Petra Kurbjuhn, © Petra Kurbjuhn
Barbara Kenedi, © Barbara Kenedi

Sieben verschiedene Blickwinkel

Wie sehen die Menschen die oberbayerische Kleinstadt Miesbach? Was fällt ihnen besonders auf, welche Ecken erscheinen ihnen am interessantesten? Dieser Frage wollte das Kulturamt Miesbach auf den Grund gehen und lud sieben Fotografinnen und Fotografen ein, das Kleinod aus schmalen Gassen und historischen Gebäuden durch ihre Kameralinse zu dokumentieren. Nur eine von ihnen hatte einen Heimvorteil, alle anderen stammen aus dem Nachbarland Österreich. Dabei ist die facettenreiche Ausstellung „Streifzüge durch Miesbach“ entstanden, die spannende Einblicke in unsere Kreisstadt gewährt.

 

Prager Fotoschule Linz

Nun sei vorneweg gesagt, dass die Auswahl der Fotografierenden natürlich nicht willkürlich erfolgte. Denn alle Sieben lernten sich im Herbst 2017 an der renommierten Prager Fotoschule in Linz kennen, welche seit 28 Jahren Fotointeressierte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum ausbildet. Seit dem zweijährigen Lehrgang halten die zwei Männer und fünf Frauen den Kontakt, tauschen sich über ihre Arbeiten aus und treffen sich zu gemeinsamen Fotosessions.

 

Auf Streifzug durch Miesbach

So kam es nun also, dass sie sich an einem sonnigen Tag am großen Brunnen auf dem Marktplatz in Miesbach zusammenfanden, um von dort aus mit ihren Kameras auszuschwärmen und die Stadt zu erkunden. Doch wer nun an einen Pulk aus Fotografen denkt, der durch die Gassen zieht und willkürlich Fotos von Sehenswürdigkeiten macht, der irrt gewaltig. Denn Jede und Jeder von ihnen hat ein Spezialgebiet und eigene Vorlieben was die Fotografie betrifft.

 

Barbara Kenedi

Nicht weit entfernt, fand etwa Barbara Kenedi bereits ihr Hauptmotiv. Der Turm der evangelischen Apostelkirche hatte es der Wienerin sofort angetan. Serienaufnahmen sind das Steckenpferd der leidenschaftlichen Motorradfahrerin und so fing sie den Kirchenturm aus den verschiedensten Perspektiven in realitätsnahen Bildern ein. „Ich habe durch die Fotoausbildung das genaue Hinsehen gelernt und in Miesbach auch gleich umsetzen können“, erklärt sie.

 

Erwin Kovacs

Ein paar Ecken weiter besuchte Erwin Kovacs das traditionsreiche Trachtengeschäft Karl Jäger. Doch der ehemalige Lehrer für Deutsch und Bildnerische Erziehung wollte sich keine Lederhose kaufen, sondern sie lediglich fotografieren. Mit seinem 135 mm Tele-Objektiv konzentrierte er sich auf die Details der Joppen und Lederhosen und wählte Bildausschnitte, welche in der Vergrößerung ein völlig neues Bild ergeben. „Ich war überrascht, mit welcher Freundlichkeit und Offenheit mir da begegnet wurde“, erinnert er sich lachend. Denn ihm wurde nicht nur das gesamte Trachtensortiment präsentiert, sondern auch noch ein historischer Abriss über das Unternehmen und die Stadt gegeben. „Des war subba“, erinnert er sich.

 

Evelyn Paulini

„Ich bin völlig planlos losgegangen muss ich gestehen“, erzählt Evelyn Paulini. Die Oberösterreicherin hat sich der künstlerischen Fotografie verschrieben und gibt ihren Bildern durch ihre Vorliebe für Abstraktion, Verfremdung und Experimentierfreude ihre eigene Handschrift. Irgendwann auf ihrem Streifzug durch die Gassen, sei ihr immer wieder die Firma Schweinsteiger begegnet und diese habe sie dann mit der Kamera weiterverfolgt. Aber auch der Kontrast in der Kreisstadt, wie etwa mit der Moschee der türkischen Gemeinde am Windfeld, sei ihr positiv aufgefallen und wurde von ihr abgelichtet. Dadurch entstanden unter anderem Diptychons und Triptychons.

 

Erich Guld

Seinen eigentlichen Plan komplett verworfen hat Erich Guld. Der Mediziner aus Linz war mit einer bestimmten Vorstellung nach Miesbach gekommen, ließ sich dann aber auf die Stimmung, die an diesem sonnigen Tag herrschte ein, und resümiert: „Im Grunde ist alles anders geworden, aber das ist gut so, denn ein solch freies Arbeiten schürt die Kreativität.“ Mit Doppelbelichtungen, welche die Grenze zwischen Realität und Abstraktion verschwimmen lassen und farbintensiven Lichtstimmungen ließ er Bilder entstehen, die für ortskundige Einheimische wohl gerade noch so erkennen lassen, in welchen Ecken er sich rumgetrieben hat. „Da habe ich einige Kilometer zurückgelegt“, erzählt er.

