Waitzinger Sammlerfreunde, © Max Kalup
Bertl und Robert, © Max Kalup

Die Waitzinger Sammlerfreunde

Einst war Miesbach Firmensitz einer der größten Privatbrauereien Oberbayerns. Viel ist von dieser Glanzzeit leider nicht mehr erhalten, doch es gibt eine kleine eingeschworene Gemeinschaft, die diesem Kulturgut wieder Leben einhaucht: die Waitzinger Sammlerfreunde mit ihrem Stammtisch und ihren verrückten, herrlichen Ideen.

 

Einen Teil Miesbacher Geschichte zum Leben erwecken: die Waitzinger Sammlerfreunde

„An Stammdisch gibt’s scho ewig….“ Aus gemeinsamen beruflichen Projekten kenne ich die Waitzinger Sammlerfreunde bereits seit längerer Zeit. Allerdings erfahre ich erst jetzt im Gespräch, dass sich diese regelmäßig zu einem Stammtisch treffen, meist so 10 Personen, aber wenn es um Helfer*innen bei Ausstellungen oder anderen Aktionen geht, dann sind bestimmt an die 40 Mann (und natürlich auch ein paar Frauen) zur Stelle.

 

Die gute alte Brauereizeit

Der Stammtisch hat also wirklich einen geschichtlichen Ursprung. Früher, als die Waitzinger Brauerei noch existierte (Schließung 1977), trafen sich die Fuhrleute der Brauerei und später auch die Prügler auf eine gemütliche Feierabend-Hoibe. Damals entstanden auch die ersten großen Sammelleidenschaften über alles was die Miesbacher Brauerei so zur Verfügung hatte. Walter Mück und Herbert Eller sen. waren zwei Sammler der ersten Stunde, die ihre Passion groß aufgezogen hatten. „Leider ist alles irgendwann dann eingeschlafen…“ so berichten Bertl Moser und Robert Schlienz, zwei der heutigen Sammlerfreunde, mit denen ich mich stellvertretend für die ganze Truppe zum Gespräch verabredet habe.

 

Sammeln ist lebendige Erinnerung

Bertl hatte schon lange Andenken an die Brauerei, deren Produktionsstandorte in Miesbach und Landsberg waren, gesammelt. Auch war er kurzzeitig mit den Heimatfreunden aktiv und so entstand 2006 die Idee die Sammlerfreunde wieder neu aufleben zu lassen. In seinem ehemaligen Schulkameraden und bis heute guten Spezl Robert Schlienz fand er einen begeisterten Mitstreiter. Dieser sammelte vorher unter anderem Steiff-Teddybären. Aber die Preise auf diesem Sammelmarkt waren ihm irgendwann zu abgehoben und so freut sich jetzt der Enkel über den noch immer stattlichen Besitz der Bären. Robert kam nicht nur durch Bertl zum Sammeln, sondern auch durch seine Verbindung zum Waitzinger Park bzw. dem Miesbacher Trachtenverein. Doch wie er es spitzbübisch formuliert: „durch den Bertl habe ich meine Liebe zur Spinnerei entdeckt!“

Mittlerweile erstreckt sich ihr Lager auf gute 30 qm mit vielen Regalen über mehrere Ebenen. Zum Glück ist alles frostsicher untergebracht so dass die teils sehr alten Kostbarkeiten klimatisch sicher gelagert werden können. Zudem sind auch die Wohnungen der beiden mit zahlreichen liebgewonnenen Exponaten bestückt und so manch ein Museum würde sich glücklich schätzen diese beiden Wohnungen ihr eigen nennen zu dürfen. Wobei sie betonen „an jedem Drum a Freid zu haben – wichtig sei ganz oft die Geschichte dahinter.“ Zum Beispiel muss man sich fragen, wie viele Feste so ein alter steinerner Maßkrug schon erlebt haben muss, bis er auf einem der Festivitäten dann schicksalsergeben von einem Mutigen geklaut wurde um dann Jahrzehnte in einem Küchenschrank oder Keller zu warten bis ein Zufall ihn in die Hände der Waitzinger Sammlerfreunde spielt. Oder auch die Geschichte vom Brauerei-Traktor spult sich vor meinem inneren Auge wie ein alter Heimatfilm ab: Anno dazumal mussten jeden Winter die Lehrlinge und Brauburschen das Miesbacher Firmengelände täglich von den Schneemaßen befreien. Diese schweißtreibende Arbeit wollten sie in Zukunft umgehen und so kam es, dass die findigen Männer ihr Trinkgeld sammelten und mit Hilfe eines Zuschusses sich einen Traktor zum Schneeräumen anschafften. Dieser wurde in den Firmenfarben hellblau mit weißer Schrift lackiert und leistete gute Dienste. Irgendwann übernahm dann ein neuer Unimog die Winterarbeit und so wurde der Traktor nach Landsberg umgesiedelt. Als er Anfang der 70er Jahre dort ausgemustert werden sollte, fasste sich der Landsberger Mitarbeiter Stefan Pupeder ein Herz, bewahrte den Oldtimer vor dem Schrottplatz und schleppte ihn in die heimische Garage. Seither wird er gut gepflegt und jederzeit nach Miesbach als Leihgabe verliehen.

