Aufschrift einer Kirchenglocke, © Michael Mannhardt
Stadtpfarrkirche Innenansicht, © Isabella Krobisch

So himmlisch klingt die Weihnachtszeit

Ob es daran liegt, dass wir uns gerade jetzt nach mehr Spiritualität sehnen oder sind es Kindheitserinnerungen, die uns so besonders empfänglich für weihnachtliche Musik machen?
 


Glockenklang zur Weihnachtszeit


Die Vorweihnachtszeit ist die Zeit der Lieder und der Musik. Ob ein festliches Konzert in der Kirche, Weihnachtssingen und adventliche Stubnmusi daheim oder bei Freunden – wir hören vom beschwingten Schlager bis zum festlichen Choral jetzt die Musik, die fest mit der (Vor-)Weihnachtszeit verbunden ist. Für die Kinder klingen die Glöckchen am Schlitten von Santa Claus, der auf einer Wolke von Sternenstaub zur Erde braust. Wie fröhlich bimmelt das Zaumzeug der Rentiere! Und am heiligen Abend erklingt in so mancher Familie ein Glöckchen, das den Kindern verkündet, dass eben das Christkind da war…
Zu den vielen Klangerlebnissen gehört aber auch das Konzert unserer Kirchenglocken, das viele von uns jetzt viel deutlicher wahrnehmen als unterm Jahr: Wenn sie jetzt zu den Gottesdienstzeiten und vor allem am Abend ihr festliches Lied anstimmen, erfüllt Magie die Luft: Weihnachten mit seinem Zauber und der Verheißung auf eine bessere Welt, die jedes Jahr am 24. Dezember mit Christus geboren wird, rückt näher…

 

Die Sprache der heimatlichen Glocken


Wer besonders musikalisch ist, hat den Klang des heimatlichen Glockengeläutes oft für immer im Ohr und spürt gerade jetzt die tiefe Verbundenheit mit dem Schall aus dem Glockenturm von Mariä Himmelfahrt und der Apostelkirche, in den sich das Läuten der Portiunkulakirche mischt. Besonders schön in Miesbach: Wenn in der Heiligen Nacht die Glocken aller drei Miesbacher Kirchen zusammenklingen, ist das auch hörbare Ökumene unserer weihnachtlich verbundenen großen christlichen Gemeinde.
Das volle Geläut, ein Ohrenschmaus und frohe Botschaft an die Seele hört man zu jedem Festgottesdienst bis zum 6. Januar
Alle Glocken erklingen jeweils ca. 10 Minuten vor dem Festgottesdienst – das heißt zur Christmette am 24., aber auch an beiden Weihnachtsfeiertagen sowie am 1. und 6. Januar.
Und natürlich läuten auch in diesem Jahr alle Glocken auch in der Neujahrsnacht ab Punkt 00:00 Uhr das Neue Jahr ein.



So klingt Maria Himmelfahrt


Weil im Turm unserer Pfarrkirche sechs Glocken hängen, ist die Stimme von Mariä Himmelfahrt die klangvollste Stimme im Konzert der Glocken unserer Stadt. Für uns lassen Sie das Salve-Regina-Motiv in den Tönen b0-d1-f1-g1-a1-h2 erklingen. Die Glocke, die wir sicher alle aus dem Geläut heraushören, ist die Glocke mit dem tiefsten Ton. Diese Glocke, die den Namen „Mater Dolorosa“ trägt, hat ein ganz eigenes Schicksal – doch nicht nur sie ist eng mit der Geschichte unserer Stadt verbunden.
Die Glocken der Stadtpfarrkirche 
Wussten Sie, dass Miesbach im 18. Jahrhundert ein sehr beliebter Wallfahrtsort war? Pilger kamen aus nah und fern und sogar aus Tirol, um in der Stadtpfarrkirche vor dem wundertätigen Bildnis der Muttergottes zu beten – ein Werk des Bildhauers Johann Millauer, das ab 1693 in der Kirche verehrt wurde. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war das Bildnis so berühmt, dass Papst Innozenz XIII. ihm einen Ehrentitel verlieh: „mater dolorsa miraculis gloriosa“.
Doch schon 1783 geschah ein Unglück, das die Stadt auf Jahre hinaus in ihrer Entwicklung zurückwarf: Am 23.5.1783 brach in der Vorgängerbrauerei des Waitzingerbräus ein Brand aus, der binnen Stunden die Gebäude der gesamten Stadt verschlang und nichts als Schutt und Asche zurückließ. Zwar war es Mesner Mathias Waschon noch gelungen, die Statue der Muttergottes aus dem brennenden Gotteshaus zu retten, aber die Kirche selbst wurde ein Raub der Flammen. Dass dabei vermutlich auch die Glocken vom Turm stürzten, sieht man daran, dass 1784, also ein Jahr nach dem Brand, fünf neue Glocken aus der Gießerei von Johann Lorenz Kraus geweiht wurden. Sie alle tragen das Gießersignum und eine Inschrift, die ihre Herkunft nennt. So ist etwa auf der zweitgrößten Glocke zu lesen: FVSA A JOHAN LAVRENTIO KRAVS. MONACHY MDCCLXXXIV. + SIT NOMEN DOMINI BENEDICTVM (Hergestellt von Johann Lorenz Kraus. München 1784 | gelobt sei der Name des Herrn). 
Diese Glocke wiegt 1.160 Kilo, hat einen Durchmesser von 124 cm und lässt den Schlagton d1 ertönen. Sie ist wie die anderen drei Glocken von Kraus, die übrig geblieben sind, seit 1784 täglich im Einsatz!
 

