Wochenmarkt_Miesbach_Florian Bachmaier_2019, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Alexander Langheiter, © Hartmut Wolf

Alexander Langheiter – Stadthistoriker mit Herz

Ein Idyll im Garten

Wir haben uns zum Interview bei Alexander daheim verabredet. Es ist Christi Himmelfahrt. Der Kaffeetisch ist draußen gedeckt neben alten, von den Bienen umsummten Büschen und dem plätschernden Teich. Der Sonnenschirm wird uns die nächsten vier Stunden mit seinem Schatten begleiten. Wir lassen uns Zeit für das Gespräch. Ich weiß, dass Alexander Mitarbeiter des Kulturamtes ist. „Ja, das stimmt“, bestätigt er und kostet vom selbst gemachten Beerenkuchen mit Sahne. „Aber ich arbeite in einer Sonderfunktion. Ich bin Kurator, also der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums.“

„Was macht ein Kurator eigentlich?“, will ich wissen – und gebe mit dieser Frage den Startschuss in einen ebenso kurzweiligen wie unterhaltsamen Nachmittag, an dem wir eine Zeitreise durch Miesbachs Geschichte unternehmen. Eins gleich vorweg: Als Kurator des Miesbacher Heimatmuseums hat Alexander einen äußerst vielseitigen Beruf, der ihn permanent durch Raum und Zeit führt. Auf meine nächste Frage „Hast du einen Zeitraum, der dich besonders interessiert?“, lächelt Alexander nett. „Ja“, sagt er, „mich interessiert die Geschichte von Miesbach und seiner Umgebung seit der Besiedlung der Gegend in der Jungsteinzeit.“ Ein Einstellung, die dazu geführt hat, dass Alexander praktisch jeden Stein in der Stadt kennt.

 

Historiker mit Leib und Seele

Er selbst wurde 1972 geboren. In Miesbach ist er in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Seine Eltern haben ihm bereits die Liebe zur Heimat, zur Natur und Kultur vermittelt, jeder auf seine Weise. Die Mutter Rita war Standesbeamtin in Miesbach und stammt aus Familien, die schon immer in und um Miesbach ansässig waren. Der Vater Carl war viele Jahre Manager in großen Verlagen, bevor er sich mit einem Glückwunschkartenverlag selbständig machte. Über dessen österreichische Verwandtschaft kam immer frischer Wind von außen herein.

Dass Alexander Historiker wurde, liegt in seinem Wesen. „Wenn ich zum Beispiel eine Lüftlmalerei sehe, dann denke ich nicht: `ach, der alte Schmarrn`. Ich will eben wissen, was die Malerei darstellt, wer sie gemalt hat, wer der Auftraggeber war und warum man sich für genau für dieses Motiv entschieden hat. So entsteht in meiner Vorstellung ein genaues Bild von den beteiligten Personen und ihren Lebensumständen zu einer bestimmten Zeit…“ Natürlich weiß er auch etwas mehr über die Keramik-Statue der Mater Dolorosa, die das Heimatmuseum derzeit in der Kreissparkasse am Bahnhofsplatz 4 ausstellt: „Sie ist eine Nachbildung der Marienstatue in der Stadtpfarrkirche aus der Zeit der Wallfahrt im 17. Jahrhundert und war ein Kaminaufsatz, gefertigt von den Hafner von Urtlbach bei Schliersee. Zur Darstellung gehören auch die beiden Assistenzengel – die sieht man heute noch in der Kirche, aber auch auf der Malerei am Waizmannhaus.“ Ausgesucht wurde die Marienfigur, damit sie die Stadt in der Corona-Pandemie besonders beschützen möge.

Auf meinen Einwand, dass die Mater Dolorosa in der Sparkasse kaum Ähnlichkeit mit der Statue in der Kirche aufweist, erklärt er: „Damals galt etwas als Nachbildung, wenn etwas ähnlich aussah – heute muss alles ganz gleich sein.“ Mit diesem speziellen Sinn für Vergangenes und seine Zusammenhänge ausgestattet, war es nur konsequent, dass Alexander nach dem Abitur Geschichte studieren wollte. „Die Jahre an der Uni in München haben mir gut getan“, sagt er. „Man muss auch mal raus aus seinem Lebenskreis. Man muss über den Tellerrand schauen, sonst kann man nicht vergleichen und die Bezüge, die man zwischen Dingen oder Ereignissen herstellt, werden zu eng.“

 

