Familiensitz Gunetsrain am Stadlberg, © Isabella Krobisch
Familiensitz Gunetsrain am Stadlberg, © Isabella Krobisch

Geniale Baumeister Gunetzrhainer

München ist der Inbegriff herausragender Bauten aus der Barockzeit: Schlösser wie Schleißheim und Nymphenburg, die Theatinerkirche, großzügige Stadtpalais geben der Stadt Flair, Charme und sind Teil ihrer architektonischen Bedeutung von internationalem Rang. Doch was hat das mit Miesbach zu tun?

 

(Un)vergessen?

Es war die hoch begabte Dynastie der Gunetzrhainer, die an vielen dieser großartigen Münchner Bauten mitgewirkt hat. Mag ihre Bautätigkeit in München nur noch wenigen bekannt sein – den Namen kennt hier noch jedes Kind, trägt die Miesbacher Gunetzrhainer-Realschule doch den Namen dieser Baumeister, die durch ihre Arbeit am Alten Peter, in den Schlössern Schleißheim und Nymphenburg und nicht zuletzt durch das Gunetzrhainer- Palais Unsterblichkeit erlangten.

 

Das Geheimnis der Zünfte

Fragt man sich, wie es kam, dass Miesbacher im damals kurfürstlichen München so eine große Karriere machen konnten, lohnt ein kurzer Blick ins 17. und 18. Jahrhundert. Spannende Zusammenhänge tun sich da auf: Was heute eigentlich unvorstellbar ist, dass ein Sohn denselben Beruf ergreifen MUSS wie sein Vater, war damals Normalität. Denn alle Handwerksberufe waren in Zünften organisiert. Man kann sich diese Zünfte wie mächtige Vereine vorstellen mit einer Zunftordnung und einem Ehrencodex, dem jeder zu folgen hatte – vom kleinsten Lehrbuben bis zum hoch respektierten Meister. Zur Zunft der Maurer, der reichsten und bedeutendsten Zunft in Miesbach, gehörten auch die Guntzrhainer, eine Familie, die ihren Sitz auf dem Hof Untergunetsrain am Stadlberg im Ortsteil Agatharied/Hausham hatte.  

 

Von Generation zu Generation immer besser

In Miesbach war über die Jahrhunderte viel gebaut worden – nicht nur die Häuser der Bevölkerung waren schon um 1700 alle aus Stein. Vor allem hatte die adlige Familie der Maxlrainer große Bauvorhaben verwirklicht: Der Ausbau ihres Sitzes Wallenburg zu einer imposanten Schlossanlage im barocken Stil der Zeit mit vier Flügeln, weitläufigen Gartenanlagen und Turnierplatz war ein großes und kostspieliges Unterfangen. Doch auch in Miesbach selbst, ihrer Residenzstadt hatten die Maxlrainer gebaut: Die Stadtpfarrkirche, das Stadtschloss (heute Vermessungsamt), das Anwartshaus (heute Haindlkeller) und die Fronfeste sind zum Beispiel noch aus dieser Zeit erhalten. Für Planung und Zeichnung, für die Vorbereitung des Baugrunds, fürs Heranschaffen des Materials und für den ganzen Bau wurden die fähigsten Handwerker der örtlichen Bau-Zünfte engagiert, zu denen auch die Gunetzrhainer gehörten. Kein Wunder, dass sie im Lauf der Zeit drei wertvolle Fähigkeiten trainierten: Erfahrungen in der Organisation und Abwicklung komplexer Bauvorhaben, erstklassige Kenntnisse der modernsten Gestaltungsideen sowie die Fähigkeit, mit anspruchsvollen Auftraggebern umzugehen: die besten Voraussetzungen also für noch größere Erfolge. Fehlte nur die passende Herausforderung.

 

Die Welt dreht sich in die richtige Richtung

Und die große Chance kam in Gestalt einer der schönsten Frauen jener Zeit: Prinzessin Henriette Adelheid von Savoyen war eine temperamentvolle junge Frau mit dunklem Haar, großem Liebreiz und als Ehepartnerin für den jungen französischen Thronfolger Ludwig XIV. im Gespräch. Doch statt des späteren Sonnenkönigs nahm sie 1650 den bayrischen Thronfolger Ferdinand Maria zum Mann und wurde 1652 Herzogin in Bayern. Ihr Einzug in München sprengte alle damaligen Vorstellungen, als sie mit 336 Pferden und 350 Packwagen voller Mitgift durchs Isartor einfuhr. Große Dinge schwebten ihr vor wie eine politische Allianz zwischen Bayern und Frankreich und weil ihr Mann diesen Plänen gar nicht abgeneigt war, machte man sich unverzüglich daran, München mit den prächtigsten Bauten zu verschönern.

 

Große Pläne – unruhige Zeiten

Schaut man auf den Stadtplan von München kann man nur staunen über die Kühnheit des Entwurfs: Mit Nymphenburg sollte ein neues Schloss entstehen, das mit der Residenz in der Innenstadt, aber auch mit Schlössern wie Fürstenried, der Blutenburg und dem neuen Bau in Schleißheim über Sichtachsen, Prachtstraßen, Alleen und Kanäle verbunden sein sollte.

Während die Planung für diese Großprojekte zügig voranschritt, brodelte es im Bauamt des Kurfürsten. Es ginge hier zu weit, die Entwicklungen nachzuzeichnen. Es mag genügen zu erwähnen, dass fantastische Architekten wie die Schweizer Enrico Zuccalli (1642-1724) und Giovanni Antonio Viscardi (1645-1713), der elegante Stilist Joseph Effner (1687-1745) oder der Belgier Francois de Cuvillies  (1695-1768) sich über Jahre und Jahrzehnte als Oberhofbaumeister gegenseitig bekämpften - oder gegeneinander ausgespielt wurden, während die Regenten sich in schneller Folge abwechselten.

