Die Harfe in der Kirche, © Stefanie Polifka
Steffi Polifka, © Andrea Rexhausen

Viva la musica!

Stefanie Polifka ist Miesbacherin durch und durch. Hier unter anderem im Kirchenchor aktiv und mit der Region verwachsen, ahnt man zunächst nicht, dass diese talentierte Frau und dreifache Mutter auch auf großen Bühnen zu Hause ist.

Zur Einstimmung aufs Interview plaudere ich mit Stefanie Polifka kurz über Familie, Alltag und Miesbach. Ich kenne sie seit unserer Kindheit, die Atmosphäre ist vertraut und sie erzählt fröhlich vom bisherigen Tag und was sonst Frauen in unserem Alter beschäftigt. Als wir auf die Harfe zu sprechen kommen, entzündet sich ein Funkeln in ihren Augen und ihre Gestik wird eifriger, man merkt deutlich – da brennt ein Feuer in ihr.

 

Die Anfänge

Steffi Polifka, geborene Hampel, spielt seit ihrer Kindheit dieses zauberhafte Instrument. Wann genau sie diese Leidenschaft gepackt hat, kann man gar nicht mehr exakt sagen. Sicher ist, dass sie schon damals viel Förderung durch ihre musikalische Familie und durch die Familie Hering bekam. Hennes Hering förderte sie als Musiklehrer am Gymnasium Miesbach, indem sie im Orchester, im großen Chor und im Kammerchor der Schule mitwirkte. Seine Frau Monika erteilte ihr den ersten Harfenunterricht.

Auch im damaligen Miesbacher Kulturballon, einer Veranstaltungsreihe mit Künstlern der Region, wirkte sie als Jugendliche 1994, 1995 und 1996 mit.

Mit „nur“ 15 Jahren bekommt sie Privatunterricht bei Frau Prof. Kopp in München. „Die hat mich unter ihre Fittiche genommen…“. Mit 17 Jahren holt sie Kopp als Jungstudentin ans Richard-Strauss-Konservatorium München. Just in dem Alter, in dem für viele Jugendliche alles drunter und drüber geht, fährt Steffi zweimal die Woche nach München. Neben dem Schulalltag, und natürlich den ersten Ausflügen ins Nachtleben, übt sie täglich für ihre Berufung. Denn jetzt ist sie sich bereits sicher: es gibt für sie keinen anderen Beruf als Harfenistin – „alternativlos!“. Weiterhin begleitet von Frau Prof. Kopp, deren Kinder im gleichen Alter sind, hat sie bei ihr eine zweite, musikalische Heimat gefunden. Sie darf mit Frau Kopp zu Volksmusikseminaren und erhält manchmal auch Unterricht bei ihr zu Hause und wird so ein bisschen Teil der Familie. Es folgen erste kleine Jobs und die Mitgliedschaft im Jugendorchester.

 

Der professionelle Werdegang

Das Abitur macht sie noch fertig, aber nur damit es fertig ist, denn am Kons ist das echte Leben für sie: umringt von so viel Musik, fühlt sie sich hier wohl.

Nach dem Abitur schafft sie die Aufnahmeprüfung zum Vollstudium und muss nun auch die Musiktheoriefächer und Gehörbildung studieren. Als erstes Instrument wählt sie natürlich die Harfe und Klavier als zweites. Trotz Pendelns empfindet sie die Studienzeit als wunderschön: zu Hause in Miesbach kann sie ungestört üben und in München eröffnet sich die große weite Welt der Musik.

Bei den sogenannten Ladenschlusskonzerten, regelmäßigen kleinen Vorspielen an der Hochschule, leckt sie Blut am Ensemble- und Orchesterspiel und will Orchestermusikerin werden.

Die Eltern sind davon weniger begeistert, da freie Stellen in professionellen Orchestern äußerst rar sind und man gut beraten ist ein dickes Fell inmitten der vielen verschiedenen Künstlercharaktere zu haben. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass man Harfen meist nur einmal in der Besetzung braucht – im Gegensatz zu Geigen beispielsweise.