Die Mater Dolorosa Glocke


Die heutige Maria-Mater-Dolorosa-Glocke oder Maria-Dolorosa-Glocke ist dagegen ein „Ersatz“ für die größte Glocke, die ebenfalls 1784 angeschafft wurde. Doch diese bedeutende Glocke der späten Barockzeit musste, wie viele andere Glocken aus dem Landkreis, im Zweiten Weltkrieg abgenommen werden, weil sie für Kriegszwecke eingeschmolzen wurde. Noch zwei weitere Glocken aus Miesbach teilten dieses Schicksal: Auch zwei der drei Glocken aus dem Ursprungsgeläut der Apostelkirche wurden eingeschmolzen.
Die heutige Glocke mit dem Schlagton B wiegt 3.000 Kilo bei einem Durchmesser von 178 cm. Auf den schwarzweiß-Fotos ist ihre Weihe zu sehen und das Aufziehen in den Glockenturm! Gegossen hat sie 1948 die Gießerei Oberascher in München. Neben der reichen Verzierung mit einer Kreuzigungsgruppe, der Schmerzhaften Mutter, dem Wappen der Stadt Miesbach mit Trachtenpaar, einem Fries mit Enzian- und Edelweißblumen und einem Fries mit Engeln trägt sie die vielsagende Inschrift:
MATER DOLOROSA | DIE SCHWESTER BLIEB IM KRIEG | FÜR SIE SING ICH MEIN LIED | DER MATER DOLOROSA | MIRACULIS GLORIOSA | ANNO DOMINI 1948 | MICH GOSS RUDOLF OBERASCHER MÜNCHEN.
 

Die Antoniusglocke


Die jüngste Glocke im Geläut der Stadtpfarrkirche – das übrigens das zweitschwerste im Landkreis ist – ist die Antoniusglocke. Sie hat erst 2004 das Licht der Welt in der Glockengießerei Perner in Passau erblickt. Dafür trägt sie eine Inschrift, die seit Jahrhunderten auf Glocken zu finden ist In Latein heißt das: VIVOS VOCO | MORTUUOS PLANGO | TEMPESTATES FRANGO | MIESBACH 2004 | HL. ANTONIUS, BITTE FÜR UNS. Übersetzt lautet die Inschrift: Die Lebenden rufe ich | Um die verstorbenen weine ich | Unwetter zerreiße ich.
 

Apostelkirche


Ebenso erzählen die Glocken der Apostelkirche eine besondere Geschichte: Die Glocke mit dem Ton d2 stammt wohl noch vom Geläut aus der Entstehungszeit der Kirche also vom Anfang des 20.Jahrhunderts. 
Aber die beiden anderen sind aus Schlesien zu uns gekommen: Sie wurden noch vor dem 30jährigen Krieg gegossen – nämlich 1609 bzw. 1614. Den Zweiten Weltkrieg haben sie auf dem sogenannten Glockenfriedhof in Hamburg verbracht – dem Sammelplatz zum Einschmelzen von Glocken aus ganz Deutschland. Nach dem Krieg, als viele Glockentürme also mehr oder weniger leer waren, wurden die restlichen Glocken vom Glockenfriedhof verteilt. So fanden die beiden Glocken aus Schlesien als sogenannte Leihglocken den Weg nach Miesbach.
 

