Archiv, © Florian Bachmeier
Barbara Wank im Gespräch, © Verena Wolf

Barbara Wank - die Hüterin unserer Geschichtsdaten

Barbara Wank - die Hüterin unserer Geschichtsdaten

Es gibt Menschen, zu denen hat man sofort Vertrauen. Es sind Menschen wie Barbara Wank, in deren Händen das Archiv unserer Stadt liegt.

 

Mit Herz und Verstand

Wer das Gedächtnis der Stadt Miesbach besuchen will, tritt in den Rathaus-Fahrstuhl, drückt auf den Knopf „Archiv“ und steht in Sekundenschnelle in der ehemaligen Hausmeisterwohnung im zweiten Stock. Die Räume mit dem Blick über die Dächer der Stadt sind heute zum Archiv umgebaut. Hier ist der Arbeitsplatz von Barbara Wank, die die wichtigsten Dokumente unserer Stadtgeschichte betreut und ständig aktualisiert. Es ist die Vielseitigkeit der Aufgaben, die Barbara Wank täglich aufs Neue begeistert. „Natürlich ist es wichtig, die Geschichte der Herrscher zu kennen, aber mich hat schon immer die Geschichte der kleinen Leute interessiert“, gesteht die studierte Volkskundlerin. „Ihre Lebenszeugnisse sind oft nicht bewahrt. Umso schöner ist es, wenn ich zum Beispiel im Archiv auf Spuren ihres Lebens stoße.“ Deshalb macht es ihr besonders Freude, wenn sie neue Unterlagen übernehmen kann. Das Material zu sichern und auf Dauer zu verwahren, die Inhalte zu erschließen und auszuwerten – das ist der Mittelpunkt der Arbeit. „Ja. Es ist ein ganzer Reigen von Tätigkeiten“, Barbara Wank nickt.

 

Immer nah am Menschen

Doch damit nicht genug: Die Dokumentation der Archivalien ist nur eine Seite – die Inhalte sollen ja möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht werden. Weil also auch die Präsentation der Archivalien zu ihren Aufgaben gehört, gestaltet sie Ausstellungen, erarbeitet Chroniken, schreibt Artikel oder hält Vorträge in den Schulen. „Ja, es ist ein vielseitiger Beruf“, sagt Barbara Wank mit einem Lächeln „aber das Schönste ist, dass ich viele interessante und nette Menschen kennenlerne. Es sind Menschen, die alle eins gemeinsam haben: Die Überzeugung, dass man in der Geschichte etwas für die Zukunft lernen kann.“ Deshalb macht es ihr auch besonders Spaß, wenn Benützer des Archives sich an sie wenden.

Barbara Wank wurde 1963 in Miesbach geboren. Ihr Elternhaus, die Metzgerei Wank (früher Mukl / Nestler) in der Frühlingsstraße hat die engagierte Miesbacherin inzwischen gegen eine Wohnung in München getauscht, dort ist auch ihre Tochter Louisa groß geworden. Täglich pendelt sie nach Miesbach. „Für mich ist es ein Glück, dass das Rathaus 1880 gleich neben dem Bahnhof gebaut wurde“, sagt sie mit dem feinen Schmunzeln, das typisch für sie ist. Rund 350 Meter an unterschiedlichstem Material sind bei ihr in besten Händen.

Wohl geordnet umfasst das Archiv, dessen Anfänge bis in die Zeit der Waldecker Grafen zurück reichen, eine solche Menge an Archivalien, dass Unkundige schier verloren wären: Akten, Urkunden, Pläne, Jahresbücher der Schulen, Stiftbücher, Skizzen, Zunftakten, Rechnungen, Briefe, Postkarten, Broschüren aus fast vier Jahrhunderten sind hier versammelt.

