Portiunkulakirche mit Kloster, © Isabella Krobisch
Mannhardt Uhr, © Isabella Krobisch

Die Mannhardt-Uhr in der Portiunkulakirche

Eine Geschichte von Aufopferung und Gottvertrauen – und sogar von Hinrichtungen und Kriegen! Das alles kann man erfahren, wenn man sich mit der Geschichte der Portiunkulakirche beschäftigt.
Die Portiunkulakirche oberhalb der Altstadt ist ein Schmuckstück Miesbachs. Sie grüßt mit ihrer Kuppel und dem Spitzhelm des Turmes über die Dächer. Der vertraute Blick der Miesbacher geht gerne hinauf, auch wenn der Weg hinauf manchmal auch zu schwer sein mag – die Miesbacher mögen ihre Portiunkulakirche!

Bevor Ihnen die Uhr der Kirche vorgestellt wird, erlauben Sie mir einen etwas längeren Ausflug in die Geschichte der Portiunkulakirche.
 

Die Geschichte der Portiunkulakirche vorab

Das Kirchlein hat eine ungewöhnliche Geschichte. Schon ein kleiner Einblick in die erhaltenen Quellen zeigt, dass da noch einiges im Dunkeln liegen müsste. Bekannt ist, dass sie 1644 vom damaligen Reichsgrafen von Hohenwaldeck, Wilhelm IV. von Maxlrain, in seinem Testament gestiftet wurde. Sein Universalerbe Graf Max Kurz auf Senftenau sollte sie nach seinem Tode errichten. 1655 starb Graf Wilhelm und sein Erbe hatte keine große Eile, die Verfügung umzusetzen. Vielleicht lag es daran, dass der verheerende Dreißigjährige Krieg erst wenige Jahre zuvor zu Ende gegangen war. Außerdem befand sich am Standort schon eine alte Kapelle – leider wissen wir über deren Alter und Aussehen nichts mehr. Ob sie im Zusammenhang mit der 1114 erwähnten Burg stand? Man weiß es nicht.

Als Baujahr der Portiunkulakirche wird allgemein das Jahr 1659 angenommen, wobei sich in den Quellen dazu nur ungewisse Angaben finden. Gleichzeitig war – wie im Testament gefordert – ein Benefizium gestiftet worden, um auch deren Unterhalt zu sichern. Das Benefizium, also geistliche Betreuung und baulicher Unterhalt, waren entgegen des Willens des Erblassers zunächst mit dem Kloster Beyharting verbunden worden. 1660 bewilligte der Freisinger Bischof das Zelebrieren von Messen, eine Weihe ist nicht überliefert. Ihr Patrozinium wird damals „Festum Portiunculae divinae virginis angelorum“ genannt, zeitgenössisch eingedeutscht in „Jungfrau Maria zu den Heiligen Engeln oder Portiunkula“ – und schon von Anfang an kurz: Portiunkulakirche.

1725 erwirkte der Miesbacher Pfarrer Seinsheim beim Papst in Rom einen Portiunkulablass, der für ewige Zeiten an die Kirche gebunden ist. Nach jahrelangen Bemühungen gelang dem letzten Grafen von Hohenwaldeck, Johann Joseph von Maxlrain, 1734 die Ablösung des Benefiziums vom Kloster Beyharting und erstmals wurde mit Benedikt Straßmayr ein eigener Benefiziat bestellt.
 

Große Bedeutung und Niedergang

Eine bedeutende Rolle kam dem bescheidenen Kirchlein nach dem großen Ortsbrand von 1783 zu: Da die Pfarrkirche ein Opfer der Flammen geworden war, fanden bis zu deren Wiedereinweihung 1786 die Pfarrgottesdienste in der Portiunkulakirche statt. Als 1789 der Benefiziat Sixtus Kirschenhofer starb, nutzte Pfarrer Edtmiller die Gelegenheit, das Benefizium an die Pfarrei zu ziehen: die Einnahmen sollten nun der Schule und der durch den Brand geschädigten Pfarrkirche dienen. Einerseits war das Nutzen der Einnahmen wichtig für den Wiederaufbau des Gemeinwesens, andererseits stand die Portiunkulakirche dadurch ohne Unterhalt da und wurde demgemäß 1809 von der bayerischen Kirchenadministration als entbehrlich eingestuft und dann 1811 auf Abbruch versteigert. Die politische Gemeinde erwarb daraufhin das Kirchlein, um es so vor der Demolierung zu retten. Erst 1972 kam die Kirche wieder in den Besitz der Pfarrgemeinde.

