Maibaum, © Stadt Miesbach
Walter Fraunhofer, © Isabella Krobisch

Ein neuer Maibaum für Miesbach

„Es knistert schon“, sind sich Walter Fraunhofer und Stefan Baumgartner einig. Das, was da knistert in Miesbach und den beiden ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht zaubert, ist die Vorfreude auf das größte Fest in diesem Jahr: Am 1. Mai wird ein neuer Maibaum aufgestellt.

 

Eine majestätische Hauptperson

Wir sitzen zu dritt im Bauwagen, der vor der Habererschupf steht. Der urig gemütliche Wagen ist das Hauptquartier des Maibaum-Komitees und für einige Zeit ein echter Hotspot in der Stadt: An der kleinen Theke draußen wird Bier ausgeschenkt, man trifft sich unkompliziert zum Ratsch und darf dabei den Star des Ganzen bestaunen, einen über 28 Meter langen, mächtigen Fichtenstamm. Damit hat er das Höchstmaß erreicht, das ein Miesbacher Maibaum mitbringen darf. „Wir müssen den Baum ja die Rathausstraße runterfahren und dann auf den Marktplatz bringen. Länger als 28 Meter und 25 Zentimeter darf der Baum nicht sein, sonst kommen wir nicht um die Kurve beim Buch am Markt herum“, erfahre ich. Also musste der majestätische Baum gekürzt werden, der mehr als 40 Meter hoch war, als er gefällt wurde. Wachsen und seine beeindruckende Höhe erreichen durfte der Baum an einem Schattenplatz im Wald von Oswald-Bauer Sepp Rummel in Mittenkirchen. Der ist stolzer Besitzer eines Waldes mit mächtigen Bäumen im Altbestand, unter denen der über 100 Jahre alte Baum durch seinen geraden Wuchs auffiel.

Nach dem fachgerechten Fällen (nach dem Thomastag, 21. Dezember = Dammerltag), bei dem der Miesbacher Bauhof, Hans Waldschütz und Flori Weißenbacher am 3. Januar zusammenwirkten, misst sein Durchmesser nun fast 70 Zentimeter an der Basis – ein stolzer Wert! Oben wurde der Baum gekappt, dann komplett entastet und noch im Wald von der Rinde befreit.

Nun ruht er, nahezu fertig bemalt, in der Habererschupf und wartet auf seinen großen Tag. Und wenn Maler Stanzer fertig und der Baum aufgestellt ist, wird das weiß-blaue Prunkstück die nächsten vier Jahre der heimliche Mittelpunkt unserer Stadt sein.

Ich erfahre von Stefan Baumgartner noch viel altes Wissen über den richtigen Zeitpunkt für das Schneiden eines Baums im Winter, über langsames Wachstum, über gutes Holz und „buxiges Druckholz“, über das Kambium, das einen Baum versorgt, und die Auswirkungen von Spechtlöchern auf die Gesundheit eines Baumes…

 

Der alte Baum verwandelt sich

2019 war der letzte Maibaum aufgestellt worden. Weil er leider bei einer Inspektion Schäden zeigte, musste er 2021 vorzeitig entfernt werden. „Zu groß ist die Gefahr, dass der tonnenschwere Baum umfällt und schwere Schäden anrichtet“, erklärt Walter Fraunhofer, ehemaliger Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr mit über 20 Jahren Erfahrung im Einsatz.

Der alte Baum wurde nicht einfach entsorgt. Aus seinem Holz wurden Bänke gefertigt, die nun in den Grünanlagen unserer Stadt aufgestellt werden. Und ein Rest macht an der Umgehungsstraße auf das große Ereignis aufmerksam: Das Maibaumaufstellen am 1. Mai.

