Hofladen Leitzachmühle, © Selina Benda
Hofladen Leitzachmühle, © Selina Benda

Die geschichtsträchtige Leitzachmühle

Direkt neben ihrem namensgebenden Fluss steht sie, die Leitzachmühle. Jeder der von Miesbach den Weg ins Leitzachtal fährt, kommt zwangsläufig am ältesten Gewerbebetrieb der Stadt, im Ortsteil Leitzach, vorbei. Ein Blick in den Betrieb einer der wenigen verbliebenen Mühlen im Land.

 

Geschäftiges Treiben

Es herrscht geschäftiges Treiben in dem alten Gebäude an der Leitzach. Ständig klingelt ein Telefon, Kunden und Mitarbeiter geben sich an der Tür zum kleinen Mühlenladen die Klinke in die Hand und wer kurz still steht, spürt deutlich das leichte Vibrieren des Gebäudes. Die meiste Zeit liegt ein gleichbleibendes dumpfes Dröhnen in der Luft. Verklingt dieses für einen Moment, blickt Norbert Seeger kurz stutzig auf, horcht bis es wieder anfängt oder rennt schnell zur Tür hinaus, wenn nicht. Der Müllermeister und seine Mitarbeiter laufen wohl tausende Stufen am Tag, hinauf und wieder hinab - im Mühlenturm, rund ums Haus zu den Silos hinüber oder von einem Eck im Gebäude ins andere. Wirklich Ruhe herrscht in der Mühle eigentlich fast nie. „Wir sind ein 24 Stunden-Betrieb“, sagt Seeger. Der Geschäftsführer der Leitzachmühle hat bereits seit 1989 die Federführung des Betriebs in der Hand, übernommen von seinem Vater Karl Seeger. Dieser folgte 1956 einer Stellenausschreibung des Leitzachtalvereins, der die Mühle im Jahr 1932 gekauft hatte. Der Müllermeister packte daraufhin seine Frau und den einjährigen Sohn ein und übernahm geschäftsführend den Betrieb in der Mühle.

 

Müller mit Leib und Seele

Norbert wuchs dort zwischen Getreidesäcken und Mahlmaschinen auf, ist in den vergangenen 66 Jahren bestimmt schon eine Million Mal die Treppen in dem mittlerweile 138 Jahre alten Mühlenturm auf und ab gelaufen und kennt den Betrieb in und auswendig. Nach seinem Abitur musste er als junger Mann in die Bundeswehr und begann danach seine Ausbildung zum Müller in Dorfen und Hohenlinden. Seit 1976 ist der heute 67-Jährige fest in der Leitzachmühle angestellt und zählt mittlerweile elf Vollzeit- und fünf Teilzeitkräfte zu seinem Team. Seeger ist Müller mit Leib und Seele: „Niemand hat mich zu diesem Beruf gezwungen, das war meine eigene Entscheidung und ich würde es immer wieder machen“, sagt er stolz. Selbst bei viel Stress, immer mal wieder Personalnot und wie aktuell, täglich neuen Preisen auf dem Getreidemarkt – „ich bin zufrieden“, schmunzelt Seeger. Eine solch wichtige und sinnvolle Tätigkeit zu verrichten, sei einfach schön. Trotzdem freut sich Norbert Seeger immer auf Samstagmittag, denn dann kehrt etwas mehr Ruhe in und um die Mühle herum ein und vor allem: „Dann hört endlich das Telefon auf zu klingeln“, lacht der Seniorchef.

Neben ihm ist auch sein Schwiegersohn Johannes Spann Müllermeister im Betrieb. Eigentlich war der 41-Jährige immer auf Achse als Schreinermeister, doch als er eine von Seegers drei Töchtern kennen lernte, kam der Gedanke ans Sesshaft werden auf. „Mich hat der Beruf Müller, mit der extremen Vielfalt an Tätigkeiten, gleich fasziniert“, erinnert sich Spann. Gleichzeitig technische Gerätschaften bedienen und mit einem natürlichen Produkt arbeiten – „das ist das Tolle an diesem Beruf“, schwärmt er. Eine Umschulung und sechs Arbeitsjahre später, soll Spann dieses Jahr nun die Geschäftsführung im Leitzachtal übernehmen. Mit einer der letzten verbliebenen 185 Mühlen (Stand 2021) in Deutschland, die über 1000 Tonnen Getreide im Jahr verarbeiten, übernimmt Spann damit auch eine große Verantwortung. Die ständig wechselnde Situation auf dem Weltmarkt, die Abhängigkeit von den Ernten und wenig Personalnachwuchs – der Betrieb hängt von vielen Faktoren ab. Die Leitzachmühle jedoch hat bisher allen Widrigkeiten getrotzt.

