Wochen gegen Rassismus, © Magdalena Jooß
Max Niedermeier, © Magdalena Jooß

Ein Zeichen für Menschenwürde

Ein Zeichen für Menschenwürde

 

In diesem Jahr nimmt Miesbach zum ersten Mal an den Internationalen Wochen gegen Rassismus teil. Max Niedermeier, der Integrationsbeauftragte für den Landkreis, zieht ein erstes Resümee.

 

Keine besonderen Vorkommnisse 

„Die Idee, 2021 an den Internationalen Wochen gegen Rassismus“ teilzunehmen, kam im letzten Jahr von Inge Jooß“, berichtet Max Niedermeier bei unserem Gespräch. Niedermeier, der seit 2013 Integrationsbeauftragter für den Landkreis Miesbach ist, und die Miesbacher Stadträtin und Integrationsreferentin Inge Jooß arbeiten schon lange zusammen. Beide sind überall dort mit Rat und Tat zur Stelle, wo es um die schwierige Aufgabe geht, Menschen, die als Flüchtlinge oder Migranten zu uns kommen, weiterzuhelfen. Da Miesbach seit dem Ende des zweiten Weltkriegs immer wieder mit der Not vertriebener und geflüchteter Menschen konfrontiert wurde, kennen viele Menschen hier all die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen Migranten und Flüchtlinge kämpfen müssen.

 

100% Menschenwürde

Tatsächlich sind in Stadt und Landkreis Miesbach viele Menschen bereit, anderen unvoreingenommen und tatkräftig beim Neuanfang und beim Aufbau einer neuen Existenz zu helfen. So sind offene Attacken oder Aggressionen gegenüber Flüchtlingen und Migranten sehr selten. Und doch…

„Rassismus passiert jeden Tag, auch in Miesbach“, sagt Niedermeier in einem Interview mit dem Miesbacher Merkur. Ursache für dieses Unrecht im Umgang mit Menschen anderer Kulturen oder Religionsgemeinschaften ist für Max Niedermeier in erster Linie die Angst, sich mit dem anderen wirklich zu beschäftigen, ihm dadurch näher zu kommen. Als Beispiel erzählt er, wie schwierig es ist, die Neuzugezogenen ins soziale Leben im Landkreis zu integrieren. Nur 2% sind in unserem intensiven Vereinsleben aktiv. Um die Schwelle, sich aneinander anzunähern, abzubauen, haben er und Inge Jooß überlegt, wie sie die Öffentlichkeit in den beiden Wochen vom 15. bis zum 28. März für diese Ziele begeistern können.

 

Breite Unterstützung

„Mein Wunsch war es, die Wochen landkreisweit zu begehen mit unterschiedlichen Aktionen und Veranstaltungen in allen 17 Gemeinden im Landkreis.“ Nicht nur Corona kam dem ganz großen Wurf dazwischen. Denn Max Niedermeier ist eine „One-Man-Show“ –zuständig für die Koordination der gesamten Integrationsarbeit im Landkreis.

„So kamen wir zu dem Schluss, die Veranstaltungen in Miesbach zu konzentrieren. Immerhin ist Miesbach die Kreisstadt und sendet Signale ins ganze Umland.“ Kaum war dieser Plan gefasst, ging es daran, die Wochen zu organisieren. Landrat Olaf von Löwis übernahm sofort die Schirmherrschaft. Auch bei Bürgermeister Gerhard Braunmiller lief man offene Türen ein. Und schließlich konnte Max Niedermeier bei der Auftaktveranstaltung am 15. März alle begrüßen, die zum Gelingen der „Miesbacher Wochen gegen Rassismus“ beigetragen hatten: Amnesty International Miesbach, die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde, die Katholische Pfarrgemeinde Miesbach, die Volkshochschule Oberland e.V., das Kulturamt der Stadt Miesbach, das Katholische Kreisbildungswerk Miesbach sowie den Förderverein PIA e. V. mit seinem Netzwerk Integration.

Parallel wurden ein Plakat und ein Flyer entworfen, die als starke Zeichen an 100% Menschenwürde gemahnen.

 

Ein gelungener Auftakt

Am Abend des 15. März setzte man gemeinsam Zeichen… „Die Kirche war bis auf den letzten verfügbaren Platz besetzt“, berichtet Max Niedermeier vom „Gebet der Religionen“ in der katholischen Pfarrkirche. „Es war eine traumschöne Veranstaltung. Mitglieder aller in Miesbach lebenden Religionsgemeinschaften waren gekommen. Es war ein sehr bewegender Moment, mit Muslimen im selben Gotteshaus zu sein und mit Menschen, die der eritreisch-orthodoxen Kirche angehören, gemeinsam Kerzen anzuzünden.“ In diesem feierlichen Rahmen war auch Platz, zu hören, was Menschen erlebt haben, denen Miesbach heute eine Heimat ist. So erzählte Gonca Ulu – stellvertretend für viele – vom Kampf, als gläubige Türkin bei ihrer Arbeit im Kindergarten ihr Kopftuch tragen zu dürfen.