Viele Aufgaben                              

Doch zurück zum Museum… Als Kurator des Miesbacher Museums betreut Alexander Langheiter zum Beispiel die gesamte Leihtätigkeit des Museums – sprich, wenn etwa die bayrische Landesaustellung ein Stück aus Miesbach zeigen möchte, sucht Alexander ein besonders interessantes Exponat aus. Er erstellt alle Informations-Unterlagen, die Papiere für den ordnungsgemäßen Verleih, betreut den Versand und ordnet das gute Stück nach dem Ausstellungsende wieder in das Depot ein. Was so einfach klingt, hat einen Haken: Alleine 4000-5000 Exponate beherbergt das Museum. Und selbst wenn die alle inzwischen – natürlich von Alexander – im PC katalogisiert sind, muss man doch wissen, wo man nachsehen muss… Und dann muss man die Geschichte jedes einzelnen Stücks kennen. Daher gibt es zu jedem Topf, zu jedem Schuh, zu jedem Stuhl, Schwert, Bild, ja zu ganzen Bauernstuben akribische Untersuchungen. Diese hat Alexander recherchiert, denn auch diese wissenschaftliche Arbeit gehört zu den Aufgaben eines Kurators. Übrigens: Wer ein wertvolles Erinnerungsstück daheim hat, darf sich gerne an Alexander Langheiter wenden… Alle Neuzugänge werden professionell mit allen Hintergrundinformationen (Metadaten) erfasst. „Wichtig ist für uns natürlich der mit Miesbach-Bezug…“ Damit all die wertvollen Stücke im Museum nicht Schaden nehmen, werden sie nach und nach restauriert. Da sucht Alexander Langheiter die Stücke heraus, die eine Überarbeitung am dringendsten nötig haben und versucht dann in Zusammenarbeit mit der Chefin des Kulturamtes, Isabella Krobisch, die Bewilligung der Stadt für den benötigten Etat zu bekommen. Oft klappt das wunderbar…

 

Die Geschichte der Stadt am leben erhalten

Wohin mit so viel Wissen über die Stadtgeschichte? Die meisten von uns werden Alexander Langheiter von seinen wunderbar anschaulichen, unterhaltsamen und kurzweiligen Stadtführungen kennen. „Ich will ja nicht nur die Stadt zeigen – mir ist das Gespräch wichtig. Ich erfahre selbst auf vielen Führungen wieder ein Detail, das ich noch nicht kenne.“ Mehr als 50 dieser Führungen hat Alexander Langheiter in den vergangenen Jahren gehalten und dabei die Geschichte Miesbachs jedes Mal kenntnisreich und voller Liebe zu neuem Leben erweckt.

Klar, dass die Stadt auf Alexanders Wissen zurückgreift, wenn es gilt, eine Publikation zu erstellen. „Ich sage immer, das Gedächtnis der Stadt hat zwei Seiten – die eine ist das schriftliche Erbe, das Barbara Wank im Stadtarchiv betreut. Die dingliche Überlieferung bewahrt das Museum – unter meiner Obhut.“ Mir gefällt der Begriff der Obhut, denn er beschreibt gut, wie sorgsam Alexander mit den Schätzen im Museum und mit der Stadtgeschichte umgeht. Wie wichtig seine Arbeit ist, wird auch immer wieder deutlich, wenn es heißt, bestimmte Themen rasch und effektiv aufzubereiten. So hat er nicht nur maßgeblich an der Ausstellung zu Miesbachs glanzvoller Bergwerkszeit mitgearbeitet. Auch punktuelle oder aktuelle Themen wie das Kriegsende etwa – nehmen, in kollegialer Zusammenarbeit mit Barbara Wank recherchiert und realisiert, schnell Gestalt an.

 

Alexander, Büchermensch

Als ehemalige Lektorin war ich immer äußerst stolz auf meinen Besitz an Büchern. Bis eines Tages Alexander zu einem Besuch vorbeikam. Er schaute sich meine Regale an, guckte sich um und sagte: „Ist das alles, was du an Büchern hast? Das ist aber nicht viel.“ Alexander ist nämlich nicht nur Stadthistoriker. Er ist auch Verleger und Eigentümer des MAURUS Verlages, der Bücher zu vielen Aspekten Miesbachs und seiner Umgebung herausgibt. Von Wanderführern (Andreas Scherm) über Spezialgeschichten (Wallbergrennen) bis zur großen Miesbach-Chronik mit vielen Fotos und Karten auf 456 Seiten sind diese Bücher ein wahrer Schatz. Und die Festschrift „100 Jahre Miesbach“ – ebenfalls eine Kooperation mit Barbara Wank – sollte eigentlich in keinem Haushalt fehlen. Kein Wunder also, wenn bei Alexander daheim jeder Winkel mit Büchern gefüllt ist. Welche zukünftigen Projekte noch in seinem Kopf schlummern oder schon Gestalt annehmen, weiß nur er selbst. Aber er sammelt täglich Geschichten, Anekdoten, Wissenswertes, Kurioses, Lustiges und Trauriges aus dem Leben der Stadt und ihrer Bewohner. Und bei niemand ist dieses Wissen wohl so gut aufgehoben wie bei ihm.

Text: Verena Wolf
Foto: Hartmut Wolf

 

KONTAKT
Alexander Langheiter
Ahornweg 1
83714 Miesbach
08025/995022
www.maurusverlag.de

 

Impressionen

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Zwiebeln, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Zwiebeln

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Gemüse von einem Marktstand, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Am Markt

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Blumen am Markt, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Blumen am Markt

© Kulturamt der Stadt Miesbach

Margot und Lisa auf dem Grünen Markt in Miesbach, © Kulturamt der Stadt Miesbach
Margot und Lisa

© Kulturamt der Stadt Miesbach