 

Petra Kurbjuhn

Die einzige heimische Fotografin der Runde, Petra Kurbjuhn, machte sich sogar nochmal an einem anderen Tag auf die Suche nach geeigneten Motiven, denn sie benötigte Wasserpfützen für ihre Bilder. Der vermeintliche Heimvorteil war für sie zunächst schwierig, zu bekannt war ihr die Umgebung schon. „Aber dann wurde es zu einer tollen Erfahrung, denn ich lernte näher hinzuschauen, obwohl ich die Straßen schon hundertmal gesehen habe“, erzählt sie. Entstanden sind Fotografien, die mit der Spiegelung der Motive in Pfützen spielen. Eine Serie, welche die ehrenamtliche Fotografin des Vereins KulturVision zukünftig weiterverfolgen möchte.

 

Rotraud Priesner-Berger

Rotraud Priesner-Berger entschied sich spontan, über ihren Schatten zu springen. „Normalerweise mache ich das äußerst ungern, aber ich habe dann angefangen, die Einzelhändler im Stadtkern anzusprechen und sie vor ihren Geschäften fotografiert.“ Der Lehrerin für Englisch und textiles Gestalten ist es wichtig, in ihren Bildern ein bestimmtes Gefühl zu transportieren. Neben der Liebe zum Detail sowie der Komposition aus Farbe und Licht, steht bei ihr der Mensch im Vordergrund. „Die Menschen machen eine Stadt aus und das wollte ich einfangen“, erklärt sie.

 

Birgit Magerle

Die Liebe zum Detail und „das Wesentliche im Unwesentlichen finden“ machen die Bilder von Birgit Magerle aus. Die Tirolerin spielt gerne mit Farben und Formen und rückt deren Bedeutung und Wirkung in den Vordergrund. Für alle Fotografierenden ist es ein tolles Erlebnis gewesen, gemeinsam an einem solch großen Fotoprojekt zu arbeiten, bestätigen sie. Den gesamten Prozess vom Fotografieren, über die Auswahl der Bilder, dem Editieren und der Konzeption der Ausstellung als Gruppe zu erleben und zu gestalten, sei etwas ganz Besonderes, sagt Barbara Kenedi.

 

Typisch bayerisches Städtchen

Und wie sehen die Fotografen und Fotografinnen nun die kleinste Kreisstadt Oberbayerns? „Ein typisches bayerisches Städtchen mit Klischees wie Maibaum und Trachtengeschäften“, lacht Barbara Kenedi. Rotraud Priesner-Berger war positiv überrascht, wie belebt die Innenstadt rund um den Marktplatz ist, dies kenne sie aus ihrem Dorf in Österreich so nicht. Mit den Worten „angenehm sitzen beim Essen und Trinken, urbayerisch, gemütlich, sonnig aber feucht ob der vielen Brunnen und freundlich“, beschrieben die Besucher ihren Eindruck von Miesbach. Petra Kurbjuhn freute sich zu hören, dass ihre österreichischen Kollegen überall auf viel Offenheit und Freundlichkeit gestoßen waren.

Die Frage, wie sehen die Menschen die Kreisstadt Miesbach, sei damit zumindest teilweise beantwortet.

Wer sich die Ergebnisse der sieben Streifzüge durch Miesbach nicht entgehen lassen möchte, kann diese vom 15. Mai bis 26. Juni in der Kunstgalerie im Kulturzentrum Waitzinger Keller in Miesbach ansehen.

Die Eröffnung findet am Freitag, 12. Mai, um 19:00 Uhr statt. Die sieben Fotografen und Fotografinnen werden Miesbach an diesem Abend erneut einen Besuch abstatten.  

 

Text: Selina Benda
Fotos: Erich Guld, Barbara Kenedi, Erwin Kovacs, Petra Kurbjuhn, Birgit Magerle, Evelyn Paulini und Rotraud Priesner-Berger

Impressionen

Erich Guld, © Erich Guld
Erich Guld

© Erich Guld

Barbara Kenedi, © Barbara Kenedi
Barbara Kenedi

© Barbara Kenedi

Petra Kurbjuhn, © Petra Kurbjuhn
Petra Kurbjuhn

© Petra Kurbjuhn

Evelyn Paulini, © Evelyn Paulini
Evelyn Paulini

© Evelyn Paulini

Rotraud Priesner, © Rotraud Priesner
Rotraud Priesner

© Rotraud Priesner

Erwin Kovacs, © Erwin Kovacs
Erwin Kovacs

© Erwin Kovacs