Bavaria, © Kulturamt
Franz-Josef Rigo, © Marisa Blank

Heimat neu definieren

Mit dem Kulturabend und Symposium „Heimat. Begrenzt – Unbegrenzt“ am Freitag, 23. und Samstag, 24. September 2022, im Kulturzentrum Waitzinger Keller Miesbach, möchte Franz-Josef Rigo den Begriff Heimat neu definieren und näher an die Menschen bringen. Doch was treibt den selbsternannten „kritischen Lokalpatrioten“ an und was bedeutet für ihn persönlich Heimat? Wir haben mit dem freiberuflichen Historiker und Journalisten vorab gesprochen.

 

SB: Herr Rigo, bei dem Begriff Heimat in Verbindung mit Bayern, schwirren einem sofort bestimmte Bilder von Almen, Lederhosen und Idylle im Kopf herum. Aber was ist denn Heimat?

FJR: Es steckt so viel drin in diesem Begriff. Genau darum soll es bei dieser Tagung auch gehen, weil wir alle wissen, dass Heimat ein sehr vielschichtiger Begriff ist. Wir versuchen uns, dieser Vielschichtigkeit aus verschiedenen Richtungen anzunähern und am Ende schlauer zu sein als vorher. Das gilt auch für das Publikum, an welches das Symposium zuallererst adressiert ist. Spannend wird ohne Frage zum Beispiel der Vortrag von Dr. Simone Egger zum Thema „Alles Heimat?! Ein Sehnsuchtsort im Spannungsfeld von Pop und Politik“.

SB: Was bedeutet für Sie persönlich Heimat?

FJR: Für mich ist Heimat etwas sehr Taktiles, was man anfassen und Gerüchen zuordnen kann. Ich habe neulich seit langer Zeit mal wieder den Geruch von frischer Mahd in der Nase gehabt, was gar nicht mehr sehr oft passiert. Aber das ist mir direkt aufgefallen. Heimat ist etwas sehr Handfestes, nichts Abstraktes – wobei wir auch darüber reden werden. Und hoffentlich sehr intensiv mit dem Publikum ins Gespräch kommen, weil jeder eine andere Perspektive auf Heimat hat.

SB: Der Begriff war ja lange Zeit sehr negativ belastet. Ist es genau deshalb so wichtig, dessen Bedeutung zu verstehen und ihn vielleicht sogar neu zu definieren, etwa durch die Vorträge beim Symposium?

FJR: Ja, das war auch ein Beweggrund. Der erste Stein, der ins Wasser geworfen wurde, war durch Dr. Daniela Sandner mit ihrem Aufsatz „Bedrohte Heimat? Zur Vereinnahmung der Heimat(pflege) von rechts“. Auch ich will ganz entschieden gegen diese Gefahr eintreten, weil ich das für hochproblematisch halte. Man muss den Gruppierungen, die diesen Begriff so massiv zu besetzen versuchen, die Stirn bieten. Sonst haben wir ganz schnell verloren. Auch ich habe in der Zeit der Recherche wieder sehr viel dazugelernt und gemerkt, das ist ein schier unerschöpfliches Thema. Es gibt mittlerweile Publikationen, die das Heimatgefühl zurückverfolgen bis in die Zeit der Romantik. Schon damals gab es die ersten Versuche, die Heimat in einem rechten Spektrum einzufangen und neu zu besetzen und zu definieren. Deshalb auch der Titel des Symposiums. Nämlich Heimat begrenzt durch die eigene Geschichte und Kultur sowie durch einen relativ engen Lebensradius, in einer modernen Sicht aber unbegrenzt.

SB: Wie sollte Heimat denn idealerweise gelebt werden?

FJR: Das große Problem bei uns ist, dass wir Heimat vor allem konsumieren. Aber Heimat muss auch gelebt werden und zwar kritischer. Vor allem, was die eigene Geschichte und die Heimattümelei betrifft. Ich plädiere dafür, mit viel Fingerspitzengefühl, eine Neudefinition des Begriffs Heimat zu finden. Das geht schon in der Schule los. Etwa im Heimat- und Sachkundeunterricht, die Schüler sehr intensiv an das Thema heranzuführen. Wir müssen den Begriff Heimat entromantisieren und näher an den Alltag der Menschen bringen. Denn sonst bleibt es abstrakt und blutleer, wenn nur Wissenschaftler sich damit beschäftigen. Mir geht es um die Menschen – und zwar alle. Auch sich die Heimat noch leisten können, egal ob Wohnen oder Kultur, hat damit zu tun. Wie die Menschen damit klar kommen, das fällt derzeit völlig unter den Tisch.

SB: Was erhoffen Sie sich vom Kulturabend und dem Symposium?

FJR: Es ist mir ein Anliegen, Impulse zu geben. Wenn es nur eine akademische Tagung wäre, würde es ganz schnell ins Leere laufen. Mir geht es auch darum, Initiativen zu starten und etwas zu ändern, da sehe ich auch die Lokalpolitik in der Pflicht. Eine meiner Grundthesen lautet, wenn es den Politikern und Kulturschaffenden nicht gelingt, diese Thematik lebendig besetzt in eine jüngere Generation zu tragen, können wir alle bald einpacken. Deshalb würden wir uns sehr freuen, wenn auch viele junge Leute auftauchen würden. Wir haben Top-Experten und ich wünsche mir, dass das Früchte trägt und beim Publikum was auslöst. Ich verstehe, dass ein ganzer Tag Symposium Sitzfleisch beansprucht, auch wenn wir viele Pausen haben. Man kann sich aber auch einfach nur einen Vortrag rauspicken. Wir haben außerdem viele Diskussionsmöglichkeiten eingebaut. Denn je lebhafter die Diskussionen sind, umso richtiger haben wir es gemacht. Der Funke muss einfach überspringen.

 

Text: Selina Benda
Fotos: Hans Reiser, Kulturamt

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Kuh Karikatur , © Hans Reiser
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König Ludwig Karikatur, © Hans Reiser
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