Gemälde von Kerstin Brandes, © Kerstin Brandes
Kerstin Brandes, © Max Kalup

Eine Frau von Welt; eine Frau mit Maß

Malerei, Nähen, Fotografie… Asien, die Welt und Miesbach - so in etwa könnte man die vielgereiste Künstlerin Kerstin Brandes, die in Miesbach lebt, beschreiben und doch würde man ihr damit auf keinen Fall gerecht werden.

 

Kerstin Brandes ist in Kulmbach geboren, kam aber schon mit sieben Jahren an den Schliersee und wuchs später in Miesbach auf. Bis heute ist die Kreisstadt ihre Heimat geblieben und doch hat man das Gefühl, dass die Künstlerin auch an vielen anderen Orten der Welt zu Hause ist.

Nach der Schule entschied sie sich ihre Kreativität in eine Schneiderlehre zu investieren und bis heute näht sich die künstlerisch ambitionierte Frau ihre Klamotten größtenteils selbst. Was aber keines Falls heißen soll, dass das Kerstin Brandes in irgendeiner Form negativ anzusehen wäre… wer sich jetzt beim Lesen eine Frau vorstellt, die dem stigmatisierten Bild von einem Heimchen am Herd mit ökologisch korrekten, aber etwas aus der Mode gekommenen Kleidern entspricht, der irrt gewaltig. Nein, Kerstin Brandes ist eine ruhige und doch beeindruckende Erscheinung. Ihren Kleidungsstil würde man eher in einer schicken Boutique verorten anstelle von „selbstgemacht“.

 

Eine breitgefächerte gute Ausbildung

Doch zunächst zurück zu ihrem Werdegang. Nach der erfolgreich abgelegten Schneiderlehre entschied sich Kerstin für das Nachholen des Abiturs. Dafür benötigt sie gute Französisch Kenntnisse und so packt sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Reiselust und verlässt Miesbach um ein Jahr lang als Au-Pair in Paris ihre Sprachkenntnisse aufzubessern. Was durchaus der spannendere Weg war – alternativ hätte sie dies auch auf einer Schule in München erlernen können; und nicht genug des Abenteuerstrebens – sie versucht es auf eigene Faust, nicht wie so viele mit einer Organisation, bei der man gleichgesinnte Deutsche und Ansprechpartner vor Ort zum Austausch hat. Jedoch entpuppt sich gerade dies als großer Vorteil, denn nun ist die junge Frau angewiesen darauf sich im fremden Land mit den Einheimischen zu unterhalten und sich durchzubeißen, eine exzellente Lehre sowohl für das Erlernen der französischen Sprache als auch fürs Leben.

Mit diesen reichen Erfahrungen entscheidet sie sich gegen ein Architekturstudium und arbeitet zunächst weiter als Schneiderin, diese Berufssparte perfektioniert sie mit einem Modedesignstudium.

 

Von Miesbach hinaus in die Welt

Und immer wieder geht sie auf Reisen. Nun mit ihrem Mann, den sie schon lange kennt, lebt sie zeitweise in Frankfurt, später kehren die beiden aber wieder zurück nach Miesbach. 1994 nach der Geburt ihres ersten Sohnes gründet Kerstin ihr eigenes Modelabel „Murmelurmel“, näht fortan Kinderkleidung und arbeitet als selbstständige Modedesignerin. Eine starke Entscheidung, denn mit der Geburt ihrer Tochter 1997 arbeitet die kreative Mutter nun oft nachts, wenn sie Zeit und Ruhe hat.

Nach einigen Jahren zurück in Miesbach zieht die Familie für drei Jahre nach Houston, U.S.A. Dort ist es der begabten Mama und Ehefrau nicht gestattet zu arbeiten. Und so sucht sich Kerstin neue Aufgaben. Die Malerei hat es ihr, sozusagen als Erweiterung ihres Berufs, angetan. Von ihrem Modedesignstudium sind ihr Zeichnen, Farbenlehre, Kunstgeschichte und Aktzeichnen gut bekannt und sie belegt zur Intensivierung verschiedene Kurse am College of the Mainland und am Art Alliance Center. Die Möglichkeit viele verschiedenen Stile auszuprobieren kommen der innovativen Frau entgegen und sie versucht unter anderem Drucktechniken, Aquarell, Radierung, Design, Aktzeichnen und Ölmalerei. Letztere sind ihre beiden Favoriten. Da Aktzeichnen immer mit viel Aufwand verbunden ist, frönt Kerstin gerne der Ölmalerei. Die mit diesen Farben erzeugte ganz besondere Tiefe und Oberfläche eines Werkes faszinieren sie. Ebenfalls ist ihr wichtig, dass die Farben ökologisch vertretbar sind, denn sie verwendet reine Pigmente, vorwiegend natürliche, die nur mit Safor-, Lein, oder Mohnöl gemischt werden.

 

Verschiedene Medien vereint in der Kunst

Zur malerischen Schöpfung gesellt sich die Fotografie. „Meine Kamera ist eine Art Notizblock. Meine Malmotive sind überwiegend gegenständlich und haben ihren Ursprung in etwas selbst Erlebtem und Gesehenen, sprich: ich male nach meinen fotografischen Vorlagen.“ Wenngleich manche ihrer bildlichen „Notizen“ so bezaubernd sind, dass sie diese gelegentlich in Ausstellungen miteinfließen lässt und nicht auf Leinwand „übersetzt“, wie sie zu sagen pflegt.