 

Glücksfall Cuvillies

Denn die Zeiten waren unruhig: Schon 1676 war Henriette Adelheid gestorben; 1679 starb ihr Mann. Trotzdem hielten die Nachfolger an den Plänen für die Schlösser fest. Als fest und zuverlässig erwiesen sich in diesen chaotischen Zeiten die Gunetzrhainer: Mochten die Wellen noch so hochschlagen, sie nutzen die Chancen, die sich ihnen boten. So traf es sich zum Beispiel günstig für sie, dass François de Cuvillies niemals richtig Deutsch lernte und als ehemaliger Hofzwerg wohl auch nicht die notwendigen Führungsqualitäten entwickelte, um auf den verschiedenen gleichzeitig laufenden Großbaustellen ganze Scharen von Bauleuten anzuweisen. Während Cuvillies also zuhause zeichnete und theoretische Abhandlungen zu Bauten und Inneneinrichtung schrieb, krempelten die Guntzerhainer die Ärmel hoch und ließen die Visionen Wirklichkeit werden: Sie taten das, was sie am besten konnten, sie bauten.

 

Fünf Männer arbeiten hart

Das erste, uns mit Namen bekannte Familienmitglied ist Paul Guntzrhainer. Paul wagte den Sprung weg aus Miesbach und heiratete nach München, wo damals der Miesbacher Hans Reitter das Amt des kurfürstlicher Hofmaurermeisters innehatte. In seiner Chronik schreibt Alexander Langheiter: „Paul Gunetzrhainer war an Wiederaufbauarbeiten nach dem Einfall der Schweden beschäftigt, darunter am Leprosenhaus St. Nikolai in Schwabing. Paul Gunetzrhainer starb 1660. Im Lauf der weiteren Jahre folgten immer Familienangehörige nach München und wurden in wichtige Positionen berufen, so Georg zum kurfürstlichen Bräuhauszimmermeister und Kaspar zum Stadtzimmermeister. 1663 kam Wolf Gunetzrhainer nach München und ließ sich als Zimmermeister nieder. Er holte 1667 seinen Bruder Martin nach (1639-99), mit dem der wichtigste Teil der Familiengeschichte beginnt.“

 

Zwei Männer entfalten den Glanz der Familie

Die Gunetzrhainer fassten also genau in der Zeit in München Fuß, als Henriette Adelheid und Kurfürst Ferdinand Maria mit den Anfängen von Schloss Nymphenburg und am Neuen Schloss Schleißheim begonnen hatten. Die größte Zeit der mutigen Familie begann mit eben jenem Martin Gunetzrhainer, der es bis zum Münchner Stadtmaurermeister brachte. Leider wurden seine bedeutendsten Werke, wie das Maffai-Palais in München, inzwischen abgerissen. Doch seine Söhne, der ältere Johann Baptist und Ignaz Anton, der jüngere Sohn, konnten nun aus dem Vollen schöpfen, hatten doch die Vorfahren ihnen den Weg bereitet. Johann schloss 1705 das Gymnasium in München ab und schon 1726 konnte er sich ein Haus im besten Teil Münchens kaufen: Das Palais am Promenadeplatz 15, dessen Fassade er selbst gestaltet hat, trägt bis heute seinen Namen. In den Jahren dazwischen ist er rastlos tätig. Alleine die Anzahl der Orte, an denen er wirkte, macht einen ganz schwindelig – da ist es gut zu wissen, dass er sehr oft mit seinem Bruder Ignaz Anton zusammenarbeitete: Von Augsburg bis Ruhpolding, in Regensburg und Deggendorf, aber auch in Neubeuern, Schaftlach und Lenggries finden sich die Spuren der tüchtigen Brüder. So eng war ihre Zusammenarbeit, dass man oft nicht genau unterscheiden kann, wer was gebaut hat. So haben wohl beide am Umbau der Münchner Stadtkirche St. Peter mitgewirkt. Alleinige Werke von Johann Baptist sind jedoch (ziemlich) sicher die Orangerie in Nymphenburg, das Damenstift St. Anna, die Herzogspitalkirche St. Elisabeth und das Werneckschlösschen in Schwabing.

 

Nur ein paar Kilometer entfernt

Neben dem ungeheuren Fleiß, der Tatkraft und der menschlichen Größe, mit der sie vor allem die schwierige Zusammenarbeit mit François de Cuvillies gestalteten, haben Johann Baptist und Ignaz Anton Gunetzrhainer der Welt etwas Unvergängliches geschenkt. So schreibt wikipwedia: „Die Gunetzrhainer, als Bekanntester allen voran Johann Baptist, prägten eine eigene bayerische Note in der europäischen Barockbaukunst, gekennzeichnet durch eine gewisse Leichtigkeit und Verspieltheit, was sie vom Stil der italienischen und französischen Baumeister unterscheidet.“ Wir hier im Landkreis Miesbach müssen nicht weit fahren, um uns an der Schönheit dieser Werke zu erfreuen. Die Pfarrkirche St. Martin in Waakirchen in ihrer Pracht und perfekten Harmonie sowie die imposante Pfarrkirche St. Quirinus in Tegernsee sind „ums Eck“ gelegen und wirken als unvergängliche Zeichen dieser dem Oberland und der Miesbacher Heimat zutiefst verbunden Künstler am Bau bis heute fort.

 

Text: Verena Wolf
Fotos: Isabella Krobisch

Impressionen

Stadt Miesbach, © Dietmar Denger
Stadt Miesbach

© Dietmar Denger

Stadtführungen_Drohnenaufnahme Miesbach_1920x1280
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Miesbacher Tracht_Titel_Stadtplatz
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Genussführung_Sonja_Still (2)
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