 

Mit PIA schon viel erreicht

„Die Wochen gegen Rassismus sollen für mehr Verständnis und Akzeptanz werben“, wünscht sich Max Niedermeier. „Es sind ja hier nicht die großen auffälligen Feindschaften, gegen die sich die Wochen gegen Rassismus in unserer Stadt richten“, sagt er ernst. „Wir haben vieles erreicht, aber es muss noch besser werden, wenn die Integration gelingen soll.“ Dass vieles im Landkreis so gut läuft, ist einer Arbeit zu verdanken, die im Landkreis seit Jahren und Jahrzehnten vor allem von ehrenamtlichen Helfern geleistet wird. Heute existiert mit dem Förderverein PIA e.V. – Pakt für Integration und Arbeit e.V. – ein vorbildlicher Zusammenschluss von Einzelpersonen, Vereinen, Religionsgemeinschaften, Helferkreisen und Beratungsstellen. Seit 2019 hat der Förderverein PIA e.V. auch das „Netzwerk Integration“ mit dessen Sprecherin Lisa Braun-Schindler unter seine Fittiche genommen.

Alle zusammen sind unter der Federführung des Integrationsbeauftragten für den Landkreis engagierte Ansprechpartner für die über 10.000 Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind.

 

Flüchtlingsschicksal hautnah

Als 2015 die große Flüchtlingswelle kam, hat sich auf allen Gebieten diese gute Zusammenarbeit bewährt. „Es gab eine große Besprechung mit den Bürgermeistern. Wir haben uns damals gefragt: „Wie soll das alles gehen?“ Dank einer gemeinsamen Anstrengung ging es: Turnhallen wurden umfunktioniert. Man fand eine Lösung, die Menschen gut auf die 17 Gemeinden im Landkreis zu verteilen… Man fand auch Wege, um mit den vielen Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan umzugehen. „Wir standen fast hilflos vor diesen Machenschaften“, ist Max Niedermeier noch heute betroffen. „Man hatte die Menschen mit unhaltbaren Versprechungen nach Deutschland gelockt. Viele hatten alles verkauft, nur um die Transfergebühren „ins Gelobte Land Deutschland“ zu bezahlen. Nun mussten sie wieder zurück… Wir wissen von unseren Afrikanischen Flüchtlingen, wie das läuft. Die Familie verkauft ihr Haus, die Mutter ihren Schmuck. Das Geld, das die Schlepper kassieren, reicht meist nur für eine Sahara-Durchquerung. Dann stranden die meist jungen Männer in Libyen, wo derzeit drei Regierungen gleichzeitig herrschen. Viele der jungen Flüchtlinge werden dort gewissenlos ausgebeutet oder vorübergehend ins Gefängnis geworfen. Nur um dann in offenen Schlauchbooten übers Mittelmeer geschickt zu werden. Ein Alptraum, der für so manchen mit dem Tod endet. Wer es bis zu uns geschafft hat, der soll sich hier in Deutschland aufgenommen fühlen und eine Chance für ein anständiges Leben bekommen“, erklärt Max Niedermeier mit Nachdruck.

 

Dank an die Helfer der Integration

Dass bei uns im Landkreis die meisten Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchenden gut betreut sind, darauf ist er stolz. Er achtet auch darauf, dass die Öffentlichkeit gerade jetzt in Coronazeiten nur selten mit weiteren Problemen konfrontiert wird. Sein Dank gilt deshalb den vielen, vielen Helfern, die in der Stille Gutes tun und damit auch dafür sorgen, dass im Landkreis Frieden und Harmonie herrschen. Niedermeier erzählt als Beispiel von einem Treffen mit Integrationshelfern in Gmund, bei dem sich herausgestellt hat, dass jeder der 30 Neuankömmlinge einen eigenen Helfer gefunden hat. Eine unbezahlbare Unterstützung…

Was sich Max Niedermeier für die Zukunft wünscht, ist, dass im Lauf der kommenden Wochen noch ein großes Stück Miteinander gelingt. Sicher hilft dabei auch die Plakataktion „Miesbacher Bürger*Innen gegen Rassismus“: 15 Persönlichkeiten aus Vereinen, Berufsgruppen, Herkunftsländern und Altersgruppen haben sich dafür fotografieren lassen, um zu sagen: Wir sind gegen Rassismus und für 100 Prozent Menschwürde. Die Bilder werden in Schaufenstern, Kirchen und öffentlichen Einrichtungen ausgehängt.

Hoffen wir, dass so die Botschaft immer tiefer in unser Bewusstsein dringt.

 

Text: Verena Wolf
Foto: Magdalena Jooß

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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