 

Symbol der Tradition

Warum das Aufstellen eines Maibaums ein so spannendes Ereignis ist, das eine ganze Stadt feiert, hat viele Gründe. Der Wichtigste: Man muss nicht lange nachdenken, um zu begreifen, warum der Baum ein Fruchtbarkeitssymbol ist! Schon seit uralten Zeiten wurden wohl in den germanischen Gebieten Bäume zum Frühlingsanfang aufgestellt. Deshalb ist es für die einheimischen Burschen immer wieder eine Herausforderung und eine Mutprobe, von den Nachbarorten ein solches Prachtstück zu stehlen. Unser Maibaum, der seit 1968 immer am Marktplatz errichtet wird, ist zum Symbol der Stadt geworden. Seine Zunftzeichen, das krönende Miesbacher Stadtwappen, die bayrische Fahne und der grüne Kranz sind wesentliche Elemente unser bayrisches Selbstverständnis – stolze Zeichen unserer Stadt und ihrer bewegten Geschichte.

 

„Der Baum bleibt da!“

Weil die Miesbacher ganz genau wissen, wie begehrt ihr Baum ist, hat die Miesbacher Maibaum-Mannschaft um Walter Fraunhofer Wachen organisiert. Jeden Tag von 19:00 Uhr abends bis 6:00 Uhr früh bewachen wechselnde Freiwillige den Baum. Das ist auch nötig: „Man glaubt nicht, wie viele junge Männer so ganz unauffällig vorbeikommen und die Lage sondieren“, Walter Fraunhofer schmunzelt. Schon mehrmals wurde in den letzten Tagen versucht, den Baum zu stehlen. Ein Mal war es ganz knapp. Der Baum war schon verladen, als der Diebstahl in letzter Minute verhindert werden konnte. Es reicht übrigens, eine Hand auf den Baum zu legen und die alte Formel zu sprechen: „Da Baam bleibt do“. Dann müssen die findigen und schneidigen Diebe unverrichteter Dinge abziehen. Ob man sich anschließend zu einem Bier zusammensetzt oder nicht – das liegt an den persönlichen Beziehungen. Denn natürlich ist das alles nicht kriegerischer Ernst, sondern ein wunderbares altes Spiel. Wahrscheinlich so alt wie der Brauch des Maibaumaufstellens selbst.

 

Ein großes frohes Fest

Für das heurige Maibaumaufstellen hat sich das Komitee einiges Besondere ausgedacht. „De Coronazeit hod d`Stodt lahmg`legt. Nix ging mähr.“ Um diesen traurigen Zustand zu beenden, soll jetzt das Fest die ganze Stadt zu neuem Leben erwecken. Geplant ist deshalb unter anderem, unmittelbar neben dem Baum einen Tanzboden aufzustellen – genauso wie es 1968 war. Sobald der Baum sicher in der Halterung steht, beginnt das Fest mit dem traditionellen Bandltanz des Trachtenvereins und dem Ehrentanz der Maibaumaufsteller. „I moan, es werd a 3-4 Plattler gem“, verspricht Stefan Baumgartner mit einem Augenzwinkern. Muss nur noch das Wetter passen…

 

Bayrische Teamwork

Dass das Wetter mitspielt, das kann man allen nur wünschen. Nicht nur, weil die letzten Monate viel Arbeit und Einsatz gefordert haben. Aus den aktivsten Traditionsvereinen der Stadt, dem Trachtenverein, der Feuerwehr und den Haberen, kommen die meisten, die sich seit Dezember darum kümmern, dass am 1. Mai alles glatt laufen soll: Um Walter Fraunhofer haben sich neben Stefan Baumgartner noch Christian Mittermaier, Quirin Baumgartner, Sebastian Dirscherl, Jörg Dreher, Michi Röhrl und Robert Schlienz gesammelt.

Seit Dezember wird geplant und organisiert, Werbung gemacht und viel auf die Beine gestellt: Vom Finden des richtigen Baums bis zur Einteilung der Wachen, vom Üben für die Tanzauftritte bis zum „Anwerben“ der Männer, die am 1. Mai mitmachen. Vom Bau des Tanzbodens bis zur Bereitstellung des Krans und vielem, vielem mehr.

