Die Goldsetzerin, © Selina Benda
Kerstin Köglmeier, © Selina Benda

Die Geschichte der Goldsetzerin

Es gibt sie, diese Momente in denen man erkennt, dass das Schicksal wohl doch einen Plan hat. So scheint es jedenfalls bei Kerstin Köglmeier zu sein, deren Lebenswege sie nach Miesbach führten, wo sie nun als „Die Goldsetzerin“ an einem ganz besonderen Ort arbeitet.

 

Seit 1980 gehören die zwei großen Schaufenster am Miesbacher Marktplatz zum Stadtbild dazu. Über vier Jahrzehnte hinweg gaben sie den Blick auf die beliebte Marktapotheke von Franz Ranft frei, welche Ende 2021 ihre Türen für immer schloss. Doch wer aufmerksam daran vorbeiläuft, hat sicherlich schon bemerkt, dass hinter den Glasscheiben wieder dekoriert ist. Die Schmuckstücke in der Auslage und der Schriftzug „Die Goldsetzerin“ lassen erahnen, dass in den Räumlichkeiten nun keine Kräuter und Medizin mehr verkauft werden. Betritt man über die kleine Stufe das Atelier von Kerstin Köglmeier, taucht man in eine völlig neue Welt ab.

 

Das Schicksal hatte andere Pläne

Als die in Göttingen geborene und ausgebildete Buchhalterin ihr Publizistikstudium abschloss, hätte sie wohl niemals gedacht, 27 Jahre später einmal im tiefsten Bayern als Goldschmiedin ihr eigenes Atelier zu besitzen. Doch das Schicksal hatte für Kerstin Köglmeier einen anderen Plan. Denn als sie ihren damaligen Mann, einen Gold- und Silberschmied, kennenlernte und der gemeinsame Sohn ein paar Jahre später in den Kindergarten ging, setzte sie sich zum ersten Mal an einen der Arbeitstische in der Werkstatt und verfiel der Arbeit mit den Edelmetallen. „Ich habe darin eine Erfüllung erfahren, die einfach unbeschreiblich ist“, erzählt sie. Am Werktisch zu sitzen und ihre Ideen mit den eigenen Händen in etwas Haptisches zu formen, sei fantastisch. „Ich liebe es zu schmieden und zu montieren, mit dem Hammer am Amboss aus einem Klumpen Gold etwas Schönes zu gestalten.“

 

Ein komplexer Beruf

Nach sieben Jahren autodidaktischem Arbeiten, entschied sich Kerstin Köglmeier, eine Ausbildung zur Goldschmiedin zu machen. „Bis dahin hatte ich gelernt zu experimentieren und meine Ideen umzusetzen. Jedoch kommt man dabei schnell an seine Grenzen, wenn man das Handwerk nicht gelernt hat.“ Der Beruf des Goldschmieds sei so viel mehr, als nur mit Hammer und Amboss zu arbeiten: „Das ist unglaublich komplex, intellektuell und handwerklich zugleich. Eine Mischung aus Chemie und Metallogie, das Beherrschen der Elemente und der Umgang mit edlen Metallen.“ Ihre klassisch-traditionelle Ausbildung schloss sie in der Stöckheim Manufaktur in Braunschweig ab und hatte in dem bekannten Silberschmied Werner Oehlschlaeger einen präzisen Altmeister gefunden. „War ein fertiges Stück nicht perfekt, musste ich es auf den Amboss legen und selbst mit dem Hammer zerstören. Das wiederholte sich so oft, bis ich die Geduld besaß, mich komplett zu fokussieren und es perfekt anzufertigen“, erinnert sich die heute 53-Jährige an die lehrreiche Zeit.

 

Die nächste Kehrtwende

All dies sei nötig gewesen, um sich heute nicht mehr mangels handwerklichen Könnens in der Umsetzung ihrer eigenen Ideen oder die der Kundenwünsche limitieren zu lassen. „So etwas können meine Hände, das ist doch der Wahnsinn oder?“ sagt sie strahlend, eine goldene Kette mit verschiedenen gefassten Edelsteinen in der Hand. „Mit dem was ich kann, den Menschen eine Freude machen – das ist meine Bestimmung“, ist sich die Goldschmiedin sicher. Jedes ihrer Schmuckstücke ist ein Unikat. „Ich mache alles selbst, vom Ankauf des Materials bis hin zum legieren, schmelzen und schmieden.“ Nach ihrer Ausbildung führte sie ihr Weg zunächst nach München in ihr erstes eigenes Atelier in Nymphenburg und anschließend in die Künstlerkolonie im Botanikum. Doch nach elf Jahren in der bayerischen Hauptstadt, machte das Leben wieder eine Kehrtwende. Sie lernte ihren heutigen Mann Gerhard Köglmeier kennen, der in Miesbach Schreiner ist. Als sie im Juli 2018 in die Kreisstadt zog, führte sie ihr erster Weg – wie sollte es auch anders sein – in die Marktapotheke. „Ich war sofort völlig fasziniert von diesen wunderschönen Räumen“, erinnert sich Kerstin Köglmeier.

