Andrea Wehrmann, © privat
Andrea Wehrmann, © Manfred Wehrmann

Andrea Wehrmann und die Musik

Andrea Wehrmann und die Musik

Können Sie sich noch an die berührende Musik erinnern, die in der schwersten Coronazeit aus der Apostelkirche klang? Dieses Orgel-Projekt „Musik am Markttag“ war nur eines von vielen Projekten unserer Kulturpreisträgerin Andrea Wehrmann.

 

Immer eine gute Idee

Es ist ein besonders schöner Tag im September. Im Garten der AWO hat sich schon der Chor rund um Andrea Wehrmann versammelt, die in ihrer orangefarbene Hose wie eine schöne Herbstblume strahlt. Da die Corona-Schutzmaßnahmen nur eingeschränkte Besuche erlauben, hat sich Andrea Wehrmann für die Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims an der Albert-Schweitzer-Straße etwas ausgedacht: „Wir singen für euch“, heißt die Aktion, mit der der Seniorenchor „65+“ den Bewohnern in der AWO eine Freude bereiten will. Mit einem Mitklatsch-Lied geht es los und schon springt der Funke über. Stimmung kommt auf und lässt unten den Chor und oben die Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Balkonen und Fenstern zu einer Einheit verschmelzen.

 

Musik als Lebenselixier

Es sind solche Momente, für die Andrea Wehrmann lebt und arbeitet. „Die Musik zu den Menschen bringen – das ist mir gerade in dieser Zeit ein besonderes Anliegen“, sagt die hochkreative Musikerin, die am 27. Januar 2019 für ihr großes Engagement mit dem Kulturpreis der Stadt ausgezeichnet wurde. Eine mehr als verdiente Auszeichnung, da fast alle Aktionen, mit denen Andrea Wehrmann der Stadt so viele großartige Musikerlebnisse schenkt, ehrenamtlich sind. Festangestellt ist sie nur für 20 Stunden als Kirchenmusikerin in der Apostelkirche. Alles andere macht sie „einfach so“: „Chorleiterin, Dirigentin, Organistin, Pianistin, Musikpädagogin, Komponistin, Sängerin und Kulturmanagerin“, so beschrieb 2019 in der Laudatio Kulturamtschefin Isabella Krobisch die fantastische Vielfältigkeit der Preisträgerin. Andrea Wehrmann, groß und schlank, hat mich zum Gespräch in den wild-romantischen Garten ihres Hauses eingeladen. Und während wir uns den selbstgebackenen Käsekuchen schmecken lassen und unser Gespräch dahin fließt, komme ich dem näher, was Andrea Wehrmann antreibt: Sie ist nicht nur mit Leib und Seele Musikerin. Sie liebt das, was sie tut – und sie ist ihrem ganzen Wesen nach eine geborene Pionierin. So passt es auch vorzüglich zu ihr, dass sie sich in der schwersten Coronazeit das Projekt „Musik am Markttag“ ausgedacht hat: Vielen Besucherinnen und Besuchern hat die Orgelmusik, die aus dem geöffneten Haus der evangelischen Apostelkirche klang, Trost gegeben. „Ich habe Bach gewählt“, gesteht Andrea Wehrmann, „weil er zu meinen Lieblingskomponisten gehört und ich seine großartige, klare Musik gar nicht oft genug spielen kann. Vor allem aber habe ich im Lockdown, als alle Aktivitäten heruntergefahren waren, gemerkt, wie viel Freude es mir macht zu üben – einfach so. Ganz ohne Ziel.“

 

Ein Leben gestalten

Dieses Ineinander von eigenem Antrieb und äußeren Anforderungen ist ein typisches Element des Lebens der leidenschaftlichen Musikerin. „Ich habe im Lauf meines Lebens viele berufliche Seiten an mir entdeckt, durfte vieles entwickeln und staune selbst darüber, was noch alles möglich ist“, erzählt sie. „Geboren bin ich in Ratzeburg und habe dort Abitur gemacht. Dann habe ich in Erlangen studiert. Ich habe damals noch zwischen Sprache und Musik geschwankt und hatte neben Musik noch Germanistik und Italienisch belegt. Ich wollte damals eigentlich Musikkritikerin werden.“ Sie lacht und ihr Markenzeichen, der Pferdeschwanz, wippt. „Anschließend habe ich in Bayreuth Kirchenmusik studiert und zusätzlich an der Musikhochschule Würzburg das Diplom als Klavierpädagogin abgelegt. Nach dem B-Examen lernte Andrea Wehrmann die kirchenmusikalische Praxis beim Berufspraktikum in Bad Tölz kennen und stellte fest, dass ihre Lehr-und Wanderjahre noch nicht vorbei waren. Sie stellte sich der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in München und durfte dort als Quereinsteigerin noch zwei Jahre bis zum A-Examen studieren.