 

Der Moar

Allein ist das nur schwer zu machen. „Es hat uns g`freid, dass de Gemeinschaft der Vereine so mitg`spuid hod“, erzählt Walter Fraunhofer. Auf ihm liegt nicht nur die Gesamtleitung für die Vorbereitung des Festes. Sondern er wird, wenn es so weit ist, die Verantwortung für den gewaltigen Kraftakt übernehmen: 80 bis 100 Mannsbilder müssen auf sein Kommando zusammenwirken, um den Baum mithilfe der Schwalben aufzurichten. Denn auch in diesem Jahr ist er der „Moar“. Das ist Bayrisch für „Meier“ – also für den Besten.

Beim Maibaumaufstellen ist nicht nur Muskelkraft gefragt, das berühmte „Irxenschmalz“, sondern es braucht vor allem Übersicht und Ruhe. Jahrelang hat Walter Fraunhofer als Adjutant das Maibaumaufstellen „gelernt“. 2019 hat er die Aktion zum ersten Mal geleitet. „Es ist trotzdem a jeds Moi anders“, sagt er. Gutes Wetter braucht die Mannschaft, wenn alles wie geplant laufen soll. Denn wenn es regnet, ist der Baum nicht zu beherrschen. Dann muss ein Kran Abhilfe schaffen. „Dees is hoid na a so“, sagt der pragmatische Walter Fraunhofer.

 

Die letzte Wacht

Schon in der Nacht zum 1. Mai wird es spannend: Dann ist der Baum bereits am Marktplatz und die letzte Wache vom Samstag auf den Sonntag übernimmt traditionell der Stadtrat samt der drei Bürgermeister – Ehrensache. Übrigens kann jeder die Wachen unterstützen: Der liebgewonnene Bauwagen, der über Wochen als Wachstation gedient hat, wird dann am Marktplatz stehen – und selbstverständlich auch die „Schwartlingsbar“ der Freiwilligen Feuerwehr Miesbach…        

Um 9:00 Uhr am Sonntag ist es dann so weit: Begleitet von schwungvoller Blasmusik ziehen die Maibaumaufsteller zum Marktplatz. Der Baum wird mit einer Schraube in der Schiene fixiert. „Man braucht ein Widerlager, sunst gähd nix“, erklärt Stefan Baumgartner.

 

Wo das Herz bayrisch schlägt

Wenn dann um 10:00 Uhr das Maibaumaufstellen beginnt, sind möglichst viele Zuschauer willkommen. Denn nur wer dabei ist, kann miterleben, wie es ist, wenn in Bayern 100 Mann zusammenhelfen!

Ist der Baum einmal auf 60 Grad aufgerichtet, ist das Schlimmste geschafft. Aber bis dahin ist es ein schweres Stück Arbeit – da hilft nur hin und wieder ein Schluck Bier für die Mannschaft.

Anschließend ist dann Maitanz für alle. Dieses Jahr soll der Maibaum nach altem Brauch wieder richtig eingetanzt werden. Da kann, ja sollte eigentlich jeder mitmachen… Damit es ein frohes Fest wird, bis in die späten Abendstunden die Musik da sein: Am Vormittag spielt der Musikverein Misbach, am Nachmittag übernimmt die Jugend der Stadtkapelle.

 

Hätten Sie es gewusst?

Und für alle, die es genau wissen wollen – hier die Reihenfolge der Zunftzeichen, die der damalige Bezirksheimatpfleger Paul Ernst Rattelmüller (1924-2004) entworfen hat. Von links unten nach rechts oben:

 

Bäcker und Brauer

Bergmann und Bauer

Kaufmann und Lehrer (Beamte)

Zimmerleute und Maler

Hutmacher und Schneider

Metzger und Schmied

Drechsler und Säckler

 

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Stadt Miesbach, Isabella Krobisch

Impressionen

Maibaum, © Stadt Miesbach
Maibaum

© Stadt Miesbach

Maibaum, © Stadt Miesbach
Maibaum

© Stadt Miesbach

Maibaum, © Stadt Miesbach
Maibaum

© Stadt Miesbach

Maibaum, © Stadt Miesbach
Maibaum

© Stadt Miesbach