Tobias zuständig für das „Abseiling“ (englisch ausgesprochen). Er darf mit seinen Schützlingen an einer Klippe mitten im Urwald neben einem tiefblauen See klettern und abseilen. Enthusiastisch erzählt Tobi von dieser Zeit, nicht nur interessante Gespräche auf der Ranch, die von Baptisten geleitet wird, auch die Möglichkeit ein so vielseitiges Land zu bereisen, haben ihn bezaubert und seinen Charakter positiv geschmückt. „Das ist echt ein Land voller Highlights, so beeindruckende Natur. Zum Beispiel fließen ein heißer und ein kalter Fluss in einer Gumpe zusammen und du kannst dir aussuchen, wie warm du baden willst. Wenn das jemand erfinden müsste, würde er im Leben nicht drauf kommen… Oder ein Stück weiter gibt es nordisches Feeling mit Meer und Fjorden. Wieder anderswo erlebst du Dünen direkt neben dem Urwald.“

 

…und Herrenjahre – Made in Miesbach!

Zurück in der Heimat hat er sein neues Ziel schon vor Augen: die Meisterschule. Nach erfolgreichem Abschluss sammelt der frischgebackene Meister noch drei Jahre Berufserfahrung in Hausham und wagt dann den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit seinem Label Made in Miesbach möchte Tobias Schachenmeier zwei Bedürfnisse befriedigen: zum einen möchte er verdeutlichen was, trotz kleinem Laden und noch kleinerer Schaufensterfläche, hier alles produziert wird und welche Vielfalt es beim Raumausstatter gibt. Auch möchte er seinen Kunden vermitteln, dass alles möglich ist, man kann hier mit seinen Wünschen aufschlagen und das Raumausstatter-Team überlegt, wie es sich am besten umsetzen und produzieren lässt und fertigt dann die Kundenwünsche in der eigenen Werkstatt an.

Zum zweiten träumt der begeisterungsvolle Raumausstattermeister schon lange von der Entwicklung einer eigenen Sofa-Kollektion. Im Schaufenster hat er deshalb einen ersten Prototypen ausgestellt. Auch hier gilt: es besteht die Möglichkeit die Couchelemente in allen Maßen und Farben anzufertigen. Es wird direkt hier in Miesbach nach den individuellen Wünschen der Kunden produziert. Das soll auch das liebevoll gestempelte Schild, das auf vielen hier ausgestellten Teilen thront verdeutlichen: Made in Miesbach!

 

Gespür für Menschen, Natur und Design

Der vor Energie strotzende Geschäftsmann achtet bei seinen Waren natürlich auf Qualität aber auch auf Nachhaltigkeit bzw. umweltfreundliche Herstellungsverfahren. Nebenbei erklärt er mir, dass Naturfasern so viele exzellente Eigenschaften mitbringen, die Kunstfasern niemals erreichen können. Vor meinem inneren Auge entsteht eine Collage an zauberhaften Stoffen, als er mir erklärt wie man Kund*innen bestmöglich bei der Auswahl von Stoffen berät. „Es gilt herauszufinden was der Kunde will, welche Farbvorstellung er hat oder auch welche Emotionsvorstellung – ‚Was luftig Leichtes fürs Schlafzimmer?‘… und schon sehe ich Farben und Material, die diese Merkmale mitbringen vor mir. Es gilt die Balance zu finden zwischen so wenig wie möglich zeigen, um die Kundschaft nicht zu überfordern, aber so viel, dass für jeden etwas dabei ist.“

In jedem seiner Sätze merkt man ihm den Enthusiasmus und das Fachwissen für sein Tun an. Auf meine Frage, ob es nicht schwer sei mit einem derartigen Geschäft hier in Miesbach selbstständig zu sein, antwortet er gelassen: „Natürlich ist es schon Glück der einzige zu sein, aber ich versuche auch das altgebackene Image des Raumausstatters aufzulösen und den modernen Charakter rüberzubringen. Zum Beispiel gestalte ich oft das Schaufenster und die Fassade des Ladens um. Das bemerken die Leute und Kunden kommen zu mir, die das Individuelle suchen und designorientiert sind.“ Wer nun denkt, dass es nur hochpreisige Angebote gibt, der irrt. Tobias achtet darauf so wenig Zwischenhändler wie möglich einzusetzen und möglichst vieles selber herzustellen, das macht sich auch in den Preisen bemerkbar.

Inzwischen hat der Unternehmer ein kleines tatkräftiges und kreatives Team um sich geschart: eine Gesellin, ein Lehrling und eine Näherin fertigen die großen und kleinen Wohnträume an. Ab September ist sogar wieder eine neue Lehrlingsstelle frei. Dem Chef ist es ein großes Bedürfnis ein cooler Arbeitgeber zu sein und der Jugend diesen tollen Beruf vermitteln zu können.

Bleibt nur ihm alles Gute für die Zukunft zu wünschen und sich selbst, dass man vielleicht doch bald ein neues Sofa brauchen kann…!

 

Kontakt und Informationen

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Max Kalup