Alte Lieben, © Verena Wolf
Margit Hartl an der Buchpresse, © Verena Wolf

Die Werkstatt von Margit Hartl-Sachs

Echte Bücherwürmer kennen das: Irgendwann ist das Lieblingsbuch vom vielen Blättern zerfleddert. Wenn das Buch dann mit Eselsohren, abgestoßenen Ecken und eingerissenem Rücken einen traurigen Anblick bietet, ist Hilfe nahe: Denn in Miesbach gibt es Buchbindermeisterin Margit Hartl-Sachs und ihre Werkstatt.

 

Buchbinder-Werkstatt mit Geschichte

Papier ist zwar kein Naturprodukt – dazu wird bei der Herstellung einfach zu viel Chemie verwendet – aber Papier ist Alterungs- und Zerstörungsprozessen ausgesetzt. Sind Bücher falsch gelagert oder werden sie oft benutzt, gehen sie nach und nach kaputt: „Zu mir kommen Bücher mit abgestoßenen Ecken, kaputten Rücken – viele sind sogar aus dem Einband gerissen… Ich kann aber selbst dann noch helfen“, erzählt Margit Hartl-Sachs, die ich zum Interview in ihrer Werkstatt im ehemaligen Gasthof Post am Stadtplatz treffe. Im Erdgeschoss hat sie sich dort einen geräumigen Arbeitsplatz eingerichtet, wo einmal die Küche der Gastwirtschaft war. Bis heute ist das Haus in Familienbesitz und wird geliebt und bewahrt. Margit Hartl-Sachs erinnert sich noch genau an die Küche, die einmal das Herzstück der florierenden Wirtschaft war: „Hier“, sagt sie und zeigt auf die Längswand, „stand der Herd, ein Riesenofen, der 2x3 Meter groß war – da hat die Tante gekocht.“

 

In Miesbach verwurzelt

Margit Hartl-Sachs kam 1963 als jüngstes der vier Hartl-Geschwister zur Welt. „Ja, ich war das Nesthäkchen“ sagt sie und man merkt schon am Tonfall, wie eng die Verbindung zur Familie ist. „Meine Mama hat mir schon in den 90er-Jahren geholfen, meine Werkstatt hier einzurichten. Sie hat gesagt, der Raum ist eh frei – sie hat immer geschaut, dass jeder bekommt, was er braucht.“ 
So war dann auch sie für die Eltern da, als die alt und krank wurden. „Es war trotzdem eine schöne Zeit“, erinnert sie sich. „Ich bin, so oft ich konnte, nach Miesbach rausgekommen und habe die Kinder mitgebracht, die noch klein waren. So hatte vor allem meine Mama noch richtig etwas davon, Oma zu sein. Wir haben sehr viel zusammen unternommen, solange es noch ging.“ 2001 starb dann der Vater, 2016 die Mutter.

 

In besten Händen

Halt gab ihr damals nicht nur die eigene Familie, sondern auch der Beruf. Auch in meinen Augen ist Buchbinderin ein besonders schöner Beruf und so freue ich mich darauf, mehr darüber zu erfahren. Margit Hartl-Sachs bringt das alte Handwerk und seine Möglichkeiten für sich so auf den Punkt: „Beim Buchbinden ist meine Lebensphilosophie: Man kann doch immer etwas richten. Ich liebe es einfach, alte oder beschädigte Bücher zu reparieren. Da greife ich dann in meinen Zauberkasten… Und jedes Buch, das man mir bringt, ist auch eine Herausforderung. Jedes Mal frage ich mich aufs Neue: „Kann ich‘s – und wie gut wird es werden?“ Ich lerne bei jedem Auftrag etwas dazu.“
Eine Preisfrage ist das schon auch…
Was sie schade findet, ist, wenn jemand gar nicht erst den Weg zu ihr sucht, weil er gleich davon ausgeht, dass es sich nicht lohnt. „Man kann doch immer verhandeln“, ist sie sicher.

 

Den Traumberuf gefunden

Nach der Schule hat ein Schnupper-Praktikum sie auf die richtige berufliche Spur gebracht: „Ich habe ein paar Tage in einem Betrieb mitgearbeitet und dann hat man mir dort die Ausbildung angeboten.“ Nachdem sie den Stoff eines halben Jahres nachgelernt hatte, fing sie mit dem zweiten Lehrjahr an und hat diesen Schritt nie bereut. Das Buchbinderhandwerk ist älter als der Buchdruck – und der wurde bekanntlich 1468 erfunden! Denn schon in den klösterlichen Skriptorien, den Schreibstuben des Mittelalters, gab es Spezialisten für die oft sehr aufwändige Buchproduktion: Es gab Schreiber, Buch- und Miniaturen-Maler, Rubrikatoren und natürlich die Buchbinder. Oft verzierten noch Juweliere die schweren Bibeln und andere Bücher im Auftrag der Kirche und der Herrscher mit Gold und Juwelen.

