Kindertrachtengruppe am Marktplatz, © Verena Wolf
Verena Alt, © Verena Wolf

Verena Alt und die Liebe zur Heimat

Dass das Oberland schön ist und unsere Traditionen lebendig, weiß jedes Kind! Das wiederum ist kein Zufall, sondern nur möglich, weil es hier Menschen gibt, die sich bewusst entscheiden, etwas dafür zu tun.

 

Heute bin ich zum Interview mit Verena Alt verabredet und es ist einer der Termine, auf die ich mich vorher schon freue. Und tatsächlich ist der Empfang im Haus der Familie Alt für mich so herzlich wie immer. Extra für das Interview hat Verena eine Torte gebacken, die so gut zur Stimmung an diesem Sommernachmittag passt wie das schicke Dirndl, das sie trägt. „Ich hab es heute zum ersten Mal an – eigentlich wollte ich es für die Abschlussfeier aufheben“, vertraut sie mir an und freut sich über mein aufrichtiges Kompliment.
Denn ihr Dirndl trägt die zarte junge Frau nicht aus Gründen der Mode – Verena Alt ist, so jung sie noch sein mag, bereits eine Stütze des Miesbacher Trachtenvereins.

 

Mitten in den Prüfungen

Eigentlich ist unser Termin für ein längeres Gespräch gerade nicht so günstig, denn Verena steckt mitten in den Prüfungen. „Ich bin jetzt schon fast am Ende meiner Ausbildung als Pflegefachfrau im Krankenhaus Agatharied. Und weil man ja in jedem Gespräch dazulernt, kann ich gleich meine Kenntnisse zur Krankenpflege-Ausbildung auf den neuesten Stand bringen. Ich erfahre, dass Verena der erste Jahrgang ist, der mit der neuen Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau/-mann“ abschließen wird. Früher gab es drei unterschiedliche Ausbildungen (1. Krankenpflege / 2. Altenpflege und 3. Kinderkrankenpflege), die 2020 zur sogenannten generalisierten Pflegeausbildung zusammengelegt wurden. Was das bedeutet, schildert Verena so: „Während der Ausbildung bin ich in Agatharied nicht nur auf den verschiedenen Stationen eingesetzt worden wie etwa auf der Kardiologie, der Inneren, der Unfallchirurgie, der Onkologie, der Palliativmedizin und der Gynäkologie, sondern ich war auch in verschiedenen externen Einrichtungen wie im Altenheim, der Ambulanten Pflege und der Psychiatrie.“

 

Ein Herz für die ganz Kleinen

Eine Menge unterschiedlicher Eindrücke, denke ich gerade, als Verena sagt: „Ich fand alles interessant, aber auf der Kinderstation, im pädiatrischen Einsatz habe ich sofort gemerkt, dass ich nach der Ausbildung mit Babys arbeiten möchte.“ Und nach dieser Erkenntnis ging gut weiter für sie, denn jede angehende Pflegefachkraft erhält die Chance, sich bundesweit an zwei Einrichtungen zu bewerben, um dort den Klinikalltag besser kennenzulernen. Verena konnte sich ihren Traum erfüllen: Sie bekam nicht nur einen Platz an der Charité in Berlin, einem der besten Klinikzentren Europas, sondern konnte dort in der Neonatologie arbeiten. Wer jetzt nicht weiß, was das ist: Der Begriff kommt aus dem Griechischen und Lateinischen und bedeutet hier Neugeborenen-Station. „Es sind die ganz Kleinen, die mein Herz gewonnen haben.“ Sie lächelt sanft und ich erfahre, dass sie dort auf der Frühchen-Station erste Einblicke in dieses überaus sensible Gebiet bekommen hat. „Wir hatten Kinder, die sind in der 23. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen. Die ganze Hand war so groß wie einer meiner Finger.“ Obwohl ihr bewusst ist, wie zerbrechlich ein so junges Leben ist, schreckt sie das nicht ab, genau in diesen Bereich zu arbeiten.

 

Die Liebe zur Heimat

Während ich noch zuhöre, was sie mir von ihrem Aufenthalt in Berlin erzählt, drängt sich mir natürlich die Frage auf, ob sie in der Hauptstadt bleiben wollte. „Naja,“ gibt sie unumwunden zu. „Ich habe mich schon sehr gefreut, dass mich ein so renommiertes Krankenhaus behalten wollte…“ Aber dann war die Liebe zu ihrem Leben in Miesbach doch stärker und sie hat nach einer Lösung gesucht, beide Leidenschaften unter einen Hut zu bringen.
Inzwischen hat sie alle Prüfungen bestanden und nun geht es für die examinierte Pflegefachfrau am 15. September im Kinderkrankenhaus in Schwabing los. „Ich werde pendeln“, sagt sie und erzählt, dass sie sich ausbedungen hat, immer am Mittwoch in Miesbach zu sein. „Dafür mache ich lieber den Spätdienst am Donnerstag. Und den Sommer über habe ich am Wochenende frei.“ Und diese Zeitfenster braucht sie dringend, denn sie ist 2. Jugendleiterin im Trachtenverein, betreut eine eigene Tanzgruppe und ist somit schon jetzt eine Stütze des Heimat- und Volkstrachterhaltungsvereins Miesbach.

