Johann Oswald jung, © Privat
Isar-Amperwerke, © Stadt Miesbach

Erinnerungen an den Freileitungsbau

Seit 112 Jahren steht die Stadt Miesbach nun schon unter Strom. Ein Meilenstein für die damalige Marktgemeinde und für die ganze Region. Maßgeblich an der Elektrifizierung des Oberlandes beteiligt war die Isar-Amperwerke AG. Strom war im Jahr 1911 also endlich da, dass er auch überall hinkam, wo er hinsollte, dafür waren die Monteure zuständig. Johann Oswald war einer dieser Monteure und erzählt über seine Arbeit.

 

Die Isar-Amperwerke AG in Miesbach

Es war am 28. Januar 1911, als der damalige Miesbacher Bürgermeister Johann Zimmer den Vertrag mit dem Netzbetreiber „Amperwerke AG“ unterzeichnete, die im Jahr 1955 mit der „Isarwerke AG“ fusionierte und zur „Isar-Amperwerke AG“ wurde. Daraufhin wurden auf gemeindlichem Grund Versorgungsanlagen errichtet und Leitungen verlegt, die ersten Gebäude wie das Rathaus, der Schlachthof, die Freibank und das Krankenhaus wurden mit 190 Volt-Strom versorgt. Zum damaligen Zeitpunkt betrieben die Amperwerke bereits 538 Kilometer Hochspannungsleitungen und 229 Transformatorenstationen in ganz Oberbayern. Lange Zeit waren die Werke das größte private Energieversorgungsunternehmen Deutschlands.

 

Schwere Arbeiten in alpinem Gelände

58 Jahre später, fuhr auf den Parkplatz der Miesbacher Hauptgeschäftsstelle der Werke in der Region, ein blaues Cabriolet vor. Der Neuhauser Johann Oswald stieg aus und betrat das Büro des damaligen Chefs, um sich als Freileitungsmonteur bei den Isar-Amperwerken zu bewerben. Denn am südlichen Ortsrand von Neuhaus am Schliersee, betrieb die Firma eine autarke Außenstelle und für den damals 32-Jährigen Kraftfahrer und Tiefbau-Arbeiter bot sich die wohnortnahe Arbeitsstelle bestens an. Gesagt getan und Johann Oswald wurde als Freileitungsmonteur eingestellt.

Von da an zählte er zu den sogenannten „20.000er-Monteuren“ welche die Hochspannungsleitungen betreuten. „Es war ein anstrengender, aber ein schöner Job“, erzählt der heute 86-Jährige. Damals baute er gerade mit seiner Frau ein Haus im Josefstal. „Das war natürlich ideal, weil ich meinen Arbeitsweg zu Fuß oder mit dem Rad machen konnte.“ Das Einsatzgebiet der Neuhauser Monteure der Isar-Amperwerke erstreckte sich über ganz Schliersee und Neuhaus, das Spitzing- und Sudelfeldgebiet sowie das gesamte Leitzachtal. Das alpine Gelände hatte vor allem im Winter seine Tücken, denn zur damaligen Zeit mussten sich die Monteure mit der Schaufel und zu Fuß durch die Schneemassen, wie etwa im Valepp- oder Tatzlwurmgebiet, kämpfen. „Beim schönen Wetter wars schön, beim schlechten – na ja. Sagen wir mal die Arbeitslust war je nach Wetterlage“, lacht der Neuhauser.

 

Arbeiten mit den Jahreszeiten

Die Arbeit der Monteure unterschied sich je nach Saison. Im Winter war es vor allem die Reparatur an den Strommasten und Leitungen, die bei Störungen nötig waren. Die Freileitungen rissen immer wieder unter den schweren Schneemassen und mussten sofort repariert werden. „Wenn man sich vorstellt, dass da teilweise 50 Kilogramm Schnee und Eis auf einem Meter Leitung lagen, ist es nicht verwunderlich, warum die immer rissen.“ Im Vier-Wochen-Rhythmus hatten die Monteure in den Wintermonaten Rufbereitschaft, damit bei einer Störungsmeldung immer jemand sofort zur Stelle war.

„Wir mussten bei jedem Wetter raus, das war vor allem mitten in der Nacht weniger angenehm“, erinnert sich der Rentner. Dann wurde zuerst die zentrale Trafostation in Neuhaus angefahren, um dann zum entsprechenden Masten mit dem beschädigten Stromkabel zu gelangen, um dieses zu reparieren. Neben den Schneemassen, waren oft auch Sturmschäden, etwa durch umgefallene Bäume, für die Stromleitungsstörungen verantwortlich. Auch bei einem großen Lawinenabgang am Spitzingsee im Jahr 1970 wurden die Monteure zur Hilfe geholt. Denn das Betriebsgebäude an der Unteren Firstalm wurde durch die Schneemassen verschüttet. Die Männer halfen bei der Freilegung dieses und der benachbarten Wirtschaft.

