Taschenuhr mit Chateleine, 18. Jahrhundert, © Isabella Krobisch
Uhrenausstellung im Rathaus Miesbach, © Hartmut Wolf

Mit Miesbacher Uhren auf Zeitreise

Für eine kleine Weile kann man mitten in Miesbach sehen, hören und fühlen, wie die Zeit vergeht. Denn im Rathaus-Foyer sind Uhren aus fünf Jahrhunderten ausgestellt.

 

Es gibt große und kleine Uhren, es gibt repräsentative und unscheinbare, es gibt solche, die selbst viel Aufmerksamkeit brauchen und andere, die sogar wissen wer uns angerufen hat, wie unser Herz schlägt und wie viele Schritte wir gelaufen sind.

Die erste eigene Uhr! Wer kann sich nicht an sie erinnern? War es die Konfirmation, die Firmung oder vielleicht ein Geburtstag? In jedem Fall lag sie da und flüsterte uns eine geheime Botschaft zu – vom Erwachsenwerden, vom Leben, vom Dasein in und mit der Zeit. Dass das schon immer so war und wohl immer so sein wird, dass Uhren besondere Dinge sind, die uns Menschen viel bedeuten. Uhren zum Sprechen zu bringen, das gelingt der neuen Ausstellung in unserer Stadt. Und sie haben viel zu erzählen. „Uhren sind Gegenstände, die viele Geschichten bewahren. Jede Uhr führt uns tiefer in die Geschichte unserer Stadt und ihrer Umgebung“, fasst Maria Krüger-Basener das Credo der Ausstellungsmachern zusammen.

 

Ausstellung mit Tiefgang

Es macht großes Vergnügen die Ausstellung zu besuchen, denn hier kann man sich nicht nur in Ruhe – dank der interessant gestalteten Zeittafeln – in die Entwicklung der Uhrmacherkunst vertiefen. Denn nun kann man in der Stille des Rathaus Foyers etwa dem Ticken der alten Kirchturmuhr lauschen, die im Getreidekasten des Unterstoibhofes gefunden wurde, kann all die Schätze bewundern, die sonst im Verborgenen die Zeit zählen und über ein Zitat von Hugo von Hoffmannsthal (1847-1929) nachdenken: „Die Zeit, die ist ein sonderbar` Ding. Wenn man so hinlebt, ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt man nichts als sie“ – wahre Worte, die Johannes Schlichtung, der Vorstand des Museumsvereins allen Zuhörern bei der Ausstellungseröffnung ans Herz legte.

Um dem verflixten Phänomen der Zeit auf die Spur zu kommen, hat die Menschheit im Lauf der Jahrtausende auch die komplexe Uhrmacherkunst entwickelt, die von der Sanduhr der Antike zu den Sonnenuhren führte, die noch bis ins 18. Jahrhundert die einzigen für alle Menschen zugänglichen Uhren waren. Andere Uhren, die ab dem Mittelalter aufkamen, waren besonders kostbare Besitztümer. Lange waren sie dem Adel und dem reichen Bürgertum vorbehalten und gelangten erst mit der fortschreitenden technischen Entwicklung als Taschen- oder Kaminuhren langsam in den Besitz von „jederman“.

 

Aus Barock und Biedermeier

Das größte Vergnügen aber, das die Ausstellung bietet ist es, von Uhr zu Uhr zu gehen und nachzulesen, wem sie gehört und was sie alles erlebt hat. Hier werden Menschen lebendig, die vor langer Zeit und solche, die vor gar nicht allzu langer Zeit gelebt haben: Die älteste Uhr, deren Geschichte sich rekonstruieren ließ, wurde von der Familie Brünner zur Verfügung gestellt. Erworben hat die wunderschön geschwungene Barockuhr (Exponat 04 / um Ende 18. Jh.) schon der Ururgroßvater Lorenz Kirchberger aus dem Besitz des letzten Weyarner Chorherren Gerhohus Funk. Diese Uhr ist nicht nur funktionstüchtig und schlägt sogar die Viertelstunden, sie behütet auch das Fatschenkindl der Familie.

