Stadtschreiberin Verena Wolf, © Hartmut Wolf
Stadtschreiberin Verena Wolf, © Hartmut Wolf

Verena Wolf – unsere Stadtschreiberin im Portrait

Seit Juni 2019 erscheint jede Woche eine neue Stadtgeschichte. Doch wer steckt hinter den bezaubernden Schilderungen über Miesbachs große und kleine Ereignisse, seine Menschen und Projekte? In den meisten Fällen ist es Verena Wolf, die quirlig und aufgeschlossen mit wachen Augen durch unsere Stadt wandelt. Höchste Zeit, dass eine Stadtgeschichte ihre Geschichte portraitiert.

 

Die enthusiastische Stadtschreiberin

Dass Verena Wolf nicht gebürtig aus Miesbach stammt, hört man ihr an. Dennoch trügt mich mein Gefühl nicht, dass sie sich besser in meiner Heimatstadt auskennt als ich und viele spannende Geschichten bereits aufgedeckt hat, die ich zuvor noch nicht kannte.

So scheint es vielen Miesbacher*innen zu gehen, denn die Stadtgeschichten, die jeweils donnerstags erscheinen und zum großen Teil von Verena Wolf verfasst sind, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.

 

Bunt gemischte Wurzeln verbunden mit den weiß-blauen Bergen

Doch wie kam die aufgeschlossene Autorin ins bayerische Oberland? Dies ist eine Geschichte, die selbst aus einem Roman stammen könnte… Ihre Mutter floh einst aus Ostpreußen und landete in München, wo sie Verenas Vater kennenlernte. Der ursprünglich aus Kärnten stammende, gab seiner kleinen Tochter viel vom österreichischen Lebensgefühl mit, das wohl doch dem Bayerischen sehr ähnelt. Nicht nur als Gefühl, sondern durch viele Familienausflüge lernte das junge Mädchen bereits das Oberland kennen und lieben. Gepaart mit ihrer frühen Leidenschaft, Geschichten gerne zu hören und diese auch zu schreiben, wurde wohl schon in diesen jungen Jahren ihre spätere Berufung zur Geschichtenschreiberin geboren.

 

Solide Ausbildung und erste Berufsorientierung

Der Zufall wollte es, dass Verenas Nachbar der SZ-Journalist Hannes Burger war und diesen löcherte die heranwachsende Dame mit ihrem Berufswunsch Journalismus. Doch seine Antwort war mehr als ernüchternd: „Studieren Sie erst mal was G’scheids…“

Und so kam es, dass Verena Wolf Deutsch, Geschichte und Wirtschaftsgeografie für das Lehramt an Gymnasien studierte. Im Gespräch gesteht sie, dass sie am liebsten an der Uni geblieben wäre – und das glaubt man ihr aufs Wort, denn mit einem begeisterten Gesichtsausdruck und einem Blitzen in den Augen schildert sie mir, wie viel Interessantes es auf dieser Welt gibt und wie bezaubernd es wäre, wenn man am besten alles aufsaugen und im Kopf nach und nach verarbeiten könnte. Doch nach dem 1. Staatsexamen kommt es anders als geplant. Die Studierende hat nämlich eine zweite Seite: Sie ist glücklich, wenn sie mit Menschen arbeiten kann und so arbeitet sie bereits während des Studiums als Hostess im Pressezentrum der Münchner Messegesellschaft. Ihre Neugier scheint grenzenlos und ihre Hartnäckigkeit ebenfalls, denn da sie unbedingt als Lektorin arbeiten möchte, bewirbt sie sich beim Droemer-Knaur-Kindler-Verlag sage und schreibe ein ganzes Jahr lang, bis ihr Traum in Erfüllung geht und sie ihr erstes Manuskript in Händen hält, über das sie ein Buchgutachten schreiben darf. Hier beweist sie sich und allen, dass sie’s kann und bekommt bald eine feste Stelle beim Kinderbuchverlag Loewe. Ein kurzer Ausflug als Moderatorin beim Radio, lässt die quirlige Frau erkennen, dass sie in der Arbeit sehr wohl Menschen um sich braucht und in einem dunklen Aufnahmeraum mit viel Technik vor sich, nicht glücklich werden wird. Ihre Lebensreise bringt sie zurück nach München und zum Graefe und Unzer Verlag, dem Marktführer unter den Ratgeberverlagen. Dort ist die Gesundheitsredaktion auf Grund aktueller Trends gerade am Wachsen und Verena Wolf wird Abteilungsleiterin. Hier erlebt sie auch die elektronische Revolution in vollen Zügen mit – es werden auf einmal nicht mehr nur Bücher produziert, hinzukommen andere Medien wie CDs und dergleichen.

Nach 9 Jahren bei GU begibt sie sich an vielen Berufserfahrungen reicher in die Selbstständigkeit. Was sich aber später durch einen Einbruch im Verlagswesen, als äußerst schwierige Zeit entpuppen sollte.

 

Die Ankunft im Oberland

Mit ihrem damaligen Freund verschlägt es sie 2008 nach Miesbach, da dieser eine Anstellung in einer hiesigen Druckerei bekam. Verena spürt, dass sie sich hier wohl fühlt und ihre „Kampfausrüstung“ vom harten Verlagsbusiness ablegen kann. „Ich hab gemerkt, dass ich hierher passe. Hier darf ich, ich selber sein.“ Vom Oberland aus, arbeitet sie zunächst noch für Verlage in München, Stuttgart, Frankfurt und Bayreuth. Dann orientiert sich auch mehr und mehr ihr Arbeitsleben nach Oberbayern. Sie gibt die Zeitschriften „Natur und Gut“ und „Vegan essen“ selbst heraus. Durch eine gute Zusammenarbeit mit dem Fotografen Mathias Leidgschwendner ergeben sich neue Wege und gemeinsam konzipieren sie das Magazin „Fasson“.

