Stoffauswahl im Laden, © Veronika Leo
Stoffauswahl im Laden, © Veronika Leo

100 Jahre Trachten Müller

Leidenschaft für Tracht und Esprit gepaart mit Feingefühl für das Traditionelle – das zeichnet das Team der Müller Trachten und Textilhandels GmbH aus; und macht es zum Aushängeschild für ein charismatisches, alteingesessenes Miesbacher Geschäft.

 

Als mich die beiden Inhaberinnen von Müller Trachten Lisa Schwarz und Susanne Grauvogl in ihrem Laden im Heimbucherwinkl empfangen, komme ich mir in meinem klassischen Bürooutfit fast ein bisschen underdressed vor, denn die feschen Dirndln der beiden strahlen um die Wette. Ebenso ziehen mich die wunderschön aufgereihten Stoffe in den Regalen sofort in den Bann und auch das ausgestellte Dirndl auf der Puppe hat es mir angetan, doch zurück zum Thema weshalb ich hier bin: das Geschäft Müller Trachten feiert sein 100-jähriges Bestehen – bester Anlass für eine Stadtgeschichte!

 

Ein Laden anno dazumal

Gleich zu Beginn unseres Gesprächs tauchen wir in die Historie ein: Susanne Grauvogl bringt ein Album, in dem sorgfältig die Bilder aus der Entstehungszeit eingeklebt und beschriftet sind und auch den Original-Mietvertrag des ersten Geschäfts zeigt sie mir stolz. Lina Hölzensauer vermietete damals an Josef Luth und dessen Ehefrau am 1.8.1920 zum Preis von 60 Mark Monatsmiete einen Strumpfwarenladen. Dieser befand sich im jetzigen Geschäft von Lederhosen Moser in der Fraunhoferstraße und fungierte auch als Wollsammelstelle für Schafwolle und Angora. Der Mietvertrag liest sich für heutige Verhältnisse oft mit einem Schmunzeln auf den Lippen, zum Beispiel durften Herr und Frau Luth folgende Dinge nicht in ihrem Geschäft führen:

1. Drogen und alle in Drogerie einschlägigen Artikel

2. Kolonialwaren

3. Tabakartikel & Parfüm

4. Cigarren, Cigaretten & Tabake

5. Zuckerwaaren Chocolade etc etc

6. Farben & Bürstenwaren

7. Weine & Liköre

 

Das Sortiment erweiterte später Lina Müller, die Tochter der Luths, zusammen mit ihrem Mann Alois Müller mit Stoffen und Kurzwaren. Das Geschäft florierte und wurde 1957, nach dem Tod von Alois Müller, von Adoptivtochter Rosa Lutt-Maier übernommen. Das breit gefächerte Angebot benötigte zunehmend mehr Platz und so zog der Laden in die Rathausstraße, dort wo heute die Raiffeisenbank ihre Geschäftsräume hat. 1975 wurde das Traditionsgeschäft abermals mit Herren-Oberbekleidung, Konfektion und Wäsche vergrößert und erneut mussten neue Räume mehr Platz bieten. In der Fraunhoferstraße (heute Teil des Trachten Jäger) fand man eine Bleibe. Rosa Lutt-Maier verabschiedete sich 1986 in den wohlverdienten Ruhestand und das Geschäft wurde von ihrem Neffen Toni Ober und dessen Frau Christa, die schon lange als Mitarbeiterin im Unternehmen war, fortgeführt. Diese renovierten 1987 die Firmenräume und konzentrierten das Sortiment auf Meterware und Trachten-Konfektion. Mit Erfolg – Müller Trachten ist landauf landab ein gefragter Einkaufstipp, wenn es um reizende Stoffe und fachkundige Beratung geht.

 

Zwei für die Zukunft

Seit 1979 ist eine der beiden jetzigen Geschäftsinhaberinnen bereits im Team dabei gewesen: Lisa Schwarz. Nach ihrer Lehre beim Kaufhaus Sundheimer bewarb sie sich damals als junge Dame und durfte nach dem Motto „o‘gschaut – g’nomma“ bleiben.

