Natur-Wallfahrt, © Hans-Günther Kaufmann
Hans-Günther Kaufmann, © Hans-Günther Kaufmann

Ein besonderes Buch

Hans-Günther Kaufmann ist ein Starfotograf in jedem Sinn des Wortes. Doch seit einem Jahr ist auch er von der Corona-Krise betroffen. Grund genug für den solo-selbstständigen Künstler, dem Dasein neue Seiten und tiefe Einsichten abzugewinnen.

 

Annehmen – loslassen – sich neu orientieren

Schauspielerin Christine Kaufmann war seine Schwester, Hollywood-Legende Tony Curtis sein Schwager. Hans-Günther Kaufmann hat Sophia Loren ebenso fotografiert wie Papst Benedikt XVI. oder Odilo Lechner, mit dem er bis zu dessen Tod eng befreundet war. Kaufmann, der in der ganzen Welt gearbeitet hat und dessen Bilder weltweit in Ausstellungen hingen, lebt seit Jahrzehnten in Miesbach und teilt unser aller Erfahrung mit steigenden Inzidenzzahlen und Lockdown. Auf meine Frage, wie er unsere neue Realität erlebt, sagt er: „Zunächst einmal musste ich das Loslassen lernen. Ich denke, die Hoffnung auf ein Zurück in die Zeit, die wir als „normal“ bezeichnen, scheint mir unrealistisch. Es war eine tolle Zeit, für die ich dankbar bin. Aber Anspruch darauf stellen...?  Alles hat seine Zeit. Die Arglosigkeit, mit der ich Kontinente bereisen durfte und die spontanen Begegnungen mit den verschiedensten Menschen - das vermisse ich schon arg. Aber jetzt gelten andere Lebensbedingungen und nur wer sich diesen anpasst, hat Chancen. Als Freiberufler konnte ich nur mit Kreativität über die Runden kommen… Kreativität und Mut das Undenkbare zu denken – das werden wir wohl alle brauchen. Da ich Kreativität und Arbeit als Privileg wahrnehme, gebe ich mir Chancen. Ich bin Optimist, weil ich dazu keine Alternative kenne.“

 

Neue Wege gehen

Der große Vorteil der Kreativen ist, dass sie – schon von Berufs wegen – immer wieder Antworten auf neue Situationen finden müssen. Seine Gedanken und Erfahrungen aus den Monaten der Krise hat Hans-Günther Kaufmann in seinem neuen Buch verarbeitet, in dem sich alles um die Sehnsucht dreht. Er erzählt. „Die Sehnsucht nach dem Ursprung ist die Sehnsucht nach einem neuen Anfang“ – das ist der Buchtitel. Für mich ist Sehnsucht Leben – oder anders gesagt: Wenn mich die große Sehnsucht nicht mehr führt, dann stehe ich wohl am Ende meines Weges. Ich fühle mich als Mensch des Anfangs – das geht immer unabhängig vom Alter. Vor Corona war Sehnsucht für mich Weite, ferne Kontinente, Neues erleben – etwas Abenteuer. Das mit dem Reisen geht nun nicht mehr. Also muss ich in die eigenen Tiefen reisen, muss suchen und vielleicht auch finden…“

 

Wunder der Wirklichkeit

Herausgekommen ist bei dieser Suche ein wunderschönes Buch. Fast quadratisch im Format und gerade groß genug, damit die Fotos ihre Wirkung entfalten können, ist es klein genug, um überall einen Platz zu finden. Und mit etwas über 100 Seiten hält das Buch auch inhaltlich genau das richtige Maß. Es ist eins der Bücher, die man immer wieder zur Hand nimmt, weil es darin so vieles zu entdecken gibt. Manches ist Spektakulär, anderes zieht den Betrachter erst beim zweiten Blick in seinen Bann. Schön ist, dass viele Motive aus der nächsten Umgebung stammen. „Ja“, sagt Hans-Günther Kaufmann „hier im Oberland gibt es unendlich viel zu entdecken. Sehen um glücklich zu sein – das geht, wenn man wirklich das Wunder der Wirklichkeit in allem erkennt.“

 