Mittlerweile im Oberland gut angekommen und eingelebt, unter anderem dank katholischem Frauenbund, wagt sie einen weiteren Schritt und kontaktiert Isabella Krobisch, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Miesbach im Kulturzentrum Waitzinger Keller. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb und verfolgen gemeinsam berufliche Intentionen. So entsteht zunächst ein Buch-Magazin über die Tracht, gefolgt von einer Broschüre über den Grünen Markt in Miesbach und dessen Fieranten. Verena ist sich nun sicher, ganz in der Miesbacher Region zu Hause zu sein, nur mit der bayerischen Sprache klappt es noch nicht so, wie gewünscht. Doch auch hier findet sie eine Lösung: zu ihren Damen im Frauenbund meint sie „Mein Herz schlägt blau-weiß, aber Leute, ich kann’s einfach nicht, das Bayrisch-Sprechen. Ihr müsst mich nehmen, wie ich bin.“

 

(Stadt-) Geschichten und Menschen hat sie einfach gern

Ihre Stärke ist zweifellos sich für Menschen zu interessieren, sie möchte ihnen mit ihren Texten eine Bühne geben und somit den Wert des Menschen erfassen bzw. dessen Aufgaben im Leben darstellen. Perfekte Intentionen, wenn es darum geht Menschen des Marktes zu portraitieren. So entstehen 2019 die Marktgeschichten, die jede Woche online auf miesbach-tourismus.de erscheinen. Zunächst sind es Geschichten, die im weitesten Sinne mit dem Marktplatz verbunden sind. Aktuell wurden die Geschichten erweitert und umbenannt zu „Stadtgeschichten“, um noch mehr die Vielfalt und interessanten Geschehnisse der Stadt darstellen zu können. Verena lebt hier, weil sie die Stadt Miesbach mit ihren Menschen mag – sich ein Stück weit zu Hause fühlt. Faszinierend findet sie beim Schreiben der Stadtgeschichten die Kombination aus den Menschen und der Geschichte Miesbachs. Beispielsweise verfolgt sie diese auch zurück und erläutert mit Begeisterung, dass Miesbach erst 1734 bayrisch geworden ist und vormals als eigenständige Grafschaft auch eigene Gesetze hatte. Ob hier ein Zusammenhang mit dem Miesbacher Phänomen der Haberer besteht? Oder ihr bisheriger „Favorit“ der Stadtgeschichten war die Geschichte über den Nobelpreisträger Paul Heyse bzw. den damaligen „Stadtschreiber“ Prof. Dr. Stemplinger, dessen Schilderung für Verena die ideale Art ist, Geschichten empathisch und anschaulich zu erzählen. Insgesamt faszinieren sie oft die Geschichten, die eine Begegnung mit dem 19. und 20. Jahrhundert bergen – sei es eben Paul Heyse oder beispielsweise die Geschichte über jüdische Spuren in Miesbach.

Auf meine Frage, wie sie Themen für ihre Geschichten findet, kommt sie zunächst ins Grübeln. So genau könne man das gar nicht erklären, wenngleich es eine wichtige Frage sei. Eigentlich ist sie immer auf der Suche, „das läuft wie ein Scan im Hintergrund ab“. Hinzu kommt ihre Lektoren-Fähigkeit zu sehen, was ist gerade spannend und wie kann ich das den Leser*innen vermitteln. Mit dieser Aufgeschlossenheit durch Miesbach zu gehen, werden ihr die Themen wohl so schnell nicht ausgehen.

 

Miesbach ist auch die Zukunft

In ihren aktuellen Schreibprojekten möchte sie möglichst viele Facetten unserer Stadt zeigen und ist dankbar so viele tolle Entwicklungen beobachten und ein Stück weit miterleben zu dürfen. Auch hegt sie schon Pläne für die Zukunft. Für Miesbach wird ein Kinderführer entstehen, für den Verena kleine Geschichten verfasst hat, damit „es nicht so trocken wird“. Hier findet sie Gefallen am Schreiben erfundener Geschichten und hegt einen neuen Traum: einen eigenen Roman…, ob der wohl in Miesbach und Umgebung spielen wird – das bleibt geheim.

Ihr privates sowie berufliches Glück, so sagt sie selbst, hat sie spät hier in Miesbach gefunden. In ihrer Zeit im Kinderbuchverlag hat sie immer davon geträumt auch so zu wohnen wie in den Autorenbiografien der Bücher: „lebt mit Mann und Hund am Waldrand“. Nun schätzt sie sich glück´ßlich dies auch von sich selbst sagen zu können: „Lebt mit Mann und Schwiegervater am Waldrand auf dem Land“ – die Autorenbiografie für ihren Roman steht also schon!

Als sie ihren jetzigen Mann vor 4 Jahren kennenlernt, antwortet sie auf seine Frage, wann die heute 64-Jährige in Rente gehe: „Eigentlich nie, ich möchte, solange es geht, etwas für die Gesellschaft beitragen.“ Und im Sinne der Stadtgeschichten und zukünftiger Projekte hoffen wir inständig, dass das noch sehr lange so geht!

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Hartmut Wolf

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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