Lederhose, © Selina Benda
Leonhard Röhrl, © Selina Benda

Leonhard Röhrl - „Boarisch kreativ“

Eine kleine Werkstatt, im Herzen der Stadt gelegen und doch versteckt vor dem Trubel - dort ist das Reich von Leonhard Röhrl. Hier hat sich der Miesbacher seinen Traum erfüllt und fertigt ganz besondere Stücke getreu seinem Firmennamen „Boarisch kreativ“ an.

 

Öffnet man die Holztür und tritt ein, strömt einem sofort der Duft von Leder entgegen. Rechts fallen die ersten Sonnenstrahlen des Tages durch die lange Fensterfront herein und geradeaus durch, steht Leonhard Röhrl an seinem Werktisch und arbeitet. Ein alter Holzofen im Vorraum und eine kleine Sitzecke mit Eckbank geben der Werkstatt eine gemütliche Atmosphäre. Zwischen bunten Seidengarnrollen, einer fußbetriebenen Pfaff-Nähmaschine, verschiedensten Werkzeugen und Regalen voller Leder steht er über seinen Werktisch gebeugt und zeichnet gerade mit Kreide eine Schablone auf. Ein handgeschriebener Zettel liegt zwischen dem Maßband und der Schere, darauf die Maße des Kunden, für welchen Leonhard Röhrl gerade das Hirschleder verarbeitet. „Bei mir wird noch alles von Hand geschrieben, egal ob Bestellung oder Rechnung, da bestehe ich drauf.“ Dies sei alles ganz bewusst so - um zu Entschleunigen, zum Zeit nehmen. „Schnell schnell geht bei mir gar nix“, betont er.

 

Ein Schicksalsschlag verändert alles

Für den 35-Jährigen ist seine Werkstatt in einer Gasse nahe dem Marktplatz nicht nur eine Arbeitsstätte. Hier in der ehemaligen Drechslerei mit „Meister Eder“-Charme hat er sich seinen Traum erfüllt. Wenn er über seine Arbeit spricht sagt er nie „müssen“, sondern immer „dürfen“. Weil es für ihn keine Pflichterfüllung, sondern pure Leidenschaft ist. Eigentlich hat der Miesbacher nach seinem Abschluss Installateur gelernt, war zehn Jahre lang auf dem Bau und im Kundendienst tätig. Ein Schicksalsschlag brachte ihn jedoch dazu, sein bisheriges Leben zu überdenken. „Als 2012 meine Mama ganz plötzlich gestorben ist, wurde mir erst klar, dass ich etwas ändern muss.“ Von ihr hatte Leonhard Röhrl schon früh stricken, häkeln und nähen gelernt. Sie hatte ihm die Liebe zum Handwerk weitergegeben. „Leider konnte sie selbst nie ihre Leidenschaft wirklich leben“, erzählt seine Frau Josepha. Dem damals 25-Jährigen wurde klar, dass auch er dies zu diesem Zeitpunkt nicht tat.

 

Nicht alles immer einfach hinnehmen

„Wenn ich mich für etwas entscheide, dann ziehe ich das durch und stehe dazu, ohne Wenn und Aber. Das macht mich aus“, sagt Leonhard Röhrl. Er zog durch, kündigte seinen Job und fing in einer bekannten Säcklerei in Miesbach seine zweite Ausbildung an. Das brachte zwar die Familienplanung des jungen Ehepaares etwas ins Stocken, aber Josepha Röhrl sagt: „Es passiert nichts ohne Grund im Leben und ich wusste, dass ihn das glücklich machen wird.“ Ihr Mann sei einer von denen, der Dinge nicht einfach hinnehme, auch mal den Mund aufmacht. So war es auch in der Ausbildung, welche der Miesbacher trotz einiger Widrigkeiten bereits nach rund eineinhalb Jahren mit Auszeichnung abschloss. Dass auf seinem Gesellenbrief nur die offizielle Berufsbezeichnung „Täschner“ stand, ließ er nicht auf sich sitzen, denn seine Hauptarbeit galt schließlich der Herstellung von Lederhosen und diese fallen in den Arbeitsbereich des „Säckler“. Beim Präsidenten der Bayerischen Industrie – und Handwerkskammer persönlich forderte er die Richtigstellung ein und bekam schlussendlich was ihm zustand. Sattler, Feintäschner und Säckler steht nun auf seinem Brief, der eingerahmt über der Eckbank hängt.