 

Ein ganz besonderer Ort

Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sie im Oktober 2022 dort ihr Atelier eröffnete. „Das war überhaupt nicht geplant, ich habe in meiner kleinen Werkstatt unterm Dach bei uns zuhause fröhlich vor mich hingearbeitet.“ Bei einem Besuch im benachbarten Café Hutfabrik sah ihr Mann die leerstehenden Räume. Die Goldschmiedin fackelte nicht lange, vereinbarte einen Besichtigungstermin und war der positiven Aura des Ortes sofort verfallen. Zunächst war nur geplant, ihren Schmuck für drei Monate in den Schaufenstern auszustellen, doch schnell erkannte Kerstin Köglmeier, dass sie dort sesshaft werden wollte. „Ich hatte sofort das Gefühl, dass dies ein freundlicher Ort ist, an dem die Leute gerne sind“, erinnert sie sich. Wie ein verlängertes Wohnzimmer, ein Ort an dem die Zeit stillsteht, wo unterschiedliche Menschen zusammenkommen und schöne Begegnungen stattfinden.

 

Eine Welt und ihre Geschichten

„Für meine Arbeit brauche ich den Fokus und die Ruhe meiner Werkstatt unterm Dach. Wenn ich hier im Atelier bin, kann ich mich dadurch ganz auf die Kunden einlassen und freue mich über jeden, der hier reinkommt“, sagt sie. Das, was zwischen dem Betreten und dem Verlassen ihres Ladens geschehe, sei ihr besonders wichtig. Dann gibt es schon auch mal ein Stück Apfelkuchen und eine Tasse Espresso oder ein Gläschen Wein am Abend mit frisch geschnittenem Prosciutto und Käse und einer Reihe von Geschichten aus Kerstin Köglmeiers Leben. Von ihren zahlreichen Reisen, ihrer tiefen Verbundenheit zu Rom und den gemeinsamen Motorradausflügen mit ihrem Mann. Das Atelier der Goldschmiedin ist nicht nur ein Verkaufsraum, es ist eine Oase der Details und kleinen Wunderlichkeiten. „Hier kommen nur Stücke mit einer schönen Geschichte rein“, erzählt sie. Egal ob die Hingucker in ihrer Lieblingsfarbe gelb, die Fundstücke der zahlreichen Beutezüge auf italienischen Flohmärkten oder die selbstgeschreinerte Theke aus Eichenbohlen – zu jedem Gegenstand gibt es eine Erzählung.

 

Faszination Miesbach

Kerstin Köglmeier hat in Miesbach einen Ort gefunden, wo sie ihre Träume verwirklichen kann. „Ich erzähle Geschichten mit der Dekoration der Räume und Schaufenster im Atelier, dadurch kann sich meine Kreativität entfalten. Ich nehme dadurch wieder neue Ideen mit in meine Werkstatt, um sie für meine Kunden umzusetzen.“ Wenn die Temperaturen wieder steigen, möchte sie dies auch vor die Türen ihres Ladens hinaustragen, denn die Miesbacher Altstadt ist für sie ein faszinierender Ort. „Hier funktioniert der Einzelhandel noch richtig. Die ganzen kleinen Geschäfte und Gastronomien in den Gassen - das hat eine Art italienischen Flair.“ Schon die Marktapotheke sei etwas ganz Besonderes gewesen, sagt sie. Mit ihrem Atelier führt „Die Goldsetzerin“ diese Tradition auf ihre ganz eigene Weise fort.

 

Text und Fotos: Selina Benda

Impressionen

Die Goldsetzerin, © Selina Benda
Die Goldsetzerin

© Selina Benda

Kerstin Köglmeier, © Selina Benda
Kerstin Köglmeier

© Selina Benda

Die Goldsetzerin, © Selina Benda
Die Goldsetzerin

© Selina Benda

Die Goldsetzerin, © Selina Benda
Die Goldsetzerin

© Selina Benda