 

Die Macherin

Der Zufall brachte Andrea Wehrmann an die evangelische Kreuzkirche in München, in der damals ein politisch motivierter Pfarrer wirkte. Er bat sie darum, Musikstücke zu komponieren – „durchaus experimentell“, sagt sie heute. Und dann hieß es, die Aufführungen auch zu organisieren. So begann es: Organisation, das Vorbereiten von Chorproben, das Arbeiten mit Laienchören… Und über all dem lernte sie ihren ersten Mann, den Vater ihres Sohnes, kennen. Als der kleine Sebastian auf der Welt war, machte sie trotzdem noch ihr Studium fertig. „Ich habe das Studieren ausgekostet“, sagt sie. „Überhaupt denke ich, dass jedes Lebensalter etwas für sich hat.“

 

Angekommen in Miesbach

Mit Baby erschien München nicht der rechte Ort und die junge Familie beschloss, aufs Land zu ziehen. Der Zufall wollte es, dass sie nach Miesbach kam, wo eine Stelle mit damals 18 Stunden wenigstens das Grundeinkommen sicherte. Während sich so manche junge Frau in einer neuen Umgebung erst einmal auf sich selbst besinnt, entdeckte Andrea Wehrmann schnell, dass sie in Miesbach musikalisch viel bewegen konnte. In Windeseile, so scheint es heute, gründete sie mehrere Chöre, studierte mit ihnen anspruchsvolle Oratorien ein, wie zu Weihnachten 1998 das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach und 1999 Händels Messias in der englischen Originalfassung, die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach oder am 2. Weihnachtsfeiertag 2001 Joseph Rheinbergers „Stern von Bethlehem“. „Ich bin selbst erstaunt gewesen, dass ich als Nordlicht so schnell aufgenommen wurde und mit anderen Musikern und Chören zusammenarbeiten konnte“, freut sich Andrea Wehrmann noch heute. Überhaupt ist Bayern ihr eine liebe Heimat geworden. „Ich bin noch immer auf der Suche und entdecke, dass es so vieles gibt, das ich früher gar nicht richtig wahrgenommen habe. Ich habe „Die Nachtigallen“ gegründet, weil ich selbst so gerne singe, und bin nun über dieses Frauentrio auf den bayerischen Dreigesang gekommen. Wenn ich mit Ursula Bommer und Bärbel Pischetsrieder diese traditionellen Lieder singe, dann bekomme ich schon selbst einmal Gänsehaut. Und das Erstaunlichste: Wenn ich singe, kann ich sogar Bayrisch!“ Wieder schüttelt sie den Kopf temperamentvoll und der Pferdeschwanz wippt.

 

Ganzheitliche Musik

Fast muss man es nicht sagen, aber Andrea Wehrmann hat noch jede Menge Pläne. „Ach, ich weiß heute noch nicht, was ich in ein paar Jahren machen werde“, sagt sie. Langweilig wird ihr sicher nicht und man darf gespannt sein, denn momentan lotet sie neue Grenzen aus: „Ich finde es erstaunlich, wie sich Dinge ergeben. Meine Mutter hat mir vor ein paar Wochen ein Stück geschickt, das ich mit neun Jahren geschrieben habe. Für mich ist das wie ein Zeichen gewesen, mehr zu komponieren. Ich arbeite momentan neben kirchenmusikalischen Kompositionen an einem Werk, das verschiedenste Künste vereinigt: Ich nenne es „12 Monate – 12 Bilder – 12 Lieder“: Im Laufe dieses Jahres vertone ich jeden Monat ein Gedicht (Mörike, Opitz, Gryphius, Trakl u.a.) als Duett für Sopran und Alt mit Klavierbegleitung. Und eine Künstlerin - Schulfreundin aus meiner alten Heimat Ratzeburg - malt zu jedem Monat ein Bild. Für uns beide ist es spannend zu sehen, wie unterschiedlich wir uns von der Aussage der Gedichte inspirieren lassen.“

Und wir, die wir gerne Musik hören, dürfen staunen und uns freuen, auf all das, was sich Andrea Wehrmann in den nächsten Jahren noch ausdenken und realisieren wird.

Text: Verena Wolf
Foto Duo: Verena Wolf
Foto Solo/Trio: Privat

Impressionen

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Zwiebeln, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Zwiebeln

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Gemüse von einem Marktstand, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Am Markt

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Blumen am Markt, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Blumen am Markt

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Margot und Lisa auf dem Grünen Markt in Miesbach, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Margot und Lisa

© Kulturamt der Stadt Miesbach