Gasthof zur Post um 1900, © Stadtarchiv Miesbach
Anneliese Bicherel , © Verena Wolf

Stadtplatz 15 – ein Haus mit großer Geschichte

Jedes der repräsentativen Häuser am Oberen Stadtplatz hat seine eigene faszinierende Geschichte. Und der ehemalige Gasthof POST hatte ein besonders interessantes Schicksal.

 

Gestern und Heute unter einem Dach

Steht man vor dem großen Haus erkennt man gleich, dass es Heimat für mehrere, florierende Firmen ist. Die Bäckerei Gschwendner betreibt eine Filiale. Auch Lindner Zeitschriften&Tabakwaren und die Wüstenrot Bausparkasse haben ihre Räumlichkeiten im Erdgeschoss. In den weitläufigen oberen Etagen sind Wohnungen eingerichtet. Dass sie mit dicken Mauern und echten Holzböden authentischen Altbau-Charme verströmen, ist kein Wunder: Immerhin wurde das Haus 1783 nach dem verheerenden Brand – der übrigens im direkt gegenüberliegenden Waitzingerbräu ausbrach –, wiederaufgebaut. Dabei wurde das Haus allerdings aufs Doppelte vergrößert und ein Stück nach vorne zum Platz gesetzt. Man hat als Fundament aber die alten Keller genutzt. Und die sind in der Post besonders spannend, führen sie doch im wahrsten Sinne des Wortes weit zurück in die Vergangenheit unserer Stadt.

 

Ungelöste Rätsel

Dass auf dem Plateau über dem Stadtplatz, ungefähr dort, wo heute die Zulassungsstelle ist, eine Burg stand, wissen wir. Noch auf Stadtdarstellungen von 1700 erhebt sich dort ein mächtiger Turm, der von einem wehrhaften Bau an dieser Stelle erzählt. Dass es wahrscheinlich bis ins 18. Jahrhundert hinein einen Verbindungsgang unter dem Gebäude der POST zur Burg oberhalb oder eventuell sogar zum Schloss (heute Vermessungsamt) gegeben hat – das hat man sich in Miesbach jahrhundertelang erzählt. 1962 schließlich wollte es Heimatpfleger Fritz Gloetzl (1908-1984) genau wissen und ließ eine Probegrabung in den Kellern der POST durchführen. Schnell stellte sich heraus, dass sich dort nicht nur sehr alte Mauern befinden. Man fand tatsächlich den Eingang zu einem Tunnel, der allerdings so mit altem Bauschutt verfüllt ist, dass die Grabungen schon nach wenigen Metern eingestellt werden mussten. Da für weitere Grabungen zu viel Aufwand erfordert hätten, hütet das alte Gebäude auch weiterhin seine Geheimnisse.

 

Heimstatt für Unternehmergeist

Kein Geheimnis ist, dass die Gastwirtschaft 1622 das erste Mal erwähnt wird. Da sie damals im Besitz der Familie Feller war, hat sich der Name teilweise noch erhalten. Seither hat das Haus oft den Besitzer gewechselt. Der Miesbacher Chronist Michael Gasteiger nennt 20 Namen. Sie alle waren sicher tüchtige und tatkräftige Männer, aber einer hatte die beste Idee: Andreas Mayer beantragte 1811 die Übernahme der Posthalterei – und als diese ihm am 23.01.1812 bewilligt wurde, bekam das Haus nicht nur eine neue Einnahmequelle, sondern auch seinen heutigen Namen.

 

Pracht und Glanz im Gasthof POST

Wie prächtig und bedeutend der Gasthof damals war, das sieht man auf den ersten Blick, wenn man die großen Flügeltüren öffnet. Dahinter spannt sich eine große, geflieste Halle mit etwa 5 Metern Höhe, Stuckleisten, enorm dicken Mauern und vielen schönen Details aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert. Mit nur wenig Fantasie kann man sich vorstellen, wie draußen im Hof zum Salzweg die Kutschen vorfuhren! Von der Diele erreichten Fahrgäste und Postillione trockenen Fußes die Gaststube und über die herrschaftlich anmutende Treppe die Gasträume in den oberen Stockwerken.

An diese wichtige Phase im Leben des Hauses und an das Jahr, in dem die Posthalterei erlosch, erinnern die Darstellung einer Postkutsche und die Jahreszahl 1861 über dem Tor – das Bild wurde in den 1970er Jahren von Alfons Waizmann erschaffen.