Worte, die zum Frieden mahnen


Dass die Menschen in Schlesien ihre Glocken schmerzlich vermissten, erzählen Erwin Sergel und Anika Sergel-Kohls im Kirchenführer der Apostelkirche: „Im September 1998“, so schreiben sie, „fand in Miesbach ein Treffen ehemaliger Schlesier statt. Bei diesem Anlass übergaben sie symbolisch ihre Glocke an die Miesbacher Gemeinde mit den Worten: 
„Ein Stück Heimat ist unsere Kirchenglocke, möge sie nie wieder Krieg, Not und Elend verkünden, sondern nur Gutes, Glück und Freude. Möge sie mit ihrem Klang die Herzen der Miesbacher Bürger erfreuen Glocke 1 aus dem Schlesischen Ort Krummendorf hat den Schlagton g1 und trägt die Inschrift ANNO 1614 HAT HERR CHRISTOF PICZ AUF LAUTERBACH CORM + MAISTER MENDORF UND TSCHAMMENDORF DIESE GLOCKEN GIESSEN LASSEN UND WAR DIESE ZEIT PFARRHERR JOHANNES VETTER + HANS PAMBERGER IN SCHWEIDNITZ. Auch die Glocke 2 mit dem Schlagton h1, die 1609 gegossen wurde, hat eine Inschrift. Sie lautet: VERBUM DOMINI MANET IN AETERNUM JACOB GEZ GOSS MICH 1609. Diese Glocke hing ursprünglich in der Kirche Pontwitz / Schlesien. Die Übersetzung der lateinischen Inschrift lautet: „Das Wort Gottes währet ewiglich“.
 

Die Stimme der Portiunkulakirche


In unserer Nebenkirche St. Franziskus gibt es zwei historische Bronzeglocken. Beide Glocken wurden Anno 1645 von Franz Giot in München gegossen und sind etwas Besonderes – immerhin hat sie „Wilhelm Graf von Hohenwaldeck, Herr auf Maxlrain“ gestiftet, wie das Wappen auf beiden Glocken verrät. 
Dieselben Inschrift ziert auch die Glocke 1. Sie wiegt 251 kg bei einem Durchmesser von 74 cm und lässt den Schlagton c2 erklingen. Neben der Madonna, einem Engel und Wappen sowie der Kreuzigungsgruppe trägt sie einen Fries und die Inschrift: FRANCISCVS GIOT IN MINCHEN HAT MICH GE (!) GOSSEN ANNO MDCXXXXV. 

Dieselbe Inschrift trägt auch Glocke 2 mit dem Schlagton d2. Sie hat ein Gewicht von 181 kg bei einem Durchmesser von 67,5 cm. Geschmückt ist sie mit Johannes dem Täufer als Relief sowie einem Fries. 
Da dieses Glockenpaar nicht nur aus der Barockzeit, sondern auch von einem Gießer stammt, der im Landkreis nicht viele Spuren hinterlassen hat, ist es eine wertvolle Besonderheit.
 

Töne, die wir selten hören


Jetzt in der Weihnachtszeit hören wir auch öfter Glocken, die unterm Jahr selten angestimmt werden. Das liegt unter anderem daran, dass sie noch immer von Hand geläutet werden. Dazu gehören die Bronzeglocke mit dem Schlagton g2 in der Kapelle Maria Trost beim AWO Seniorenheim, die Glocke der St. Magnus Kapelle in der Unteren Wies (Krauthofkapelle) und die beiden Bronzeglocken der Kapelle am Gieshof mit den Schlagtönen cis3 und f3.
 

Der ganze Landkreis klingt


GLOCKENKLÄNGE IM MIESBACHER LAND von Autor Michael Mannhardt ist ein Projekt, mit dem Sie zwischen Otterfing und Spitzingsee die 51 schönsten Kirchengeläute im Miesbacher Oberland in voller Länge auf CD erleben können. Das Buch zur CD bietet Glockenwissen und 60 Porträts unserer wichtigsten Kirchenorte: 216 Seiten, über 300 Fotos. EURO 29,80. In Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.miesbacher-verlagshaus.de

 

Text: Verena Wolf, Dekan Michael Mannhardt
Fotos: Isabella Krobisch, Michael Mannhardt

Impressionen

Portiunkulakirche, © Isabella Krobisch
Portiunkulakirche

© Isabella Krobisch

Winterliche Allee, © Isabella Krobisch
Winterliche Allee

© Isabella Krobisch

Aufschrift einer  Kirchenglocke 2, © Michael Mannhardt
Aufschrift einer Kirchenglocke 2

© Michael Mannhardt

Ausschnitt Kirchenglocke, © Michael Mannhardt
Ausschnitt Kirchenglocke

© Michael Mannhardt

Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, © Isabella Krobisch
Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt

© Isabella Krobisch

verschneite Apostelkirche, © Isabella Krobisch
Apostelkirche Miesbach

© Isabella Krobisch

Stadtpfarrkirche Innenansicht, © Isabella Krobisch
Stadtpfarrkirche Innenansicht

© Isabella Krobisch

Stadtpfarrkirche, © Isabella Krobisch
Stadtpfarrkirche

© Isabella Krobisch

Weihnachtsbaum am Marktplatz, © Isabella Krobisch
Weihnachtsbaum am Marktplatz

© Isabella Krobisch