 

Ein vielfältiges Metier

„Natürlich haben sich im Lauf der Jahrhunderte und nicht zuletzt durch den Buchdruck die unterschiedlichsten Methoden der Buchvorbereitung und -bindung entwickelt, die man in der Ausbildung alle kennenlernt“, erklärt Margit Hartl-Sachs. „Das Falzen der Papierbögen, die Heftung zum Buchblock – man braucht handwerkliches Geschick und muss sorgfältig arbeiten. Das hat seine ganz eigene Faszination, einen Beruf zu haben, der dich mit wertvollen Dingen in Berührung bringt, die andere Menschen vor langer Zeit in der Hand hatten. Heute werden die Bücher natürlich industriell gebunden und man muss alles über diese Maschinen wissen, um sie effektiv zu bedienen. Am Ende der Ausbildung musst du beides können. Dazu alles Wirtschaftliche, um auch finanziell erfolgreich zu arbeiten.“
Drei Jahre dauert die Ausbildung, die Margit Hartl-Sachs in München absolvierte, um anschließend in der industriellen Buchbinderei zu arbeiten.

 

Auf dem Weg zum Meistertitel

Den Anstoß zur weiteren Perfektion gab dann eine Reise nach Ascona. Dort, am Lago Maggiore, gibt es das Centro del Bel Libro, also das Zentrum der schönen Bücher, eine Institution und ein wahres Mekka, für alle, die mit Buchherstellung zu tun haben. Als Folge ihrer Eindrücke dort meldete sich Margit an der Fachschule für Buchbindetechnik, Meisterschule der Landeshauptstadt München, in der Pranckh-Straße an, die sie 1991 mit der Meisterprüfung abschloss. Anschließend arbeitete sie in einer großen Druckerei als Disponentin aber der Wunsch nach Selbstständigkeit brach sich Bahn: Sie wechselte nach zwei Jahren zu einem Arbeitgeber, der ihr die Chance zur Teilzeitarbeit bot: „Da konnte ich drei Tage im Betrieb arbeiten – an den anderen Tagen war ich frei fürs Eigene.“ 10 Jahre ist sie dortgeblieben und hat die Arbeit und ihre beiden Kinder unter einen Hut gebracht. Und vor allem hat sie sich die eigene Werkstatt aufgebaut.

 

Herrin im eigenen Reich

„Ja, die eigene Werkstatt, die hat es einfach gebraucht“, gesteht sie und erzählt von den schönen Begegnungen mit den Kunden: „Neulich war eine Frau hier, die seit 40 Jahren mit ein und demselben Buch arbeitet. Es fiel buchstäblich auseinander und ich musste ihr hoch und heilig versprechen, dass sie es wohlbehalten zurückbekommt.“ Ehrensache natürlich, dass das Buch „wie neu“ an seine glückliche Besitzerin zurückging.

Seit 2016 arbeitet Margit Hartl-Sachs nun Teilzeit in einer Druckerei in Neuried – in der eignen Werkstatt in Miesbach ist sie meist am Wochenende anzutreffen. „Momentan habe ich wieder einen Band, den ich für die Stadt Miesbach repariere." Es ist das Sitzungs-Beschlussbuch für den Marktmagistrat Miesbach Band III. aus den Jahren 1907-1912, lese ich staunend. Margit Hartl schlägt den Einband auf und zeigt den perfekt reparierten Buchrücken samt neuem Vorsatzpapier des gewaltigen Bandes.

 

Eine ideale Kombination

Seit fünf Jahren arbeitet sie schon für das Miesbacher Archiv. „Mich freut das, dass ich immer wieder eins der Bücher aus dem Archiv überarbeiten darf.“ Viele der schweren Bände, in denen die Ausgaben des Miesbacher Anzeigers gesammelt werden, hat sie inzwischen sachkundig repariert.
„Am Anfang hat mir Barbara Wank einen Band zur Probe gegeben. Als er fertig war, war ich gespannt, was sie sagen würde – das sind schon sehr wertvolle Bücher“, erinnert sich Margit Hartl.
„Sehr gut“, lobte Barbara Wank und seit die Stadtarchivarin weiß, wie gut die alten Bücher des Miesbacher Archivs bei Margit Hartl aufgehoben sind, hat sich für Margit Hartl ein Kreis geschlossen, kann sie doch ihre besten Fähigkeiten der Heimatstadt zur Verfügung stellen.

 

Kontakt

Margit Hartl-Sachs

Handbuchbinderei und Buchreparatur

Stadtplatz 15

83714 Miesbach

Termin nach vorheriger telefonsicher Anmeldung:

Mobil 0177 56 66 961

08025 5060 (Anrufbeantworter)

 

Zum Weiterlesen

Centro del bel Libro

Buchbinder Colleg

 

Text und Fotos: Verena Wolf (Miesbacher Verlagshaus)

 

Impressionen

Margit Hartl, © Verena Wolf
Margit Hartl

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Margit Hartl an der Buchpresse, © Verena Wolf
Margit Hartl an der Buchpresse

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