 

Die Tradition lebt

„Am Mittwoch wird geübt und im Sommer ist Hochsaison im Trachtenverein“, sagt sie und ich kann spüren, wie wichtig ihr das ist. „Ich leite zwar eine eigene Gruppe, mache das aber nicht alleine. Ich bin froh, dass Michaela Poensgen da ist. Sie ist die 1. Jugendleiterin und hat ganz viel Erfahrung. Und dann ist auch der Sebastian Waldschütz dabei.“ Der schmucke Sebastian ist heute der 1. Vorplattler und war von Anfang an ihr Tanzpartner.
Neben dem Gaufest gibt es viele weitere Veranstaltungen, bei denen die Miesbacher Plattler glänzen können. Sie selbst tanzt, seit sie denken kann, hat schon mit drei oder vier Jahren angefangen – so genau weiß sie das nicht. Es ist aber auch kein Wunder, denn die ganze Familie ist heimat- und traditionsverbunden und lebt mit Engagement das Erbe des Oberlandes.

 

Gar nicht so einfach

Die Aufgabe ist groß, denn der Verein umfasst über 600 Mitglieder und ist ein Fixpunkt des Miesbacher Lebens. „Momentan sind in der Jugend etwa 20 Kinder im Alter von vier bis fünfzehn Jahren. Für sie bin ich als Jugendleiterin zuständig, das sind also „meine“ Kinder“, zählt sie auf. „Richtig los geht es dann aber ab dem 16. Lebensjahr, wenn man bis 24.00 Uhr auf sein darf. Und das passiert schon mal, wenn man sich im Oberland zu einem Fest zusammensetzt. Um diese Älteren, das sind fünfzehn Jugendliche zwischen sechzehn und einundzwanzig Jahren, kümmert sich der Sebastian.“
Geübt wird für die großen Auftritte jeden Mittwoch von 18.00 bis 19.00 Uhr in der Trachtenhütte. „Wir tanzen dann das Mühlradl, den Auftanz, den Sterntanz. Da sind alle zusammen. Extra müssen die Mädchen das Drehen üben.“
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine Darbietung der Miesbacher Plattler sehe. Wie schön sieht es aus, wenn sich die Mädchen in ihren farbenfrohen Röcken ruhig drehen… Aber dabei nicht schwindlig zu werden – das ist eine Kunst. „Ja“, Verena kichert. „Das ist ein Geheimnis, aber man kann das lernen.“

Lernen müssen auch die Buben: Platteln grenzt an Akrobatik - und dann soll auch noch das Zusammenspiel mit der Gruppe passen… Doch wer einmal angefangen hat, bleibt fast immer dabei. „Ja, es kommen fast immer alle“, freut sich Verena, „dafür will ich mich an dieser Stelle auch einmal bei den Kindern bedanken. Das ist schon eine tolle Leistung.“
Die unverwechselbare bayrische Tanzmusik machen dabei übrigens Hansi Unützer und Mama Regina Alt mit der Steirischen und der Ziehharmonika.

 

An vieles denken

„Bei mir geht es in erster Linie um die Organisation. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, da werden die Termine kommuniziert, also wann und wo der Auftritt stattfindet und wann alle da sein müssen. Ich bin den Eltern wahnsinnig dankbar, dass sie so mitarbeiten und die Kinder rechtzeitig bringen. Bis alles angezogen ist mit Schmuck, Haarnadeln oder Hüten – da ist schon viel zu bedenken.“ Und so erfahre ich noch, dass es fast 45 Minuten dauert, bis ein Mädchen angezogen ist und die Haare gemacht!
Doch das ist noch nicht alles. „Dann schaue ich unterwegs, dass die Stimmung gut ist und dass kein Kind verloren geht. Und ich kümmere mich um die Verpflegung. Natürlich hab ich auch immer ein Pflaster zur Hand…“, schließt sie mit einem netten Schmunzeln.

 

Aus Bayern in die Welt

„Ja, der Verein ist wichtig für mich“, sagt Verena. „Richtig wichtig. Ich bin da nicht nur reingeboren. Ich liebe es und komme mit den Menschen gut klar.“ Dass sie das, was sie tut, mit Liebe tut, das merkt man einfach, auch wenn sie von ihren Hobbys erzählt. „Ich backe gerne Kuchen und freue mich, wenn ich bei den Nachbarn Babysitten kann.“ Dabei ist Verena willensstark und unabhängig. Sie hat nicht nur den Führerschein fürs Auto, sondern auch gleich den mit Anhänger gemacht. Und sie ist gerne auf Reisen. „Berlin hat es mir angetan, das gebe ich gerne zu“, gesteht sie. Und auch die Woche in Gran Canaria hat sie in bester Erinnerung. „Da war ich ganz alleine. Das fand ich schön. Einfach mal nur machen, was mir Spaß macht.“
Doch am liebsten ist Verena mit dem Verein unterwegs: „Anfang dieses Jahres waren die aktiven Plattler, zu denen mein Tanzpartner Sebastian Waldschütz und ich zählen, mit dabei in Marseillan“, freut sie sich und erzählt, wie schön und spannend die Reise nach Südfrankreich und der Auftritt der Miesbacher Plattler war, der die Besucher begeistert hat.

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Verena Wolf und Verena Alt

Impressionen

Verena Alt und Sebastian Waldschütz, © Verena Alt
Verena Alt und Sebastian Waldschütz

© Verena Alt

Verena Alt, © Verena Wolf
Verena Alt

© Verena Wolf

Kindertrachtengruppe am Marktplatz, © Verena Wolf
Kindertrachtengruppe am Marktplatz

© Verena Wolf

Kindertrachtengruppe am Marktplatz, © Verena Wolf
Kindertrachtengruppe am Marktplatz

© Verena Wolf