 

Die Leidenschaft zum Beruf

Sieben Jahre lang arbeitete er in der Traditionswerkstatt in Miesbach, bevor er sich im November 2021 selbstständig machte. Zwei Monate renovierte er die bis dahin leerstehende Werkstatt mühsam selbst und lässt dort seit der Fertigstellung seiner Kreativität freien Lauf. In Handarbeit stellt er Lederhosen sowie Taschen, Gürtel und Geldbeutel aus Leder in traditioneller Handwerkstechnik her. Sein unglaublicher Ideenreichtum und der Mut neue Wege zu gehen, Brauchtum mit Moderne zu verbinden, machen die Kreationen von „Boarisch kreativ“ zu etwas Einzigartigem. Da werden auch mal untypische Farben der Seidengarne auf eine Lederhose gestickt oder alte Geldbeutel repariert. „Oft hat das einen sentimentalen Wert für die Leute. Mache ich nicht, sage ich deshalb selten.“ Egal ob Leder, Holz oder Metall – „ich schätze alle Materialien“, sagt Leonhard Röhrl. Wichtig ist ihm die hohe Qualität der Rohstoffe, dann sind der Verarbeitung eigentlich keine Grenzen gesetzt. Ob nun Laptoptaschen aus Leder mit Holz vernäht, Schlüsselanhänger mit Laserdruck oder Caps mit individuellen ledernen Aufnähern – der Miesbacher denkt sich ständig etwas Neues aus.

 

In der Ruhe liegt die Kraft

Sein oberstes Firmenkredo ist es, sich für seine Kunden Zeit zu nehmen, ihre Wünsche und Vorstellungen mit dem Machbaren zu verbinden und sie mit einem Lächeln wieder nach Hause zu schicken. „Das Gespür für sein Gegenüber ist das Wichtigste.“ Er möchte, dass die Menschen lange etwas von seinen Stücken haben. Zwischen 40 und 60 Stunden Arbeit steckt er in eine Lederhose, wenn sie besonders aufwendig werden soll, dann können es schon auch mal 80 Stunden werden. Besonders im Frühjahr brummt das Geschäft, kurz bevor die Festsaison wieder startet. Doch für ihn machen es vor allem die besonderen Aufträge aus. Wie vor kurzem, als ein 85-jähriger Mann sich noch einmal eine neue Lederhose von ihm machen ließ. „Das war für mich eine Ehre“, sagt er stolz. Seine Frau Josepha hält ihm den Rücken frei, ist für die Büroarbeit zuständig, arbeitet auch in der Werkstatt mit, näht und steppt kleine Sachen. Auch wenn für ihn mit „Boarisch Kreativ“ ein Traum in Erfüllung gegangen ist, betont er: „Die Familie ist und bleibt das Wichtigste.“

Wenn Leonhard Röhrl an seinem Werktisch steht, mit den wichtigsten Werkzeugen Nadel und Faden, Schere und Windspindel hantiert und immer mal wieder grinsend zum Fenster hinaussieht, wo er das Treiben in der kleinen Gasse beobachtet, dann sieht man die Zufriedenheit in seinen Augen. „Man muss das was man macht, mit Herzblut machen“, sagt er. Dass bei „Boarisch Kreativ“ mit Herz gearbeitet wird, dem ist man sich sicher, wenn man die Holztüre zu der gemütlichen Werkstatt hinter sich schließt und wieder zurück in den Trubel der Stadt hinaustritt.

Text und Fotos: Selina Benda

Impressionen

Eine Nähmaschine von Pfaff, © Selina Benda
Pfaff Nähmaschine

© Selina Benda

Ledergürtel, © Selina Benda
Ledergürtel

© Selina Benda

Arbeitswerkzeug, © Selina Benda
Arbeitswerkzeug

© Selina Benda

Anhänger aus Holz , © Selina Benda
Anhänger aus Holz

© Selina Benda