Stuckdecke in der Laurentiuskirche in Rottach, © Isabella Krobisch
Blick auf Stuckdecke und Altar in der Föchinger Kirche, © Isabella Krobisch

Verborgene Schätze

Stuck ist mehr als dekorative Leisten oder Rosetten an der Decke hoher Räume. Wie kunstvoll früher im Raum Miesbach mit Gips „gezaubert“ wurde, ist eine spannende Geschichte, die uns ins Zeitalter des Barocks entführt.

 

Miesbacher Stuck

Für Kirchen- und Kunsthistoriker sind es wichtige Begriffe: „Miesbacher Stuck“ sowie die Männer, die ihn schufen, die „Schlierseer Stuckateure“, sind ganz zu Recht bis heute gefeierte Elemente der Baukunst im 16. und 17. Jahrhundert. Da diese Männer ihre Arbeit nicht als Kunst betrachteten, sondern als Handwerk, sind sie nur selten für uns noch fassbar. Am bekanntesten sind die Mitglieder der in Schliersee ansässigen Familie Zwerger. Trotzdem spricht man vom Miesbacher Stuck, denn die Familie hat rund um Miesbach nicht weniger als 7 Kirchen eindrucksvoll ausgestaltet. Möglich ist auch, dass die Miesbacher Stadtpfarrkirche – bis zum Brand 1783 eine bedeutende Wallfahrtskirche – prächtig mit Stuck versehen war: Dann hätten die Pilger aus nah und fern, vermutlich die Kunde vom „Miesbacher Stuck“ in Mariä Himmelfahrt verkündet. Aber das bleibt Theorie, solange wir keine diesbezügliche Gewissheit haben.
 

Ein Neuanfang

Sicher ist dagegen, dass im Jahr 1500 auf Wunsch des damaligen Bayrischen Kurfürsten, der Schliersee vorübergehend in seinen Besitz gebracht hatte, ein neuer Fischereimeister seine Arbeit am See aufnahm. Der Kurfürst hatte nämlich bei der Überprüfung seiner Einnahmen aus der Fischerei erkannt, dass da wohl, im wahrsten Sinn des Wortes, noch etwas mehr zu herauszuholen war... Nach einer eingehenden Inspektion rief er den jungen Peter Zwerger nach Schliersee. Der war am Walchensee daheim und wollte zunächst nur für ein Jahr ins Schlierachtal wechseln, blieb dann aber sein Leben lang und hinterließ 13 Kinder, unter ihnen den Urahn der späteren Stuckateure. Die große Familie Zwerger behielt die Fischerei noch bis ins 18. Jahrhundert bei, fasste daneben jedoch im Baugewerbe Fuß, das in Schliersee alt eingesessen und hoch angesehen war. Während es zwei Zwerger in späterer Zeit zu hohem Ansehen bringen – ein Philipp Zwerger wird in der Epoche des Kurfürsten Max Emanuel (1662-1726) angesehener „Hofmaurermeister“ in München, und Peter Zwerger erlangt 1702 die Würde des Stiftsbaumeisters und Stadtbaurats in Würzburg – interessieren uns hier die Familienmitglieder, die rund um Miesbach Wunderschönes geschaffen haben: Das sind vor allem Hans Zwerger (1598-1666) und sein Sohn Georg/Jörg (1638-1721). Betont werden soll, dass die Arbeit der Familie Zwerger uns am besten bekannt ist – wie weit Künstler der Schlierseer „Schule“ aus den Maurerfamilien Erhardt, Wackersberger, Kirchberger, Staudacher und Schwarzenberger ebenfalls in Stuck arbeiteten, wissen wir leider nicht.
 

Stuck und Barock

Wer mit Stuck arbeitet, muss schnell sein: Einmal angerührt, wird die Masse innerhalb von 2 Stunden hart. Entweder muss man sie in dieser Zeit auf die vorher aufgeraute Wand auftragen und sie sofort in die gewünschte Form bringen, oder man muss sie nach dem Aushärten mit dem Messer zurechtschneiden. Zu Beginn ihrer Arbeit haben die Stuckateure relativ schlichte Formen erschaffen wie Rosetten und Bänder mit pflanzlichen Ornamenten (Blätter, Früchte etc.). Diese ließen sich außerdem gut vorbereiten und an Ort und Stelle „aufkleben“ und arrangieren: Ganze Bänder aus Stückblättern sind so entstanden, mit denen sich Decken, Wänden, Böden und selbst Säulen plastisch, sozusagen in 3D, verzieren ließen. Manche dieser Stuckaturen wurden weiß, andere in den hellen Pastellfarben des Barocks gestrichen: Himmelblau, Lindgrün, Rosé, Beige und Hellgrau waren in Mode. Zarte Farben, die wie der Stuck selbst zum Formenschatz des Barocks gehören, der, dank eines umfangreichen Renovierungsprogramms der katholischen Kirche, etwa 1550 auch in Bayern immer populärer wurde.
 