 

Hier schlief ein König

Wie hoch angesehen der Postgasthof im 19. Jahrhundert in der Stadt war, erkennt man an ihrem berühmtesten Gast: König Maximilian von Bayern (Max II.) wählte den Gasthof bei seinem Aufenthalt in Miesbach als Quartier. 1875 erreichte der Glanz des Hauses einen weiteren Höhepunkt, als man es erweiterte und einen kunstvollen Dachstuhl aufsetzte. Das absolute Highlight aber war der Einbau eines Theatersaals, der – damals konkurrenzlos, der Waitzingersaal wurde erst 1878 fertig – zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Stadt avancierte: 1899 fanden im Saal der POST sogar Miesbachs erste Kinovorführungen statt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die vielen großen Räumlichkeiten des Hauses genutzt: Im Postgasthof fanden nicht nur das Kasino der amerikanischen Besatzungssoldaten und einige Kreisämter Platz – die Räume wurden auch das erste sichere Zuhause vieler Familien nach der Flucht aus dem Osten Deutschlands. Doch da hatte das Haus bereits in die Hände der Familie gewechselt, die das Geschick des Gasthofs heute in ihren Händen hält.

 

Neues Leben im Hartlanwesen

Im Jahre 1908 kaufte Josef Hartl sen. den florierenden Postgasthof. Die älteste Enkelin erzählt: "Mein Großvater stammte vom Starnberger See und kam als Metzgergeselle nach Hausham. Dort hat er die Tochter der Haushamer Traditionsgaststätte „Zum Schwarzen Diamanten“ kennengelernt und geheiratet. Die beiden haben sich später in Miesbach selbstständig gemacht. An den Großvater erinnere ich mich nicht mehr so gut - ich war erst fünf Jahre alt, als er starb. Aber von den drei gemeinsamen Kindern sind mein Vater und seine älteste Schwester Anna hier in der Gastwirtschaft geblieben. An meine Tante Anna erinnere ich mich sehr gut. Ich bin ihr, bis sie 1983 starb, eng verbunden geblieben... Ich glaube heute, dass mein Vater im Grunde lieber Metzger war als Wirt – ich erinnere mich noch ganz gut daran, wie er am Sonntag, wenn es in der Gaststube hoch her ging, in der Küche stand und die großen Braten in saubere Scheiben schnitt."

 

Veränderungen

„Meine Eltern haben im Haus hinter dem Gasthof gewohnt. Dort bin ich 1948 auf die Welt gekommen. Damals war in der Gaststube das Kasino der amerikanischen Offiziere eingerichtet. Bekocht wurden die Herren von meiner Tante Anna und weil damals im Haus eine Frau lebte, die Englisch sprach, konnte man sich leidlich verständigen.“

Als um 1950 die Amerikaner abzogen, nahm die Post ihren gewohnten Gastbetrieb wieder auf: Gaststube und Küche lagen im Erdgeschoss des südlichen Hausteils. Dass die Gaststube sehr gut besucht war, wissen sicher noch viele alte Miesbacher, denn die POST war auch in den 1950er Jahren wieder ein beliebter Treffpunkt für Familienfeiern – so manche Kommunion, Firmung oder Konfirmation wurde hier festlich begangen.

Weil es dem Vater gesundheitlich schlechter ging, gab die Familie 1958 die Gastronomie auf. Allerdings blieb die angeschlossene Metzgerei – untergebracht in den Räumen, in denen heute die Bäckerei Gschwendner ist –, noch bis 1972 in Familienhand

 

Ein behagliches Wohnhaus

Der übrige Teil des großen Hauses wurde schon länger nicht mehr für Übernachtungen genutzt: „Als ich ein kleines Mädchen war, also zu Beginn der 50er-Jahre, lebten hier noch meine Oma und meine Tante Anna. Im ersten Stock waren außerdem die Büroräume des Versorgungsamtes untergebracht, später kamen weitere Büros und Arztpraxen dazu.“ So ist der mächtige Bau am Stadtplatz 15 ein besonderes Haus, in dem trotz aller Neuerungen und Umnutzungen noch vieles an die Zeit der Postkutschen und die lange Tradition der Gastronomie erinnert.
 

Zum Weiterlesen:

Langheiter, Alexander: „900 Jahre Miesbach – Chronik & Kulturführer“, Maurus Verlag Miebach 2013

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Stadtarchiv Miesbach, Max Kalup, Verena Wolf

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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MB_Wochenmarkt-0081_1920x1280
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