Ein Hauptgrund dafür ist die Bandbreite an Geschäftszweigen. Denn neben der Produktion von 18 verschiedenen Mehlsorten für den Hofladen sowie viele Bäckereien, stellen Seeger und seine Mitarbeiter auch Futtermittel für Milchviehbetriebe her. Auch die Logistik wird mit vier eigenen LKW‘s selbst übernommen, welche die Endprodukte nicht nur regional, sondern vom Werdenfelser bis ins Berchtesgadener Land und sogar über die Grenze bis nach Tirol ausliefern. Neben „Unser Land“-Produkten wird im Leitzachtal auch Demeter-Getreide für etwa zehn Demeter-Bäckereien verarbeitet. Nach Bedarf werden täglich etwa 30 Tonnen Mehl aus Weizen-, Roggen- und Dinkelkörnern gewonnen. Für das Futtermittel verarbeiten Seeger und sein Team auch Gerste, Hafer, Mais und Rapsschrot. „In einem normalen Erntejahr beziehen wir unsere Rohstoffe fast ausschließlich aus Bayern“, sagt Seeger. Derzeit kosten 100 Kilogramm Mehl etwa 60 Euro, als der Seniorchef als Müller zu arbeiten begann, kostete die gleiche Menge rund 80 Mark.

 

Vom Korn zum Mehl

Bis ein kleines Getreidekorn jedoch Teil eines Sackes Mehl wird, bedarf es einiger Arbeitsschritte dazwischen. Zunächst wird das von den Speditionen und umliegenden Landwirten gelieferte Getreide kontrolliert und in den Zellen im Getreideturm eingelagert. Anhand einer Analyse der verschiedenen Qualitätsstufen, wird dann eine Mischung gemacht, die ganz nach oben in den Turm der Mühle gezogen wird. Dieser ist übrigens deshalb so hoch und schmal, weil die Produktion vor allem mit Schwerkraft geschieht. In vielen verschiedenen Rohren rutscht das Getreide den Mühlenturm nach unten, um dann wieder nach oben gezogen zu werden. Dazwischen wird es von Steinen und Erde befreit und jedes Korn mit Luftdruck gereinigt. Nach 16 Mahlstufen hat der Rohstoff dann verkaufsfähige Qualität erreicht. Der Unterschied zwischen hellem und dunklem Mehl liegt übrigens nicht in der Granulation, sondern im Anteil der Schale im Mehl. Die klassische Sonntagssemmel kann man sich laut Seeger genauso schmecken lassen, wie die oft als gesündere Variante bezeichnete Vollkornversion. „Die Mischung machts“, sagt er augenzwinkernd.

 

Mit der Wasserkraft der Leitzach

Die Leitzachmühle in Leitzach hat schon so manche Veränderung mitgemacht. Bereits viermal wurde die Technik erneuert, 1986 kam die Mehlsiloanlage hinzu und 1998 wurde das alte Getreidesilo durch ein Neues ersetzt. Der Schritt in die Technisierung hat laut Seeger den Fortbestand der Mühle gesichert. Denn als das Mehl nicht mehr nur in Säcken, sondern in Silos auf dem LKW ausgeliefert werden konnte, stieg auch die Produktionskapazität und machte den vergleichsweise kleinen Betrieb konkurrenzfähig. In den nächsten Wochen wird die neue Futtermühle fertig gestellt und in Seegers Kopf stehen schon weitere Pläne an. Damals wie heute wird die Mühle durch die Wasserkraft der Leitzach betrieben. Auch wenn der Seniorchef das Zepter in diesem Jahr an seinen Schwiegersohn weitergibt, viele Pausen gönnt sich der sechsfache Großvater auch in seinem vermeintlichen Ruhestand nicht. Denn wer sein Leben lang, jeden Tag die Treppen der Leitzachmühle rauf und runter gelaufen ist, der wird das auch weiterhin tun, denn – „wennst stehn bleibst, dann hast verloren“, schmunzelt Norbert Seeger.

 

Kontakt:

Hofladen Leitzachmühle

Mühlenweg 3

83714 Miesbach

Tel.: 08025 6303

 

Öffnungszeiten:

Montag – Samstag von 08:00 – 12:00 Uhr

Montag – Freitag von 13:00 – 17:00 Uhr

 

Text und Bild: Selina Benda

Impressionen

Leitzachmühle außen, © Selina Benda
Leitzachmühle außen

© Selina Benda

Fam. Seeger vor der Leitzachmühle, © Selina Benda
Fam. Seeger vor der Leitzachmühle

© Selina Benda

Hofladen Leitzachmühle, © Selina Benda
Hofladen Leitzachmühle

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Hofladen Leitzachmühle, © Selina Benda
Hofladen Leitzachmühle

© Selina Benda

Mehlsäcke, © Selina Benda
Mehlsäcke

© Selina Benda