Lieferfahrzeug 1930 mit Benedikt Röckenschuß, © Metzgerei Röckenschuß
Fresko Hl. Georg von Josef Stallhofer 1948, © Metzgerei Röckenschuß

Eine eigene Welt

In Miesbach gibt es Menschen, die aus ganzer Überzeugung für etwas einstehen. Zu ihnen gehören Gabi und Rudolf Röckenschuß, die 2006 die gleichnamige Metzgerei übernommen haben und sie mustergültig führen.

 

Wie im Bilderbuch

Rudolf Röckenschuß ist Metzgermeister – und das mit Leib und Seele. Wer zu ihm und seinem Angebot feinster Fleisch- und Wurstwaren gelangen will, muss nur drei Stufen hoch hinaufsteigen, dann geht die Tür auf und man steht in einem Verkaufsraum, wie es ihn kein zweites Mal in der Stadt gibt. Es ist ein Metzgerladen wie im Bilderbuch. In der großen blitzblank sauberen Theke liegen liebevoll und übersichtlich sortiert die besten Stücke von Rind, Schwein und Geflügel neben Wurstwaren und Salami in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen, saftigem Schinken, frischen Feinkost-salaten und selbst gemachtem Obazdn. Im Kühlregal warten Bergsteigerproviant wie hausgeräucherte Kaminwurzen und Landjäger, hochwertige Käsespezialitäten und auch Bio-Eier auf ihre Käufer. Und das ist noch längst nicht alles. Denn hier findet man aufregende Saucenkompositionen zum Gegrillten ebenso wie eine bunte Palette an Bio - Gewürzen, Honig aus der Nachbarschaft und italienische Feinkost.

 

Laden mit Charakter

Mich erinnert dieser Laden immer ein wenig an ein Feinkosthaus, denn die spürbare Ambition, nur das Beste anzubieten, jeden Kunden mit dergleichen Freundlichkeit und Aufmerksamkeit zu umsorgen und über jedes Produkt einfach alles zu wissen – das ist etwas Besonderes. „Wir sind eben ein Laden mit Charakter", sagt Gabi Röckenschuß mit ihrem ansteckenden Lachen. Zumindest ist die Metzgerei Röckenschuß ein „Dorfladen“ im allerbesten Sinn. Denn dass hier alle gerne einkaufen, kann man jeden Tag erleben. Hier stehen sportlich-schicke Neu-MiesbacherInnen neben so manchem Miesbacher Urgestein; hier holen sich gegen Mittag Handwerker und Geschäftsleute eine ehrliche Brotzeit und hier kann man vorbestellen, was das Herz begehrt – vom Catering zu allen Anlässen bis zur Weihnachtsgans kann man sich auf hervorragende Qualität verlassen. Diese Metzgerei ist etwas Besonderes, das ist klar. Aber was ist ihr Geheimnis?

 

Haus mit Tradition

„Wir haben schon Regionales hergestellt und angeboten, als es den Begriff noch gar nicht gab“, erklärt Gabi Röckenschuß. Und Ehemann Rudolf, in 4. Generation Metzgermeister, erläutert: „Ich mache einfach alles selbst. Sogar den Fleischsalat bereite ich nach einem eigenen Rezept zu, und auch alle anderen Produkte sind hausgemacht.“ Und so haben alle, die vor der Theke stehen, die Qual der Wahl. Allein mehr als 25 Sorten Salami macht Rudolf Röckenschuß selbst. Welche soll es also sein: Die beliebte Miesbacher Edelsalami, die es mit oder ohne Haselnüsse gibt? Oder mag man die scharfe, mit Jalapeños richtig pikant abgeschmeckte Salami oder die milde Fenchelsalami, die französisch anmutende Baguette-Salami, die Kolbasz nach ungarischer oder die Chorizo nach spanischer Art? Jede Sorte hat ihre Liebhaber und so ist die hausgemachte und gutgereifte Salami immer ebenso beliebt wie Pfefferbeißer und Kaminwurzen, Wacholderschinken, Knöcherlsülze oder feine Leberwurst mit Preiselbeeren.

„Viel Liebe steckt auch im rohen Schinken“, erzählt Rudolf Röckenschuß. „Auch den mache ich natürlich selbst. Wir haben mediterranen Schinkenspeck im Angebot, rohen Wildschweinschinken oder unseren „San Rudolfo“ – immerhin habe ich ihn ja kreiert“, ist Rudolf Röckenschuß schon ein bisschen stolz auf die eigene Handwerkskunst und den Ideenreichtum, zu dem auch mit unter die Kunden mit ihren Wünschen beitragen. Sein Werdegang ist ganz klassisch. Nach der Gesellenprüfung, die er 1991 in München als Innungsbester abgelegt hat, hat er in Augsburg mit seiner Meisterprüfung 1997 auch den bayerischen Staatspreis erhalten und ist dann ins Familiengeschäft zurückgekehrt. Ab 2006 hat er dann mit seiner Gabi das Geschäft seiner Eltern neu ausgerichtet. Als ich ihn frage, was für ihn das Besondere an seiner Arbeit ist, muss er nicht überlegen, was ihm die oberste Prämisse ist: „Ich suche für alles die besten Zutaten. Ob das Gewürze sind, andere Zutaten wie die Haselnüsse oder Pistazien – ich verwende nur das Beste.“