Nach ihrer Rückkehr nach Miesbach 2004, belegt sie Kurse bei Jess Walter, Silke Blomeyer, Wolfgang Köthe, Christian Frosch und Stefan Heide. Ab 2011 ist sie freischaffend tätig in den Bereichen Malerei, Fotografie und Kostüm. Durch Freunde bekommt sie die Chance immer wieder Kostüme für Theaterproduktionen zu gestalten. Die selbstständige Arbeit bereitet ihr großes Vergnügen, sie genießt es zum einen interessante Projekte in einer kompakten Zeitspanne zu erledigen, um sich dann wieder anderen Ideen zuwenden zu können und zum anderen die Freiheit, die die Selbstständigkeit mit sich bringt. Auf meine Frage hin welche Theaterproduktionen ihr noch in Erinnerung geblieben sind, erlebe ich plötzlich eine andere Frau, die eher sonst ruhige und besonnene Künstlerin, beginnt mitreißend und faszinierend zu erzählen: von pompösen Kleidern aus rosé eingefärbtem Neopren für Lohengrin in Tokio, von eigenartig skurrilen Kostümen für die Wagner-Oper Parsifal von Dieter Dorn in Baden-Baden und von Hoffmanns Erzählungen für ein Sommerfestival in Selzach, Schweiz. Spannend findet Kerstin an dieser Arbeit, dass man eine Skizze bekommt, sich dann Schnitte überlegen und die Umsetzung entwickeln muss. Dabei gilt es auch zu beachten wie die Optik letztendlich dann von der Bühne auf die Entfernung wirken wird.

Nebenher kreiert sie ihre ersten Ausstellungen und reicht ihre Werke auch für Gruppenausstellungen in der Region ein. Doch 2013 packen die Brandes erneut ihre Koffer.

 

Auf zu fernen Ufern

Ein großes Unterfangen steht bevor: die Familie wechselt nun sogar den Kulturkreis und siedelt für vier Jahre nach Shanghai um. Auch dort streckt die originelle Kunstschaffende ihre Fühler aus und so arbeitet sie bald ehrenamtlich zusammen mit einer amerikanischen Kunsthistorikerin. Für die asiatischen Kunstmagazine Randin und Yishu betätigt sie sich als Fotografin und Journalistin. „Wir waren ziemlich viel unterwegs und haben sehr interessante Künstler kennengelernt…“ schwärmt Kerstin von dieser Zeit. En passant gibt sie mittlerweile Unterricht in Ölmalerei und schwingt natürlich ebenfalls selbst den Pinsel in der Ferne.

Zurück in der oberbayerischen Heimat, dauert es nicht lange als sich 2019 erneut eine Reise nach Asien ankündigt: diesmal soll es nach Singapur gehen. Kerstin Brandes und ihr Mann brechen auf, bald kehrt Kerstin zurück nach Miesbach. Und dann verändert eines ihr Leben schlagartig, wie all unsere Leben: Corona. In ihrem Fall heißt es, dass ihr Mann in Asien festsitzt und für die beiden eine harte Zeit und eine sehr ferne Fernbeziehung über Monate beginnt…

 

Happy End und nun?

Glücklicher Weise sind nun alle wieder sicher in Miesbach angekommen. Wie es nun weitergeht, frage ich die vielseitige Künstlerin. Ob sie sich wieder dem Nähen widmen wird und ein neues Label gründen will oder steht die Malerei im Vordergrund?

Es wird wohl beides in ihrem Herzen weiterschlagen. Es jucke sie manchmal schon in den Fingern wieder ein Label zu gründen, aber dann für Erwachsene. „Häufig ist Mode so austauschbar und langweilig geworden, obwohl es so wunderschöne Materialien gibt, die auch wieder in eine gute Richtung gehen und besonders hochwertig verarbeitet sind.“ Auch findet sie es reizvoll andere Stile und Schnitte aus dem asiatischen Raum miteinfließen zu lassen. Beim Gedanken an derartige Ideen, ist es, als ob ein Leuchten in ihren Augen sichtbar wird…

Für die Malerei hofft sie natürlich, dass bald wieder Ausstellungen unter normalen Umständen möglich sein werden, in dieser Hoffnung hat sie niemals wirklich aufgehört zu malen.

Doch erst muss alles einmal zur Ruhe kommen nach den vielen Reisen und Umzügen, Kerstin wünscht sich wieder eine Konstante im Leben und zunächst noch den letzten Container von Übersee auspacken zu können. Und dann? „…dann kann man solche Projekte angehen…“

Bleibt für mich Zeit ein bisschen zu träumen und mich auf mein erstes Outfit made by Kerstin Brandes zu freuen!

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Max Kalup
Bilder: Kerstin Brandes

Impressionen

Kerstin Brandes, © Max Kalup
Kerstin Brandes

© Max Kalup

Gemälde von Kerstin Brandes, © Kerstin Brandes
Gemälde von Kerstin Brandes

© Kerstin Brandes

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Gemälde von Kerstin Brandes

© Kerstin Brandes

Gemälde von Kerstin Brandes, © Kerstin Brandes
Gemälde von Kerstin Brandes

© Kerstin Brandes