Dramatisch war der Einschnitt, den die Napoleonischen Kriege brachten. Im Jahr 1800 besetzten die Franzosen Miesbach und machten aus der Kirche einen Pferdestall. In den nachfolgenden Jahren war wiederholt ein Heu- und Proviantmagazin dort untergebracht.

Pfarrer Simon Schmid erreichte schon 1817 beim Ordinariat und der königlichen Regierung die Erlaubnis, in der Kirche wieder Gottesdienste abhalten zu dürfen. Trotzdem hatte der Zustand der Kirche offenbar stark gelitten, denn es folgten mehrere Restaurierungen, von der die von 1861/62 die bedeutendste war: Die Ausmalung im Nazarenerstil stammt aus dieser Zeit.

Übrigens war bereits 1816 daneben ein Haus für den Gerichtsdiener Huber errichtet worden. 1865 erwarben dies die Armen Schulschwestern. Sie erweiterten das Haus und betrieben hier bis 2005 eine Schule. Das Kloster wurde jüngst durch die Stadt saniert und wird als Kinderhaus der Öffentlichkeit dienen.
 

Die Uhr der Portiunkulakirche

1911 erhielt die Portiunkulakirche eine moderne Uhr aus der königlich bayerischen Hofturmuhrenfabrik J. Mannhardt in München. Sie ersetzte damals ein altes Uhrwerk. Der Miesbacher Anzeiger berichtete über die Neuanschaffung am 5. April 1911:

„Seit einigen Tagen ist die in dem Turme der hiesigen Portiunkulakirche befindliche alte eiserne Uhr in den längst verdienten Ruhestand versetzt und wird dieselbe aus Pietät und in Anbetracht des hohen Alters und der originellen alten Arbeit für die Zukunft ein nicht uninteressantes Stück des hiesigen Bezirksmuseums bilden. Mit dem heutigen Tage tritt eine neue Viertel und Stunden schlagende Uhr, erbaut von der bekannten Firma J. Mannhardt, Kgl. B. Hofturmuhrenfabrik (Vertreter Uhrmachermeister Hans Dietz in Miesbach) in Betrieb zur Freude des Klosters. Die Kosten der Uhr werden von einem Vermächtnis der Frau Privatiere Pettinger zu Gunsten der Portiunkulakirche bestritten.“

Dieser Bericht liefert einige Informationen zum Uhrwerk der Portiunkulakirche – sie sind auch fast die einzigen älteren Angaben die vorhanden sind. In allen alten Kirchenbeschreibungen und anderen Quellen wird zwar gerne über den Unterhalt der Kirche berichtet, auch werden diverse Details über den Kirchenbau oder deren Ausstattung aufgezählt – doch von einer Uhr ist fast nie die Rede. Ein einziger Hinweis findet sich im Pfarrarchiv, demzufolge 1876 der Bauer vom Vorderbacher, Sebastian Widmann, eine Turmuhr stiftete. Leider ist weiters nichts bekannt. Die ältesten Ansichten der Portiunkulakirche sind im Übrigen auch keine guten Quellen, denn das Ziffernblatt befindet sich auf der Ostseite und diese wurde nie abgebildet. Dieses historische Hilfsmittel scheidet daher aus.

Liest man den Zeitungsartikel von 1911 so wird klar, dass der Vorgänger der Mannhardt-Uhr ein altes Uhrwerk gewesen sein muss, wie es bis in das 19. Jahrhundert hinein gebaut worden ist. Es waren geschmiedete Werke und mehr handwerkliche als feinmechanische Arbeiten. Ihre Präzision mag ungewiss gewesen sein, der Charme hat sich auch erst für spätere Generationen erschlossen. Immerhin erkannte man 1911, dass das alte Uhrwerk erinnerungswürdig sei. Im Inventar des Heimatmuseums aus der Zeit um 1930 wird eine „eiserne Uhr mit Zifferblatt ohne Gewicht u. Kette“ genannt. Damit könnte die alte Uhr der Portiunkulakirche gemeint gewesen sein. Leider mussten im Zweiten Weltkrieg Metallgegenstände für Kriegszwecke abgegeben werden. Vermutlich war auch diese Uhr dabei.

Dass 1911 eine neue Uhr notwendig war, ergibt auch die Aufwertung der Portiunkulakirche in diesen Jahren. Seit 1865 betreuten die Armen Schulschwestern die Kirche. Sie wurde nun Schulkirche und damit häufiger genutzt als zuvor. 1901 hatten die Schwestern auf eigene Kosten einen größeren westlichen Anbau errichten lassen. In ihm fand eine neue Orgel Aufstellung.
 