 

Eine spannende Geschichte

Nicht nur das Angebot ist in der Metzgerei Röckenschuß einzigartig. „Unsere Familie ist seit Generationen im selben Handwerk tätig“, erzählt Rudolf Röckenschuß. „Unsere Vorfahren waren schon Ende des 18. Jahrhunderts Viehhändler, Gastwirte und Metzger in Unterbrunn bei Starnberg. Anfang des 20. Jahrhunderts besaß die Familie dann eine Metzgerei in Westendstraße in München, und 1935 haben sich mein Großvater Benedikt und seine Frau Anna hier in Miesbach niedergelassen.“ Die beiden hatten schon Anfang der 1930er Jahre erkannt, dass unruhige Zeiten bevorstanden und wollten weiter weg von München leben. Als sie erfuhren, dass in Miesbach eine neugebaute Metzgerei zu verkaufen war, wagten sie hier den Neuanfang.

 

Ein Haus mit Tradition

„Meine Großeltern waren begeistert. Das Haus hatte die richtige Größe für eine Familie, und die Räume der Metzgerei waren hochmodern gestaltet. Der Raum im Untergeschoss ist 3 Meter hoch und hell, da kann ich noch heute hervorragend arbeiten“, erklärt Rudolf Röckenschuß. Kein Wunder, dass das Haus den Erwartungen seines Großvaters Benedikt entsprach, denn der Erbauer des Hauses war der Miesbacher Metzgermeister Georg Bolzmacher. Der hatte sich 1928 ein hochmodernes Gebäude gewünscht und ließ es vom italienischen Baumeister Boldi nach seinen Plänen realisieren. Wer ein Gefühl für Häuser hat, sieht das Besondere an dem schmalen Haus: Die Freitreppe, der heimelige Verkaufsraum mit dem großen Fenster, der nach Süden ausgerichtete Erker und das wunderschöne Fresko des Haushamer Kunstmalers Josef Stallhofer aus dem Jahre 1948 mit dem heiligen Georg als Drachentöter sind wesentliche Elemente des hübschen Anwesens.

 

Immer ein freundliches Willkommen

Ich persönlich kaufe nicht nur wegen der Freundlichkeit, mit der man mich „Münchner Preußin“ hier von Anfang an willkommen geheißen hat, so gerne in dieser Metzgerei ein. Ob ich ein ganzes Kilo Rinderfilet fürs Silvester-Fondue kaufe oder nur schnell ein Schächtelchen Obazdn und eine Milch – seit Jahren werde ich gleich zuvorkommend behandelt und freue mich schon immer auf einen Plausch. Denn wenn Zeit ist, kann ich hier vieles über die Sorgfalt erfahren, mit der rings um Miesbach Lebensmittel hergestellt werden. In der Metzgerei Röckenschuß weiß man das Engagement anderer zu schätzen und so gibt es hier ausgewählte Spezialitäten heimischer Produzenten. Vor allem freut es mich, das Ehepaar Röckenschuß gemeinsam in Aktion erleben. „Was sich liebt, das neckt sich“ – so ist es. Hier wird gelacht und Gabi Röckenschuß hat die Gabe, schnell einen Kontakt herzustellen. „Ich musste in das Ganze schon hineinwachsen“, erinnert sich die Mutter von drei Kindern. „Ja, bei unserer Arbeit braucht es keine Zusammenarbeit. Bei uns braucht es eine Symbiose, wenn alles gut gehen soll“, wirft Rudolf Röckenschuß mit einem Schmunzeln ein. Ich kann mir gut vorstellen, wie rar die Freizeit für die beiden ist. „Freizeit?“ Ja, da müssen beide kurz nachdenken: „Die verbringen wir am liebsten mit den Kindern, wir unternehmen gemeinsam viel.“ Denn Vincent und Tim, die beiden älteren, lieben Eishockey. Und Nesthäkchen Lilli ist am liebsten mit dabei im Laden.

 

Kontakt

Metzgerei Röckenschuß

Rathausstraße 6

83714 Miesbach

Tel.: 08025 1591

 

Öffnungszeiten

Dienstag - Freitag 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr

Samstag 7:30 bis 12:30 Uhr

Sonntag und Montag geschlossen           

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Familie Röckenschuß

Impressionen

Schneidmischer (Kutter) um 1950, © Metzgerei Röckenschuß
Schneidmischer (Kutter) um 1950

© Metzgerei Röckenschuß

Meisterbrief Benedikt Röckenschuß 1924, © Metzgerei Röckenschuß
Meisterbrief Benedikt Röckenschuß 1924

© Metzgerei Röckenschuß

Fresko Hl. Georg von Josef Stallhofer 1948, © Metzgerei Röckenschuß
Fresko Hl. Georg von Josef Stallhofer 1948

© Metzgerei Röckenschuß

Metzgerei Röckenschuß, © Metzgerei Röckenschuß
Metzgerei Röckenschuß

© Metzgerei Röckenschuß