Die zweite Inhaberin ist Susanne Grauvogl. Sie stieß 2006 zum Team. Gelernt hatte sie im Verkaufsladen der Rottacher Dirndlstube am See, ebenfalls war sie bei Trachten Greif in Rottach-Egern tätig. Nach den Erziehungsjahren ihrer zwei Kinder suchte sie neue Herausforderungen - und fragte bei Müller Trachten an. „Eigentlich haben die gar keine gesucht. Aber als Herr Ober mi gfrogt hod, wo i voher gearbeitet hab… war seine Antwort: ‚Ach so beim Greif, ja dann überlegen wir uns das nochmal…‘“

Zum Glück haben sich die damaligen Chefs richtig entschieden und Frau Grauvogl genommen. Denn 2008 suchten die Obers schon immer nach Nachfolgern – zunächst vergeblich. Eines Tages rief Frau Grauvogl bei den Graseggers, einem Trachtenhaus in Garmisch-Partenkirchen, an, um sie zu fragen, ob sie den Laden nicht übernehmen wollten. Zur Antwort bekam sie eine überraschende Aufforderung: „Mach’s hoid Du!“ Nach langem Überlegen und der Einsicht „alleine kann ich es nicht machen“, entschieden sich Susanne Grauvogl und Lisa Schwarz zur Gründung einer GmbH und dem Beschluss „Mach ma’s zu zwoat“.

Mit einem nachdenklichen Blick und dennoch einem Lächeln schildert Lisa Schwarz die damalige strapazierende Suche nach neuen Geschäftsräumen: „Nach langem Kampf, hab’n wir dann endlich aufgmacht…“

 

Ein starkes Team für gute und mittelmäßige Zeiten

Die beiden schätzen die Vorzüge einer gemeinsamen Führung: es sei für sie sehr praktisch sich die Arbeit zu zweit einteilen und sich im Laden abwechseln zu können, dies kommt auch unter anderem ihrem Privat-Leben als Omas sehr zu Gute.

Und wie geht es jetzt und in Zukunft weiter?

„Naja, ohne Corona fühlten wir uns schon wohler…!“ So das erste Statement auf meine Frage nach der Zukunft. Aber beide relativieren das Ganze, sie haben sich im Laden im Heimbucherwinkl gut eingelebt und sind mit vier Verkäuferinnen, einer Bürokraft und einer Reinigungskraft gut gestellt. Schneiderinnen haben sie nicht mehr im Team, aber eine sehr gute Kooperation mit der Meisterschneiderei Evelyn Müller gleich um die Ecke und gerne vermitteln sie ebenso ihre Kund*innen an viele andere Schneiderinnen in der Region. Auch konnten sie die Räume mit einem Wintergarten vergrößern, so dass nun ein kleines Séparée für Besprechung, Anproben und dergleichen zur Verfügung steht. Aber jetzt müsse man zunächst erst einmal die Pandemie überbrücken, denn ohne Hochzeiten und Feste sei Corona auch an Müller Trachten nicht spurlos vorüber gegangen. Doch natürlich gibt es Pläne für die Zukunft, denn ein bisschen müssen sie noch arbeiten bis zur Rente – so Lisa Schwarz mit einem Augenzwinkern, „und nach 42 Jahr ist ma ja auch ein bissl mim G’schäft verheiratet…“

Bei diesem Traditionsgeschäft lassen wir uns gerne mit den zukünftigen Ideen überraschen und bis dahin bezirzen uns die schönen Stoffe und wir wünschen alles Gute für die nächsten hundert Jahre!

 

Text: Veronika Leo
Fotos: Müller Trachten, Veronika Leo

Impressionen

Marktcafe_Marktplatz Miesbach_1
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Marktcafe_Marktplatz Miesbach_2
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Hüte-Hilz_1920x1280
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Chocolaterie_1920x1280
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Brunners Vinothek__1920x1280
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Bergsport Schachenmeier_1920x1280
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Weltentdecker_1920x1280
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Wäschr-Leder Grabmaier_1920x1280
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Wäschetruhe Montermann_1920x1280
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Schwarzenberg__1920x1280
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