Flugmodellbautechnik Miesbach, © Verena Wolf
Martin Hübsch vor seinem Laden, © Verena Wolf

Miesbachs kleinste Flugschule

Sich in die Luft erheben und einfach davon fliegen… Der alte Traum der Menschheit lässt sich heute durchaus realisieren. Und so mancher Miesbacher hat längst seinen ganz individuellen Weg gefunden, sich in die Lüfte zu schwingen.

 

Neues am Lebzelterberg

Seit ich den Laden am Lebzelterberg 2 betreten habe, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, dass das Geschäft ein Mekka für Modellbauer ist – es sind vor allem die spürbare Begeisterung für sein ungewöhnliches Hobby und das enorme Wissen von Martin Hübsch, die einen Besuch in seinem Laden so lohnend und interessant machen.

„Ja, Miesbach hat eine lange Tradition in Punkto Fliegerei“, sagt Martin Hübsch und nickt wissend. „Tatsächlich ist aber das ganze Oberland eine Art Mekka für Flieger – nicht nur für uns Flugzeugmodellbauer.“

 

Flugpioniere in Miesbach

Denn was viele nicht wissen: Miesbach, das während des Ersten Weltkriegs als Garnisons- und Lazarettstadt diente, hatte damals auch ein veritables Flugfeld auf der Wallenburger Wiese. Natürlich waren die Starts und Landungen dieser technischen Wunderwerke in einer Zeit, in der die Fliegerei noch in den Kinderschuhen steckte, äußerst interessant. Man sieht noch auf dem alten Foto, dass neben der neugierigen Jugend auch feine gekleidete Damen den waghalsigen Fliegern zusahen. So ist auch der schwere Unfall gut dokumentiert, der sich am 22. November 1915 ereignete: Der Erwin von Seckendorff und sein Begleiter Hans von Crailsheim hatten in ihrem Flugzeug, von Schleißheim kommend, einen kurzen Zwischenstopp auf dem Miesbacher Flugfeld gemacht und waren gerade gestartet, als das Flugzeug kurz darauf auf die Jägerbauer-Wiese stützte. Von Seckendorff konnte nur noch tot geborgen werden, von Crailsheim erlitt dagegen eine schwere Gehirnerschütterung.

Begonnen hatte das Flugfieber gerade einmal ein gutes Jahrzehnt zuvor: Nachdem 1903 die Brüder Wright den ersten erfolgreichen Flugversuch unternommen hatten (anderen Quellen zufolge flog allerdings schon 1901 Gustav Weißkopf die ersten Meter), nahm – traurig, aber wahr – während des Ersten Weltkriegs der Flugzeugbau so richtig Fahrt auf. Bereits 1914 stiegen die ersten Kriegsflugzeuge zu Aufklärungsflügen in die Lüfte.

 

Wunderwelt der Technik

So manche der markanten Veteranen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg hängen nun als Mini-Ausgaben auch im Laden am Lebzelter Berg. „Für den Modellbauer sind historische Flugzeuge hochinteressant“, vertraut mir Martin Hübsch an, der von Beruf Orthopädie-Schuhtechniker-Meister ist. „Nicht, weil wir Modellbauer martialische Typen sind, sondern weil die Technik der alten Flugzeuge so faszinierend ist.“ Man kann tatsächlich nur staunen, wenn man bedenkt, dass zwischen einem wackligen Doppeldecker der 1920er-Jahre und einem Wunderwerk der Concorde, die 1969 bei ihrem Jungfernflug zum ersten Mal die Schallmauer durchbrach, nur wenige Jahrzehnte technischer Entwicklung liegen.

Kein Wunder also, wenn es das Ziel eines jeden passionierten Modellbauers ist, den Flugzeugtyp, der es ihm angetan hat, im kleineren Maßstab möglichst detailgenau nachzubauen. Wie das Ergebnis dann aussieht, zeigt etwa die englische Spitfire, die im hinteren Raum unter der Decke hängt. Sie hat eine Spannweite von 2,60 Metern und ist bei 15 Kilogramm Gewicht mit einem 10 PS starken Motor ausgestattet. Die grüne Yak 11 der ehemaligen Sowjetunion hat bei 2,80 Metern Spannweite stolze 24 PS. Und natürlich gibt es auch Segelflugzeuge!