Auch die imposante Empire-Uhr mit der Darstellung eines Zuges (Exponat 14 um 1840) bewahrt eine wertvolle Erinnerung. Uhrenbesitzer Carl Langheiter erklärt: „Der Zug… war Motivation für mich die Uhr zu erwerben, da unser Urgroßvater Bahnbauingenieur in Wien war und den Bau der Strecke Wien–Konstantinopel (jetzt Istanbul) durchgeführt hat.“

 

Kleiner Schatz am Uhrband

Ganz besonders berührend sind alle Geschichten, die die umfangreiche Taschenuhrsammlung zeigt. Vor allem diese Uhren (Exponate 17-26) sind uns ganz nah, da sie von Menschen getragen wurden, die hier in der Stadt und im nächsten Umkreis lebten. Man kann richtig vor sich sehen, wie die Uhren aufgezogen, poliert, betrachtet wurden… Es gibt „Bergwerksuhren“, die der Großvater als Auszeichnung für die die schwere Arbeit im Stollen erhielt. Und da sind die Uhren der Schillermadeln, zweier „alter Jungfern“, deren Geschichte zwischen 1905 und 1910 im Sudetenland begann und sie als Familienbesitz nach Miesbach führte, und da liegt so manch anderer Schatz, wie die hübsche Damen-Taschenuhr (1890 bis 1925) oder die kleinen Kunstwerke namhafter Hersteller aus der Schweiz.

 

Dem Vergessen entrissen

Wussten Sie, dass Miesbach eine Zeitlang die Arbeitsstätte eines genialen Uhrmachers war? Johann Baptist Mannhardt (1798-1878) galt als Uhrenrevolutionär, der neben 120 Großuhren in aller Welt auch die Uhr an der Münchner Frauenkirche herstellte. Ein Highlight der Ausstellung ist seine Uhr für die Papierfabrik in Müller am Baum (Exponat 06), von der eine Zeitzeugin erzählt…

Ein ganz besonderer Fund ist die alte Kirchturmuhr, die am Stoibhof verborgen lag: Wie sie in den Getreidekasten kam, weiß niemand… Aber als Exponat 07 beherrscht das mächtige, urtümliche Uhrwerk die Ausstellung gleichsam durch das laute „Klack“ des Zählwerks, dessen Bewegung Sie hautnah miterleben können.

 

Überraschungen aus aller Zeit

Eine der ältesten Uhren ist die „Stuhluhr“ aus dem Museumsbestand, ein hübsches kleines Wunderwerk aus dem Zeitalter der Spätgotik (Exponat 01), dessen wundersame Mechanik aus dem 15./16. Jh. stammt. Eine Überraschung ist Exponat 03, eine schwere Handglocke aus Sufferloh – unendlich alt und von Wind und Wetter gezeichnet, ist sie fast so alt wie Bayern, denn sie stammt vermutlich aus der frühen Missions- und Herzogzeit um 800. Nur ein paar Schritte weiter geht es dann in die moderne Zeit – eine zarte Konfirmationsuhr, ein Radiowecker aus den 80er Jahren und sogar ein winziges, knallorangenes Handy (Exponat 33) warten auf Entdeckung und Bewunderung

 

Die Ausstellung und mehr

All diese Uhren und Zeitmesser sind mit Sachverstand und Liebe im „Miesbacher Uhrenanzeiger“ beschrieben.

Es sind Familiengeschichten, Firmengeschichten, die Geschichte des Bergbaus, Geschichten vom sozialen Wandel in fünf Jahrhunderten, berührende persönliche Geschichten… Die Zeitung im Caféhausformat liegt zur Ansicht aus und ist nicht nur eine kurzweilige und interessante Lektüre – dank der historischen Fotos gewährt sie einen Blick in längst vergangene Zeiten und lässt die Schicksale von Menschen und Uhren lebendig werden. Auch diese Zeitung hat sich der „Arbeitskreis Ausstellungen“ ausgedacht, dem wir die Ausstellung verdanken.