 

Die ganze Fülle kennen

„Zu unseren größten Schätzen gehören Briefe aus den Napoleonischen Kriegen – da ist man beim Lesen mittendrin in den Schlachten und spürt die Angst und die Hoffnung der jungen Männer, gesund wieder nach Hause zu kommen“, berichtet Barbara Wank. Viel Platz nehmen natürlich die gesammelten Ausgaben des Miesbacher Anzeigers / Miesbacher Merkur ein. „Unser Zeitschriftenarchiv ist etwas ganz Besonderes“, sagt Barbara Wank mit Nachdruck: „Wenn man eine Zeitung nur aufschlägt, ist man schon am Puls der Zeit. Es ist wie ein Sprung mitten ins Geschehen mit all den Informationen einer längst vergangenen Zeit.“ Neben den großen Chroniken der Stadt (Obernberg, Wallach, Gasteiger, Maier, Langheiter) wird auch der Gloetzl-Nachlass mit Fotos, Briefen und anderen Zeitdokumenten aufbewahrt. Ein ganzer Raum ist dem größten Sohn der Stadt gewidmet. Hier ruht seit 2017 das Schad-Archiv mit Originalen des Künstlers und Literatur über ihn, herausgegeben vom Verlegerehepaar Richter. Ein Glück, dass sich Barbara Wank in den deckenhohen Regalen so gut auskennt. Mit traumhafter Sicherheit holt sie Schätze wie alte Fotos, Bilder, Zeitungsartikel, Sonderveröffentlichungen oder Spezialliteratur hervor. Schier unerschöpflich wie ihr Wissen ist auch ihre Geduld, sodass jeder, der für seine Arbeit etwas Bestimmtes sucht, sich gut aufgehoben weiß.

 

Neu in Miesbach: Oral history

Aus dem Ansatz, die Vergangenheit der Stadt sorgfältig zu sichten und zu bewahren, entstand in engster Zusammenarbeit mit dem Kulturamt Waitzinger Keller ein neues Großprojekt. In loser Abfolge interviewt Barbara Wank ältere Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die sich noch gut an die Vergangenheit erinnern und wahre Begebenheiten erzählen können. Bisher haben schon Dr. Böhm (der letzte Bergwerksdirektor / Hausham), Karl Dirscherl Senior und Elisabeth Gürtler über ihre Erinnerungen an Kindheit, Jugend, Ausbildung und die Jahre des Wiederaufbaus gesprochen. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bezeichnet das Sammeln mündlicher Überlieferung aus erster Hand.

Für die Archivarin sind besonders Überlieferungen aus der NS-Zeit, aus dem Krieg und der Nachkriegszeit von unschätzbarem Wert. Hier ist das Material bisher nur äußerst spärlich vorhanden – nicht nur weil gegen Kriegsende belastende Schriftstücke systematisch vernichtet worden. Das Rathaus wurde in den Wirren des Kriegsendes im Mai 1945 mehrmals geplündert, wobei weitere Akten verschwanden. „Das ist unendlich schade, denn so drohen viele Ereignisse, die die Menschen unserer Stadt erlebt haben, für immer in Vergessenheit zu geraten.“

 

Zu Besuch in der eigenen Vergangenheit

Spannend sind die Termine allemal, denn im gemeinsamen Gespräch unternehmen Barbara Wank und der Interviewpartner eine interessante Zeitreise. Da wird nicht nur die eigene Vergangenheit wieder lebendig. Auch die Menschen, die man in der Jugend gekannt hat, und Miesbach, wie es einmal aussah, erstehen wieder auf. Besonders günstig ist es, wenn noch Fotos, Plakate oder Briefe existieren. So ein Gespräch, das vor Ort aufgezeichnet, später abgetippt und archiviert wird, ist wie eine Konserve, in der für alle Zeiten kostbare Lebenserinnerungen aufbewahrt werden. „Oral history ist eine wunderbare Ergänzung zu den Schriftzeugnissen, die meistens formell und allgemein gehalten sind. Hier wird Alltags- und Erinnerungsgeschichte persönlich und individuell spürbar und dadurch hoch emotional. Und das eröffnet nochmals einen anderen Blick auf die Stadtgeschichte.“

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Florian Bachmeier, Verena Wolf

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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MB_Wochenmarkt-0081_1920x1280
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