 

Die Leidenschaft mit anderen teilen

Das zeichnet überhaupt den Sammeleifer aus: sich gut zu vernetzen ist das allerwichtigste. So sind auch die Miesbacher Sammlerfreunde mit vielen anderen Vereinen und Sammlerstammtischen befreundet und in regem Austausch, vor allem natürlich mit dem in Landsberg. Früher gab es zudem spezielle Börsen auf denen man tauschen und erwerben konnte. Bertl hat sie alle besucht, mittlerweile sind es nur noch drei Börsen, allesamt im südlichen Teil Deutschlands, bei denen es sich lohnt diese anzufahren. Der Markt ist zurückgegangen, zum einen, weil durch den Generationswechsel leider der Nachwuchs ausbleibt und zum anderen hat sich viel in den Online-Sektor verschoben. Wobei Bertl betont, dass der direkte Austausch und die Kontaktpflege enorm wichtig sind. Denn wenn einer einen kennt, der einen anderen kennt und der kennt wen, der einen Brauereigegenstand hat, dann hat man so die größten Chancen dieses gute Stück zu bekommen. Dabei erstrecken sich die Verbindungen teils über große Distanzen, zum Beispiel erhielt Bertl ein Exponat aus Frankreich, das quer durch Deutschland reiste und dann schließlich in Augsburg landete, wo er es erwerben konnte. Robert ist dagegen oft selbst überrascht wie oft er mittlerweile im Internet erscheint, dass das schon auch fruchtet ist er sich sicher: „Oft bin i schon heimgekommen und da war was vor meiner Tür g‘standen“. Zudem sind sie Monika Lechner zu tiefst dankbar, denn sie war einst Lehrmadl bei der Brauerei und hat noch viele Ausstellungsstücke sowie wertvolle unterstützende Tipps und Geschichten auf Lager.

 

Immer was los!

Um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern und somit noch an mehr Ausstellungsstücke zu kommen, hatten die Freunde 2006 eine glorreiche Idee: sie bauten ein Holzgestell und boten bei diversen Festen und Veranstaltungen ein sogenanntes „Maßkrugschieben“ an. Ähnlich einer historischen Jahrmarktattraktion gibt man dabei einem Maßkurg einen Schubs und dieser schlittert eine Holzbahn entlang. Gewonnen hat derjenige, dessen Krug auf der Ziellinie zu stehen kommt.

Auch für das Waitzinger Keller Jubiläum 2007 nahm der damalige Leiter Martin Fischhaber mit ihnen Kontakt auf. Ob sie einen Raum etwas dekorieren könnten, war die vorsichtige Frage. Bertls schneidige Antwort: „Mia brauchan uns ned ostrenga und machen die vier Gewölbe voll…“ Fischhaber stand damals die Verblüffung im Gesicht, doch die Freunde konnten ihn schnell überzeugen: „Wenn ma was macha, dann mach mas g’scheid!“ Seitdem sind sie bei einigen Feierlichkeiten im Einsatz gewesen, sei es jüngst mit historischen Rädern die Innenstadt zu dekorieren, eine gesamte Wirtshausstube zum Jubiläum im Foyer des Waitzinger Kellers zu errichten oder beim Trachtenmarkt und beim historischen Fahrzeugtreffen ganze Szenarien aufzubauen und auszuschmücken. Wichtig sei immer ein gutes Motto für eine Aktion zu haben, dann kommt eines zum anderen und sie spornen sich auch gegenseitig an. Für nächstes Jahr haben sie schon wieder ein Großprojekt in Planung – was? - wird natürlich noch nicht verraten und sie hoffen es trotz Pandemie durchführen zu können.

 

Stattlich schick – Waitzinger Freunde durch und durch

Bertl ist eigentlich Elektriker und Robert ist gelernter Koch, feiert aber dieses Jahr sein 30-jähriges Dienstjubiläum am Wertstoffhof in Miesbach. Dass ihr Herz jedoch zum großen Teil für ihre Leidenschaft schlägt, beweisen sie abermals durch ihre Kleidung: vor einigen Jahren kamen sie auf die Idee sich einheitliche Westen im Schnitt der früheren Bierkutscher schneidern zu lassen, um beim Maßkrugschieben auch angemessen gekleidet zu sein und damit nicht genug: die Knöpfe der blauen Westen sind, wie könnte es anders sein, aus alten Biermarken. Nach vielen interessanten Geschichten rückt Robert noch mit der Sensation des Tages raus. Eine Premiere extra für unser Interview: er hat sich einen neuen Lederhosenträger sticken lassen, der die Waitzinger Lisl als Motiv zeigt. Dieses Bild einer Brauereibedienung thront unter anderem über der Bühne des Kulturzentrums Waitzinger Kellers, eines der ehemaligen Brauereigebäude. Und heute trägt er ihn zum ersten Mal – „für des leb i hoid, des gfoit mia“, sagt er ganz bescheiden. Welch Ehre für unsere Stadtgeschichte!

Bertl fasst es philosophisch in Worte: „Der Waitzinger ist verloren gegangen, es gab nur noch Keller, Gasthof und Wiese…aber mehr wussten viele darüber nicht mehr… dann ist die Geschichte wieder auferstanden und auf einmal bist du ein Teil von Miesbach…“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: wer im Keller, am Speicher oder auch im Küchenschrank etwas von der Waitzinger Brauerei findet, der möge doch an diese engagierte Truppe denken oder wer Lust hat selbst Sammlerfreund zu werden, meldet sich am besten bei Bertl Moser unter 0174-1857600.

In diesem Sinne: Nicht nur Hopfen und Malz – Gott erhalt’s!

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Max Kalup

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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