Doch die angehende Harfenistin lässt sich zunächst nicht abbringen und spielt Symphonieprogramme. Hier wird sie aus Erfahrungen klüger: „Du wartest und wartest, dann spielst du drei Takte – bring, kling und dann wartest du wieder….“ Erstmals hat sie leise Zweifel, ob Orchester wirklich ihr Berufsziel bleiben soll. Mitten im Studium beschäftigt man sich mit allen Stilistiken und ihr wird klar, dass sie mehr will als viele Stunden zu warten oder jedes Jahr zu Weihnachten Hänsel und Gretel oder den Nussknacker zu spielen. Sie möchte eigene Konzerte spielen und sich nicht auf einen Stil festlegen müssen.

Deshalb belegt sie als drittes Fach Elementare Musikpädagogik – damit wird man an Musikschulen mit Handkuss genommen. So kann sie ihren Berufsalltag abwechselnd gestalten und kann sich ihre Freiheit bewahren.

 

Stipendium und Lebenserfahrung

2003 bewirbt sie sich bei der Internationalen Yehudi Menuhin Stiftung Live Music Now und wird als Stipendiatin aufgenommen. Eine spannende Reise beginnt. Die Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht den Stimmlosen durch Kunst eine Stimme zu geben. In verschiedenen Programmen werden soziokulturelle Projekte unterstützt. Bei Steffis Programm wird die Musik an Orte gebracht, wo es Menschen sonst nicht möglich wäre, ein Konzert zu besuchen. So spielt sie in Krankenhäusern, auf Intensivstationen, in Altenheimen, Hospizen, Psychiatrien und sogar Gefängnissen. Dort sieht sie viel Leid und traurige Lebenssituationen, dennoch wird sie ermutigt weiter zu machen. Zum einen ist eine unfassbare Dankbarkeit der Lohn und zum anderen die Energie und Freude, die solch besondere Publika an sie zurückgeben. Zudem lernt sie sehr viel, denn das Stiftungsprogramm ist auf junge Musiker*innen zugeschnitten, sie sollen auch vieles ums konzertante Leben lernen, das heißt die Stipendiat*innen müssen für ihre Auftritte alles selbst organisieren: Programmauswahl, Moderation, Kleiderordnung, Aufstellen der Musiker*innen etc. Eine optimale Vorbereitung aufs Berufsleben also. Zudem wird sie immer wieder mit anderen Stipendiat*innen zusammengebracht und lernt so viele Kammermusikpartner*innen kennen, mit denen sie auch heute noch gemeinsam auftritt.

Vielleicht hat sie diese Erfahrung weiter in ihrem Leben bewahrt – denn auch heute spielt sie noch oft in Kirchen, Altenheimen und bei anderen kirchlichen Anlässen. Darüber hinaus hat sie zu Hause im Miesbacher Oberland ebenfalls eine enge Bindung zur Kirche. Seit 15 Jahren singt sie im Kirchenchor, kennt dort die Musiker und Mitglieder über ihre Eltern gut. In der Coronakrise war sie überaus froh und dankbar für diesen Zweig ihres Berufes, denn trotz ausgefallener Konzerte, konnte sie zumindest ein bisschen spielen.

Nach ihrem erfolgreichen Abschluss mit pädagogischem Diplom, steht ihre musikalische Ziehmutter Frau Prof. Kopp immer noch an ihrer Seite und rät ihr „Steffi, du musst noch was machen“. So kommt es, dass die frischgebackene Profimusikerin einen einjährigen Aufbaustudiengang am Salzburger Mozarteum bei Prof. Sarah O’Brien besucht. Hier erhält sie nochmal einen besonderen Feinschliff. Zeitgleich spielt Steffi schon bei den Jungen Philharmonikern und unterrichtet an Musikschulen. Nach dem Salzburger-Jahr ist also der Übergang zum Berufsleben fließend – Steffi gibt Konzerte und Unterricht und ist dort angekommen, wo sie hinwollte.

 

Ein Telefongespräch und eine Tournee

„Und dann hat auf einmal der Paruta angerufen…“ erzählt sie mit einem nachgespielten Erstaunen. Mit ihm geht sie auf Konzerttournee. 7 Jahre lang spielt sie bei seinem bekannten „Weihnachtssingen - Heilige Nacht“ mit. Jeden Dezember gastiert sie mit Enrico de Paruta über 4 -5 Wochen in vielen bayerischen Städten, wie Bayreuth, Schweinfurt, Nürnberg und sogar in Berlin und Frankfurt haben sie Auftritte. „Da fühlt man sich schon als Star – man wird hofiert und als Künstler bezeichnet.“ Auf Nachfrage erklärt mir Steffi, dass der Begriff Musiker sich mehr auf das Handwerk bezieht und Künstler noch deutlicher die Kunst – die Interpretation eines gespielten Stückes in den Vordergrund hebt. „Dass ich die Tournee zweimal schwanger gespielt habe, das hab‘ ich dem Paruta immer erst hinterher erzählt, da hätte er sich sonst zu sehr aufgeregt…“ erklärt sie mit einem verschmitzten Lächeln.