 

Der Arbeitskreis Ausstellungen

Schon wie es zur Ausstellung kam, ist eine spannende Geschichte, die im letzten Jahr beginnt, als Hermann Kraus, damals seit vier Jahren Mitglied im Museumsverein Miesbach, die entsprechenden Anträge an den Verein stellte. Die Aussicht, wieder Ausstellungen durchzuführen begeisterte auch Maria Krüger-Basener, Eva Egginger, Andreas Kempf und Susanne Nortmeier so, dass sie sich mit dem Kulturamt der Stadt zusammen setzen und nach geeigneten Themen suchten. Als Isabella Krobisch dann das Thema „Uhren“ in den Raum warf und auch Museumskurator Alexander Langheiter seine Unterstützung zusagte, war die Idee geboren.

 

Eine effektive Mischung

Es stellte sich heraus, dass das Team die perfekte Mischung für die große Aufgabe ist. Mit Eva Egginger ist eine erfahrene Grafikerin an Bord, die der Ausstellung mit vielen Ideen ein berührendes und interessantes Gesicht gegeben hat. Andreas Kempf zeichnete für die Website und die App verantwortlich, mit der man die Uhrengeschichten ganz leicht herunterladen kann. Hermann Kraus, Maria Krüger-Basener und Susanne Nortmeier gelang das schier unmögliche Unterfangen, die Geschichte jeder Uhr von den Besitzern zu erfragen. Da auch das Rathaus nicht Nein sagte, durfte man das Foyer zum Schauraum umfunktionieren – in Maßen natürlich. Und genau das Foyer ist der perfekte Raum, denn hier finden sich alle Uhren zu einer Gesamtschau zusammen, in der man sich rasch orientieren kann. Gleichzeitig sind die Uhren so angeordnet, dass jede einzelne sich genau betrachten lässt.

 

Öffnungszeiten und Programm

All diese hochinteressanten Uhren sind noch bis zum 27. Mai täglich zu den Öffnungszeiten des Rathauses im Eingangs-Foyer zu sehen.

Vielversprechend ist auch das Rahmenprogramm:

  • Die Uhrensprechstunde mit Uhrmacher-Meister Christan Schmeller (Wasmeier-Museum) beginnt am 12. Mai um 18:00 Uhr.
  • Eine Uhren-Stadtführung mit Alexander Langheiter führt am 15. Mai zu den Uhren im öffentlichen Raum unserer Stadt. Treffpunkt: 11.00 Uhr vor dem Rathaus.
  • Herzlich ist jeder eingeladen ins Erzählcafé mit Museumskurator Alexander Langheiter am 19. Mai um 18:00 Uhr.
  • Und nicht zuletzt werden die Miesbacher Juweliere einzelne Uhren in ihren Schaufenstern ausstellen – damit jeder sie sehen kann.

 

Medienberichte:

BR Nachrichten

BR Mediathek

 
Text: Verena Wolf
Fotos: Isabella Krobisch, Hartmut Wolf

Impressionen

Die , © Isabella Krobisch
Die

© Isabella Krobisch

Künstlerisches Ziffernblatt, © Isabella Krobisch
Künstlerisches Ziffernblatt

© Isabella Krobisch

Arbeitsgruppe "Ausstellungen", © Isabella Krobisch
Arbeitsgruppe "Ausstellungen"

© Isabella Krobisch

Ausstellungsstück, © Isabella Krobisch
Ausstellungsstück

© Isabella Krobisch

Uhrenausstellung im Rathaus Miesbach, © Isabella Krobisch
Uhrenausstellung im Rathaus Miesbach

© Isabella Krobisch

Uhrenausstellung im Rathaus Miesbach, © Hartmut Wolf
Uhrenausstellung im Rathaus Miesbach

© Hartmut Wolf