Veronika Bruggers Kinder, © Privat
Veronika Brugger und Tochter, © Verena Wolf

Unsere Ortsbäuerin: Ein Gespräch mit Veronika Brugger

Wer auf Miesbach zufährt, durchquert auf vielen Kilometern weites Bauernland. Stolz und blumengeschmückt stehen darin die großen Höfe, wie der Baumstinglhof in der Unteren Wies, dessen Tür heute Jungbäuerin Veronika Brugger für ein Interview öffnet.

 

Ein warmherziges Willkommen

Ich komme zum Interview ein paar Minuten zu spät. Veronika Brugger, die mir freundlich die Tür öffnet, nimmt es gelassen: „Arbeit gibt`s immer“, sagt die vierfache Mutter und bietet mir einen Platz draußen auf der Terrasse an, wo sie mit Holzmöbeln, ausgesucht schönen Stoffen und vielen Ideen eine kleine Oase für die ganze Familie und alle Besucher geschaffen hat. „Viel zum Ausruhen komm ich nicht“, sagt sie, als ich das harmonische Umfeld bewundere. Dass Veronika Brugger nur selten zum Ausspannen kommt, ist kein Wunder. Immerhin heißt es für sie, die Familie, das Amt als Ortsbäuerin, den Sitz im Pfarrgemeinderat und natürlich den Hof, den die Familie im Nebenerwerb führt, unter einen Hut zu bringen. Sie hat inzwischen auch schon einen Cappuccino gemacht und während drinnen im Haus die älteste Tochter ihren fast drei Jahre alten, kleinen Bruder beschäftigt, frage ich Veronika etwas, das mich schon lange beschäftigt.


Verena Wolf (VWo): „Für mich sind die großen Höfe so etwas wie kleine Königreiche. Seht ihr das eigentlich auch so?“

Veronika Brugger (V.B.): „Ja, jetzt schon. Jetzt sehe ich das alles mit anderen Augen und freue mich dran. Als Kind war das für mich noch anders. Da ist ja alles, was man selbst hat, das Normale. Da schaust du dann eher, was die andern in der Klasse machen. Ich wäre auch gerne mehr weggefahren, musste aber am Hof helfen. Genau wie meine Kinder jetzt. Die sagen dann schon mal: „Mama, der und der, die fliegen nach Dubai – da will ich auch mal hin.“

VWo: „Ja, Wahnsinn, nach Dubai – wer braucht denn sowas, wo es hier so herrlich ist. Wir haben doch alles, was andere suchen: Seen, Berge, Wälder, Wasser, unsere Landschaft, die die wichtigsten Lebensmittel erschafft. Das alles verdanken wir doch Menschen wie euch, die sich darum aktiv kümmern.“

 

Lebensmittelpunkt Familie

V.B.: „Man muss da reinwachsen. Ich komme ja von einem großen Hof in Schweinthal, wo wir im Grunde alles hatten: Rösser, Kühe, aber auch kleine Tiere für uns Kinder wie die Hasen und die Hühner. Ich bin mit all dem aufgewachsen und mache jetzt auch alles für die Kinder, damit die einen Bezug bekommen. Momentan haben wir Hühnchen“ – Veronika sagt natürlich Bieperl, was viel liebevoller klingt und tatsächlich sausen fünf schon recht große Küken im Gehege hinter uns herum – „und die Kinder sind ganz glücklich, weil sie das alles miterlebt haben, wie aus einem Ei ein Hühnchen wird.“

VWo: “Ist deine Mama ein Vorbild für dich?“

V.B.: „Hmm, so habe ich das noch gar nicht gesehen, aber dass stimmt schon. Ich erinnere mich an das, was sie für uns gemacht hat, und ich mache es oft genauso. Ich rufe sie auch oft an, einfach, um mit ihr zu reden. Und mit der Oma, die ist auch ein wichtiger Mensch in meiner Familie. Ja, und dann ist da meine Schwiegermutter – wenn ich sie nicht hätte… Ich bin wirklich dankbar, dass sie immer da ist und mithilft.“

VWo: „Sind alle deine Kinder mit gleichem Interesse dabei?“

VB: „Nein – nicht alle gleich. Die Hühnchen sind ein Projekt vom Vitus. Der ist erst sechs Jahre alt, aber der hat eine so gute Art mit den Tieren umzugehen. Der kann schon jetzt die Kühe im Stall anhängen. Da sind dann ganz brav. Sie merken einfach, dass er keine Angst vor ihnen hat. Wegen ihm hatten wir schon Puten und Enten, Gänse und Schweindl – das ist hier ja alles möglich.“

Vitus, der wirklich schon jetzt mit beiden Beinen auf dem Boden steht, lerne ich später kennen – er kommt einmal kurz schauen, mit wem die Mama den Samstagvormittag verbringt, dann trollt er sich wieder ins Haus. Auch Schwägerin Petra schaut kurz vorbei. Sie ist mit ihrem Mann, den drei Kindern und den Pferden auf dem Weg zu einem Pferdesegen.