Eine Reise zum Ursprung

Schon seit Jahren zieht es Hans-Günther Kaufmann zu einem spirituellen Leben. Was das heißt und wie uns Spiritualität gerade jetzt hilft, die Zeit zu begreifen und uns selbst anzupassen – das ist der rote Faden, der sich durchs Buch zieht. Eingeteilt ist es in sieben Kapitel – alle angenehm kurz – die Titel wie „Glaube zeigt mir Stille, Licht und die Schönheit“ oder „Alles, was das Herz weit macht“ tragen. Seite für Seite kann man innehalten und die Motive betrachten, den Gedanken folgen. Wie bei einem Kaleidoskop fließen Bilder und Worte ineinander, verdichten sich schon beim Blättern zu einer Gesamtheit, die ungemein tröstlich und stärkend ist. Kurze Momente wie Bienen auf einer Sonnenblume, eine Joppe am Haken, ein Baum, ein Kruzifix, eine bäuerliche Bettkammer… So reihen sich die Fotos aneinander – kostbare Kleinigkeiten eines Sommertages oder eines stillen Augenblicks, in denen so viel Glück liegt.

Andere Motive führen uns die Wucht der Natur und des Lebens vor Augen: Hoch schäumt die Gischt an einer Felsenküste. Tief lastet der Gewitterhimmel über dem Irschenberg. Fast mystisch bricht die Sonne durch die abendlichen Wolken. Irgendwo in Spanien verliert sich der Jakobsweg am Horizont. Wer sich Zeit nimmt, die Fotos in sich aufzunehmen, spürt die Kraft, die von ihnen ausgeht.

Als ich frage, nach welchen Kriterien Hans-Günther Kaufmann die Fotos ausgewählt hat, stutzt er. Dann sagt er: „Das mag seltsam klingen – aber nicht ich suche die Fotos, sondern mich spricht das Bild an, ich lasse mich rufen und berühren – ein wenig wie verliebt sein. Mit Denken käme ich da nicht weiter. Genauso sind übrigens die Texte entstanden... ich kann‘s nicht beschreiben, wie und was ich schreibe – es kommt einfach daher. So wie Liebe. Es ist eben ein Geschenk. Man muss das zulassen, demütig...“

 

Neue Werte definieren

So ist Hans-Günther Kaufmann nicht nur ein besonderer Fotograf, er ist auch ein Autor, den es zu entdecken lohnt: Er ist einer, der mit dem Leben mitschwingt, der Wege aufweist und der Erfahrungen anbietet. Da er zudem einige der Großen dieser Welt hautnah erlebt hat, ist es wichtig, zu lesen, was er über Glanz und Glamour und über den Preis zu sagen hat, den man für Ruhm und Anerkennung zahlen muss. Denn auch das ist in Corona-Zeiten anders geworden – viele Werte haben stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt… Sich neu zu besinnen, sich der Botschaft von Glauben und Menschlichkeit zu öffnen, dafür spricht sich auch Notker Wolf aus. Den damaligen Abtprimas der Benediktiner hat Hans-Günther Kaufmann 2007 auf einer Weltreise begleitet. In Notker Wolfs Nachwort habe ich einen Satz gefunden, der mich besonders betroffen gemacht hat: „Man sollte nicht am gleichen Tisch essen, arbeiten und beten.“ Für viele von uns ist dies jedoch das perfekte Bild der bedrückenden Enge der Corona-Realität geworden: alles und alle an einem Tisch – und das täglich auf unbestimmte Zeit. Dass wir aus dieser Zeit nicht gebrochen, sondern mit neuen Werten in eine neue Zukunft aufbrechen, das ist Hans-Günther Kaufmann wirklich wichtig. Und deshalb hat er dieses Buch gemacht.

 

Weiterlesen:

Hans-Günther Kaufmann, Notker Wolf: „Die Sehnsucht nach dem Ursprung ist die Sehnsucht nach einem neuen Anfang“, 112 Seiten, 20 x 22,5 cm, gebunden, durchgehend farbig gestaltet, St. Benno Buch und Zeitschriften Verlagsgesellschaft mbH, Stammerstr. 9–11, 04159 Leipzig

ISBN 978-3-7462-5913-0

€ 24,95 [D]; € 25,70 [A] Lieferbar: ab März 2021

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Hans-Günther Kaufmann

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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MB_Wochenmarkt-0081_1920x1280
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