Eine eigene Handschrift

Das Besondere am Miesbacher Stuck ist, dass die Familie Zwerger im Lauf der Jahre und Jahrzehnte eine eigene Handschrift entwickelte. Aus den ersten Anfängen entwickelten sie immer feinere Blätter, Blüten und filigrane Ranken, dann ganze Blumensträuße oder üppige Fruchtgehänge. Schließlich schufen sie selbst Engel und Heilige aus Stuck, mit denen sie die Kirchen ausgekleidet haben. Ein Höhepunkt ihres Schaffens ist die Heilig Blut Kapelle in Elbach: Dort hat die ganze Familie zusammengearbeitet und sogar erzählende Szenen in Stuck geschaffen – eine einmalige Besonderheit. Zu ihren Schöpfungen gehören die Stuckarbeiten in nicht weniger als sieben Kirchen im Raum Schliersee-Miesbach.
 

Entlang der Schlierach

Um 1670 wurde der Innenraum von St. Agatha mit Stuck verziert. Sie finden z.B. entlang des Chorbogens einen Perlstab mit Rosette oder im Zentrum des Gewölbes ein Feld mit Marienmonogramm.

In St. Leonhard in Fischhausen haben Vater Hans und sein Sohn Georg Zwerger perfekt zusammengewirkt: Entstanden ist eine sehenswerte Kirche (sie soll das Urbild der Wieskirche sein) mit zahlenreichen Stuckelementen, die an Wänden und im Gewölbe zu schweben scheinen. Sehr fein ausgearbeitet sind z.B. die Stuck-Kassetten mit schmückenden Bändern, Rosetten und Ranken.
 

Im Leitzachtal

Die kleine uralte, schon 1087 erwähnte Kirche „Maria Schutz“ in Fischbachau wurde mit wenig Stuck ausgekleidet: Stuckrahmen im Gewölbe und Ringe mit Monogrammen und Dreifaltigkeitssymbol.

In Elbach in der Heilig Blut Kapelle dagegen kann man die höchste Stufe des Stucks sehen, den unsere Schlierseer Meister erreicht haben. Hier war ab 1669 die ganze Familie im Einsatz. Neben Georg Zwerger schufen sein Bruder Martin und die Cousins Oswald, Hans und Wolfgang Zwerger ein Gesamtkunstwerk in Stuck, dessen Höhepunkte die Kreuzigungsszene und die Kreuzabnahme sind.
 

Am Tegernsee

Die Pfarr- und ehemalige Wallfahrtskirche St. Laurentius in Rottach-Egern ist schon wegen der kunstvoll mit Stuck umrankten Säulen ein Juwel.

Mag das Kirchlein in St. Quirinus am Tegernsee auch derzeit eingerüstet sein… Überaus sehenswert ist die Innenausstattung von 1676: „In dem kleinen Raum entfaltete sich der ganze Reichtum und die Formenvielfalt der Miesbacher Stukkatorenschule“, schreibt Martin Spantig.
 

Föching

Die einstige Bedeutung der Wallfahrtskirche St. Baptist in Föching ist fast in Vergessenheit geraten. Umso lohnender ist es, inmitten des hellen Kirchenschiffs die fantastische Deckengestaltung zu erkunden.
 

Zum Weiterlesen

Fuidel, Werner: Miesbacher Stuck, Miesbacher Hefte Beiträge zur Heimatkunde, Heft Nr. 9, 1989

Spantig, Martin: Kunsttouren um Tegernsee, Schliersee und Wendelstein, Regensburg 1999
 

Text: Verena Wolf
Fotos: Isabella Krobisch

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
Genussführung_Sonja_Still (2)
Genussführung_Sonja_Still (2)
MB_Wochenmarkt-0081_1920x1280
MB_Wochenmarkt-0081_1920x1280