 

Kompetenz und Auswahl

Wer ein solches Werk in Angriff nimmt, ist bei Martin Hübsch bestens aufgehoben. „Mein Ziel ist es, die Modellflieger aus nah und fern schnell und kompetent mit dem Nötigen zu versorgen“, sagt er und deshalb hat er jeden Winkel genützt und die 45 m² mit allem vollgestopft, was das Herz eines Flugzeug-Modellbauers höherschlagen lässt. Während auf den Einsteiger Fertigbausets Marken, darf sich der detailgetreu arbeitende Tüftler auf alle für den Flugmodellbau notwenigen Materialien und die elektronische Technik freuen. Vor allem aber gibt es Rat und Tat, denn Martin Hübsch bringt viel Erfahrung mit – wertvoll für Anfänger wie für alte Hasen, die gerne auch einmal nur auf einen Ratsch vorbeischauen, um ein besonderes Problem bei der Gestaltung ihrer Werke zu diskutieren.

 

Pilot mit eigenem Flugzeug

Wer dieses einzigartige Hobby kennenlernen will, muss zudem kein Millionär sein. Für Einsteiger gibt es schon Modelle ab 200 Euro. Kein Wunder, dass so mancher bereits in jungen Jahren der vielfältige Faszination erliegt, die im Flugzeug-Modellbau liegt: Da ist die Freude am Bauen und Gestalten des eigenen Fliegers und das Hochgefühl, wenn der sich auf Kommando schwerelos in den Himmel schraubt. Da ist der ganze Background der Fliegerei mit ihrem grenzüberschreitenden Charakter, die Geschichte der einzelnen Flugzeuge… Da ist aber noch mehr: „Ich freue mich immer, wenn Kindern zu mir in den Laden kommen“, sagt Martin Hübsch. „Das ist ein Hobby, das nicht nur technische Aspekte hat. Es gibt alleine hier im Umfeld sechs große Vereine, bei denen man mitmachen kann. Da stehen jedem tolle Möglichkeiten offen, denn ein Flugfeld, auf dem man seine Flugzeuge ausprobieren kann, ist immer dabei. Hier im Oberland kann man sich an die Vereine wie den MFG Holzkirchen, den MFC Valley, das MBC Oberland, Modellflieger Tegernsee oder einen der anderen wenden.“ Den Verein in Starnberg mit heute 140 Mitgliedern hat übrigens Opa Hübsch gegründet. Da ist es kein Wunder, dass auch die nächste Generation der Familie gerne „in die Luft geht“.

 

Digital dabei beim Großevent

Wer jetzt Lust verspürt, in dieses großartige Hobby hineinzuschnuppern, der kann Martin Hübsch online in Action erleben, denn der ist in der Modellflugszene eine feste Größe: Beim alljährlich stattfindenden Horizon Hobby Airmeet des amerikanischen Herstellers Horizon moderiert der sympathische Neumiesbacher, der vor 2 Jahren aus Starnberg zugezogen ist, drei Tage lang dieses spektakuläre Event. Ein solches Event, bei dem sich Gleichgesinnte aus ganz Europa und den USA in Donauwörth-Genderkingen treffen, zu erleben, macht natürlich Spaß!

Und alle, die kleiner anfangen mögen oder keine Lust auf Vereine haben, wählen den unkomplizierten Einstieg: Martin Hübsch gibt Anfängern Flugstunden für ihr Modell, denn bis 5 Kilogramm Gewicht kann man seinen Flieger auf jeder größeren Wiese ausprobieren – natürlich nur mit vorheriger Erlaubnis des Besitzers.

Ja, und wer weiß: Vielleicht steht man selbst eines Tages auf der Waller Alm am Sudelfeld und sieht glücklich zu, wie das selbst gebaute Flugzeug in der Thermik schwebt: „Holm und Rippenbruch!“

         

Text: Verena Wolf
Fotos: Verena Wolf, Stadtarchiv Miesbach

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Genussführung_Sonja_Still (2)
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