Mannhardt und Miesbach

Dass man eine Uhr der Uhrenfabrik Mannhardt wählte, kam nicht von ungefähr. Dieser Hersteller genoss damals einen hervorragenden Ruf. Er lieferte Uhren in alle Welt, sogar nach Übersee und an bedeutende Kunden.

Zum anderen hatte der Gründer der Fabrik, Johann Mannhardt (1798-1878), eine wichtige Etappe seiner Ausbildung in Miesbach verbracht. Gebürtig aus der Nähe von Gmund, kam Mannhardt 1821 nach Miesbach und arbeitete beim Schlosser Fritz, der auch schon erste einfache Uhren herstellte. Hier soll das geniale Mechanikertalent Mannhardts 1827 entdeckt worden sein.

Mannhardt selbst hatte zwar zeitlebens mit seinen hervorragenden Uhrwerken großes Ansehen erworben, seine Fabrik führte er allerdings weniger erfolgreich: Hier machte sich seine mangelnde Schulbildung bemerkbar, denn es fehlte ihm das kaufmännische Wissen. Trotzdem blieb die Fabrik auch nach seinem Tode bestehen und bestand noch bis 1928. Sogar ein Netz von Firmenagenten oder Vertretern gab es, wie den Miesbacher Uhrmachermeister Hans Diez. Dieser besaß ein Geschäft am Stadtplatz und war ein früherer Förderer des Heimatmuseums. Und er stellte den Kontakt her, die Mannhardt-Uhr nach Miesbach zu liefern. Das besondere der Mannhardt-Uhren sind freischwingende Pendel und das Vorhandensein von nur einer Hemmung.



Guillotine und Turmuhr?

Seine mechanischen Fähigkeiten stellte Johann Mannhardt auch bei der Verbesserung und Entwicklung mehrerer Maschinen unter Beweis die nichts mit Zeitmessung zu tun hatten. Am meisten Aufsehen erregte vor einigen Jahren erst die Entdeckung, dass Mannhardt auch die von den bayerischen Scharfrichtern benutzte Guillotine im Jahre 1854 hergestellt hatte. Wegen ihrer besonderen Mechanik wurde sie auch Mannhardt-Fallbeil genannt. Sie war rund 90 Jahre im Einsatz und mit ihr wurden 1943 etwa die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl hingerichtet.

 

Die Stifterin der Mannhardt-Uhr

Der oben genannte Zeitungsartikel erwähnt als Stifterin der Uhr die Privatiere Pettinger. Damit ist Maria Pettinger, geb. Edlmaier (1849-1910) gemeint. Sie hinterließ nach ihrem kinderlosen Tode der Marktgemeinde Miesbach, der damaligen Eigentümerin der Portiunkulakirche, das Geld zum Ankauf der Turmuhr. Maria Pettinger war viele Jahre Bäuerin des Hofes Sulzgraben auf der Parsberger Höhe gewesen. 1869 hatte sie den Berghamer Bauernsohn Lorenz Pettinger (1839-1907) geheiratet, der mit ihr den Hof führte. Da das Paar keine Kinder hatte, verkauften sie 1901 den Hof und erwarben am Miesbacher Marktplatz ein Wohnhaus, wo sie ihren Lebensabend verbrachten. Der zeitgenössische Begriff „Privatiere“ wurde gerne für Frauen verwendet, welche von ihrem Vermögen leben konnten und nicht mehr arbeiten mussten.

 

Was macht die Mannhardt-Uhr heute?

Bei der Renovierung der Portiunkulakirche um 1970 wurde die alte mechanische Mannhardt-Uhr außer Dienst gestellt. Dafür wurde eine elektronische Uhr eingerichtet. Da der alte Uhrenkasten allerdings schwer aus dem Turm herauszubekommen wäre, entschied man sich, ihn an Ort und Stelle zu belassen.
Falls es mal wieder eine ausführliche Führung durch die Portiunkulakirche gibt, gehen Sie hin und besichtigen Sie die Mannhardt-Uhr!

 

Text: Alexander Langheiter
Fotos: Isabella Krobisch

Impressionen

Portiunkulakirche, © Isabella Krobisch
Portiunkulakirche

© Isabella Krobisch

Portiunkulakirche mit Kloster, © Isabella Krobisch
Portiunkulakirche mit Kloster

© Isabella Krobisch

Turm von Innen in der Portiunkulakirche, © Isabella Krobisch
Turm von Innen

© Isabella Krobisch

Turmtreppe in der Portiunkulakirche, © Isabella Krobisch
Turmtreppe in der Portiunkulakirche

© Isabella Krobisch

Mannhardt Uhr, © Isabella Krobisch
Mannhardt Uhr

© Isabella Krobisch