 

Familienpause und dann…

Mittlerweile hat sie drei kleine Kinder, geboren wurden die zwei Mädchen und ein Bub 2008, 2011 und 2013. Wie für alle berufstätigen Mütter bedeutet das eine harte Zerreißprobe, im Musikbusiness wohl noch ein bisschen mehr als in anderen Branchen. Steffi muss viele Aufträge erst einmal ablehnen oder kann nur mit einem wahnsinnigen Aufwand spielen. Als sie einmal als Aushilfe einspringt, reist ihr Mann Florian samt 6-Wochen-altem Baby mit – das Ergebnis: einmal und nie wieder!

2014 / 2015 als die Kleinste ein Jahr alt ist, geht es langsam beruflich wieder bergauf. Steffi spielt in der Münchner Taschenphilharmonie – ein Orchester, das der normalen Symphoniebesetzung gleicht, in dem es jedoch jedes Instrument nur einmal gibt. Das heißt man kann große Werke spielen mit einem ganz anderen feineren Klang. Auch verschiedene Kammermusikensembles ergeben sich wieder, dank eines guten Musikernetzwerkes. Ebenfalls kehrt sie dank ihres Vaters Wolfgang Hampel erneut zur Volksmusik zurück. Als ständige Begleitung des Gschwendter Dreigsangs tritt sie mit ihrem Papa zusammen im Oberland auf.

 

Musikalische Vielfalt

Zudem spielt sie in „ihren“ Ensembles: Saitentanz bringt mit Zither, Hackbrett, Harfe, Kontrabass und Gitarre klassische Volksmusik aber auch „wuide Sachen“ auf die Bühne. Das Trio Tinnabuli deckt den Bereich der Kammermusik ab. Und die Übertragung der Fachbereichsleitung für EMP (=Elementare Musikpädagogik) an der Musikschule komplettiert ihr breites Spektrum.

Was die Familie dazu sagt, möchte ich gerne noch wissen. Steffi überlegt kurz und kommt zum Schluss, dass die Kinder das schon manchmal toll finden, was ihre Mama da macht. Oft bewundern sie wie leicht es bei ihr ausschaut und eines der beiden Mädchen überlegt sogar auch eine musikalische Karriere einzuschlagen. Steffi würde ihr den Wunsch gewähren, denn ihre Erfahrung ist: „Es ist so ein schöner Beruf, man wird nicht reich dabei, aber man bekommt so viel zurück.“

Natürlich sind es oft blöde Arbeitszeiten fürs Familienleben, noch dazu wenn der Ehemann Flo erfolgreicher Veranstaltungstechniker ist. Aber er ist mächtig stolz auf seine Frau und dank gutem Teamwork geht es irgendwie dann meistens doch.

 

Feuer und Flamme für die Musik

Immerhin können Steffi und das Saitentanzensemble derzeit dank moderner Technik online in Echtzeit proben. „Da merkt man erst was einem gefehlt hat – das Erleben und das Miteinander. Da habe ich wieder gewusst warum ich das mache.“

Ja, im ganzen Gespräch spürt man, warum Steffi genau das geworden ist: eine begnadete Harfenistin, die viele Facetten der Musik abbildet, für die Musik lebt und damit unser Leben bereichert.

„Wenn wir mit der Taschenphilharmonie Malers 4. spielen – des packt di so auf der Bühne, da möcht‘ man weinen. Die Kraft und die Energie, die do drinsteckt – das ist der Grund warum ich das studiert habe!“

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Magdalena Jooß, Andrea Rexhausen und Stefanie Polifka

 

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Ihnen, liebe Leser*innen, für die Treue im vergangenen Jahr bedanken. Mit einem musikalischen Gruß wünschen wir Ihnen besinnliche Weihnachtstage und alles Gute und Gesundheit für das Neue Jahr.

Vielen Dank Stefanie, für die wunderschöne Melodie aus Drei Nüsse für Aschenbrödel.

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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