 

Masten, Muskeln und fliegende Monteure

Im Frühjahr begann die Zeit der jährlichen Leitungskontrolle und Wartungsarbeiten. „Vor allem nach dem Winter, musste immer viel ausgebessert werden“, erzählt Johann Oswald. Die kilometerlangen Stromtrassen im gesamten Einsatzgebiet mussten dann zu Fuß abgelaufen, die Schäden notiert und im nächsten Schritt dann repariert werden. „Die Strommasten waren aus Holz und mussten zum Beispiel alle 18 bis 20 Jahre ausgewechselt werden“, erklärt er. Je nach Länge, zwischen neun und 15 Metern, wogen die Masten mindestens 250 Kilogramm. Vier Mann brauchte es, um diese zu tragen. Musste einer ausgetauscht werden, wurde der Strom dort für eine bestimmte Zeit abgestellt. Per Hand wurde direkt neben dem beschädigten Holzstamm ein Loch für den neuen Masten gegraben, dieser eingesetzt und dann mussten die sogenannten Traversen ganz oben wieder montiert und die Stromleitungen eingehängt werden. Mittels Steigeisen, mit einem Ausrüstungsgurt und einem Sicherungsseil, kletterten die Monteure auf die Masten. „Da gab es keine Stufen, da brauchte man schon Muckis“, betont Oswald.

Später wurden auch die Privathäuser über Dachständer direkt mit Strom versorgt. Dadurch wurden die 20.000 Volt aus den Hochspannungsleitungen auf 380 Volt für den Hausstrom reduziert, die Leitungen in den Keller verlegt und dort in den Verteilerkästen vom Elektriker im Haus verschalten. „Da sind wir schon einige Male auch von den Dächern gefallen. Einmal bin ich in Schliersee acht Meter runtergesegelt, so schnell waren meine Kollegen gar nicht oben, da war ich schon wieder unten“, lacht Johann Oswald. Meistens verliefen diese Art von Unfällen glimpflich. Dass nicht mehr Stromunfälle passierten, sei einfach eine Sache der Erfahrung gewesen, erklärt er. In den letzten Jahren seiner Arbeitszeit, erzählt der ehemalige Monteur, hätten sie sogar unter Strom arbeiten müssen. „Wir hatten Gummihandschuhe an, die bis zu 10.000 Volt zugelassen waren, damit wir die Stromzufuhr während der Arbeiten nicht abschalten mussten.“

 

Ein schwerer Unfall

Ein schwerer Unfall zwang Johann Oswald, fünf Jahre vor seiner Pensionierung, die Abteilung zu wechseln. Es war Winter und er wurde aufgrund einer Störung zu einem Strommasten in Fischbachau, in der Nähe des Café Winklstüberl, gerufen. „Ich hatte einen dicken Parker an gegen die Kälte und musste rauf auf den Masten steigen. Doch der Mantel hatte sich in der Schnalle des Sicherheitsgurtes verzwickt“, erinnert er sich. Bis oben ging noch alles gut, doch beim Abstieg rutschte der Monteur auf einem Bandeisen aus, fiel zurück in das Sicherungsseil und die Schnalle schnappte auf. Mehrere Meter stürzte er in die Tiefe, dabei blieb sein Bein im Seil hängen. „Da kann man sich vorstellen, in welche Richtung der Fuß dann geschaut hat.“ Aufgrund der Verletzung, arbeitete er noch ein paar Jahre in der Abteilung Flurverteiler. Die Arbeiter kümmerten sich um die Kabel- und Muffenmontage in den Verteilerkästen, die nun mittlerweile überall in den Orten sowie in den Privathäusern verbaut wurden. „Mir hat meine Arbeit immer Freude gemacht, das waren schöne Zeiten“, sagt Johann Oswald.

Die Isar-Amperwerke AG wurde im Jahr 2011 gemeinsam mit vier weiteren bayerischen Regionalversorgern zur „E-ON Bayern AG“ zusammengefasst, der heutigen „Bayernwerke AG“.

 

Text: Selina Benda
Fotos: Selina Benda, Privat, Stadt Miesbach

Impressionen

Johann Oswald heute, © Selina Benda
Johann Oswald heute

© Selina Benda

Isar-Amperwerke, © Stadt Miesbach
Isar-Amperwerke

© Stadt Miesbach

Johann Oswald jung, © Privat
Johann Oswald jung

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Lawinenabgang Spitzingsee 1970, © Privat
Lawinenabgang Spitzingsee 1970

© Privat

Lawinenabgang Spitzingsee 1970, © Privat
Lawinenabgang Spitzingsee 1970

© Privat

Lawinenabgang Spitzingsee 1970, © Privat
Lawinenabgang Spitzingsee 1970

© Privat