 

Mitten im Leben

VWO: „Ihr seid ein Biohof?“

V.B.: „Ja, seit 1993, also schon in der 3. oder 4. Generation, wenn man so will. Die Bruggers waren mit die ersten, die umgestellt haben.“

VWo: „Veronika, du bist Ortsbäuerin geworden. Was bedeutet das?“

V.B.: „Das geht vom Bauernverband aus. Man wird gewählt: Es gibt die Ortsbäuerinnen und die Ortsobmänner und den Kreisausschuss, da bin ich als Beisitzerin dabei. Als Ortsbäuerin bin jetzt zuständig für Weiterbildung und freue mich, dass wir schöne Kurse anbieten können. Das geht vom Flechten mit Material aus dem Garten bis zum Nähen von Dirndlröcken. Mir ist wichtig, dass wir Frauen hier etwas gemeinsam machen. Wir brauchen den Zusammenhalt und dass wir uns gut kennen. Ich suche nach den Referenten wie der Elke Pelz-Thaller. Die macht tolle Sachen wie Mentaltraining.

VWo: „Gesundheit interessiert dich?“

V.B.: „Schon immer – ich gebe viel auf Homöopathie. Ich mache eben lieber einen Tee, als dass ich gleich Tabletten nehme.“

VWo: „Du bist auch im Pfarrgemeinderat – wie kam das?“

V.B.: „Ich bin berufen worden. Eine Wieser Bäuerin ist ausgeschieden und man hat mich gefragt.“

VWo: „Warum hast du Ja gesagt zu noch mehr Aufgaben?

V.B.: „Ich finde Kirche wichtig. Mir ist mein Glaube wichtig. Und wenn alle zwar schimpfen, aber selbst nichts tun, wird sich auch nichts ändern. Also bin ich jetzt dabei. Ich weiß nicht, ob ich wirklich was bewegen kann, aber ich bin nah dran und weiß Bescheid, was sich tut in der Pfarrei. Dazu gekommen bin ich auch über die Kinder – Kommunionvorbereitung – das habe ich zum Beispiel gerne gemacht.“

 

Bäuerin aus Überzeugung

VWo: „Du hast Ländliche Hauswirtschaft in der Frauenschule gelernt – warum?“

V.B.: „Ja. Ich hab einfach schon immer gerne gekocht, gebacken… ich mag Blumen und alles Schöne und bin kreativ. Da hat sich die Schule einfach angeboten.“

VWo: „Hast du jemals von einem ganz anderen Leben geträumt?“

V.B. überlegt: „Nein“, sagt sie dann, „ich wollte auch nie wirklich weg. Selbst die Praktika habe ich auf Höfen hier in der Umgebung gemacht. Schau, auch meinen Mann kenne ich eigentlich schon mein ganzes Leben lang, und jetzt sind wir schon seit 2008 verheiratet und hier am Hof. Ich glaube, ich bin einfach gerne hier.“

VWo: „Trotz der vielen Arbeit?“

V.B. nickt energisch: „Ja, auch wenn ich manchmal denke, dass ich vor lauter Arbeiten gar nicht zum Leben komme. Es ist immer was los. Mit vier Kindern bist du von morgens bis abends gefragt. Ständig ruft einer nach der Mama, auch wenn es jetzt schon besser ist. Meine Älteste, die Maria, ist ja schon 13 – aber da sind dann wieder andere Dinge dran. Und wir haben ja auch ein starkes Vereinsleben, das Zeit braucht. Wenn wir zum Beispiel mit dem Trachtenverein ausrücken, gehe ich morgens erstmal in den Stall. Dann schaue ich, dass wir alle sechs gescheit angezogen sind – gewaschen und gekampelt. Und dann geht es los. Das sieht sicher schön aus, da ist doch viel zu tun, bis es so weit ist. Ich finde es super, die Tradition zu erhalten, aber von selbst macht sich alles nicht.“

 

Tiefe Wurzeln

VWo: „Der Hansi Brugger, dein Mann spielt Musik?“

V.B.: „Ja, das ist sein Ausgleich – das braucht er einfach. Da halte ich ihm den Rücken frei, damit er das machen kann.“

VWo: „Und du selbst, hast du noch ein Hobby?“

V.B.: „Ja, mein Mann und ich, wir haben uns ein Pferd gekauft und wir fahren mindestens einmal in der Woche eine Runde. Das ist eine Zeit, die wir beide brauchen. Das tut uns gut – da haben wir Zeit, alles zu bereden. Das, was anliegt, und das was auf der Seele liegt.“

Beim Stichwort Seele kommen wir dann noch einmal intensiver auf das Thema Kirche und Glauben zu sprechen. Wir sind da recht einig in unseren Ansichten und freuen uns, dass mit Kathrin Baumann in Miesbach eine starke Frau die Kirche mitgestaltet.

Eine letzte Frage habe ich noch und ich frage Veronika Brugger, ob sie sich eher in der Stadt Miesbach heimisch fühlt oder in der Wies. Da lacht sie herzlich, und ich kenne die Antwort, ehe sie sie ausspricht. Natürlich ist Veronika Brugger mit Leib uns Seele eine Wieser Bäuerin.


 

Text: Verena Wolf
Fotos: privat; Verena Wolf

Impressionen

Veronika Brugger und Tochter, © Verena Wolf
Veronika Brugger und Tochter

© Verena Wolf

Veronika Bruggers Kinder, © Privat
Veronika Bruggers Kinder

© Privat

Veronika Bruggers Kinder, © Privat
Veronika Bruggers Kinder

© Privat