Kaffeetrinken in Kufstein? Ein Bummel am Chiemsee oder im Englischen Garten? Wer einen Kurztrip plant oder in der Münchner City shoppen will, profitiert enorm vom neuen Zusammenschluss: BRB + MVV = super.
Günstiger!
Zum Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 konnten sich die Bewohner des Oberlandes freuen, denn für sie wurden nicht nur Fahrten nach München um ca. 8-10% günstiger. Auch das Angebot an Kurzreisen zu Verbraucher freundlicheren Preisen ist seither größer: Grund ist die neue Ankoppelung der Landkreise Miesbach, Rosenheim und des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen an das Münchner Verkehrsnetz MVV.
Fahren im Verkehrsverbund
Seit dem Olympiajahr 1972 koordiniert der MVV (Münchner VerkehrsVerbund) die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt – Busse, U-Bahnen, Straßenbahnen, S-Bahnen und Regionalzüge – und sorgt für möglichst reibungslose Anschlüsse und gut getaktete Fahrpläne in seinem Netz.
Ergänzend zu den Münchner Verkehrsmitteln wurde ab1998 für das Miesbacher und Tölzer Oberland mit der BOB (jetzt BRB) ein eigener Schienenverkehr angeboten. Neu ist nun die Anbindung des BRB an den MVV.
Die Probe aufs Exempel
Doch ist der Anschluss des BRB an den MVV wirklich ein Fortschritt für uns Fahrgäste? Um dies zu testen, öffne ich am 11. Februar in Begleitung meines Mannes, beide warm gekleidet und mit kleinem Gepäck ausgerüstet, die Tür zum Miesbacher Bahnhof. Der Schalter ist, weil Sonntag, geschlossen, aber im Gebäude ist es zumindest warm und trocken. Also greife ich zunächst zum Infomaterial in munterem Grasgrün…
Unter den neugierigen Augen einiger Anwesender falte ich als erstes das Blatt „MVV-Netz 2024“ auseinander, das einen Überblick über das Gebiet bietet, in dem man sich seit 12. Dezember 2023 mit nur einem einzigen Fahrschein bewegen kann.
Ich falte das Blatt ganz auf – und hier wartet nun die schöne neue Bahn-Welt auf ihre Eroberung. Ich schaue nach, wohin die weitesten Reisen gehen könnten: Zu meinem Erstaunen finde ich Kufstein, Aschau, aber auch Wasserburg und den Chiemsee in greifbarer Nähe. Wohin also?
Die schöne neue Welt bereisen
Ich wollte schon lange wieder einmal nach Kufstein. Die Route finde ich schnell: Mit der BRB bis Holzkirchen, von dort mit der Mangfalltal-Bahn (RB 58) nach Rosenheim und dort 6 Minuten später mit der RB 54 nach Kufstein.
Ein Blick ins Handy verrät mir, dass ich mit Umsteigzeiten am Sonntag ca. 2,5 Stunden unterwegs sein werde – eine Fahrt.
Ob sich das lohnt? Ich weiß es nicht, nähere mich gespannt dem Fahrkartenautomaten. Die Strecke ist, überschlagsmäßig gerechnet, ca. 100 Kilometer lang. Was das wohl kostet und welches Ticket ist das richtige? Als ich auf dem Display des Automaten als Reiseziel KUFSTEIN eintippe, erscheint das Tagesticket zu sagenhaften 16,80 EURO pro Person. Keine Frage: Kufstein – wir kommen!
Los geht es: Miesbach – Holzkirchen
Als erstes bringt uns die BRB nach Holzkirchen, eine vertraute Strecke. Aber mit dem längeren Reiseziel vor Augen, stellt sich ein völlig anderes Fahr-Gefühl ein: Ich habe Urlaub, bin frei und sehe freundlich auf die zahlreichen Mitreisenden. Da Faschingssonntag ist, steigt in Darching eine fröhliche Familie zu. Bunt maskiert und bester Laune wollen sie nach Lenggries. Gemeinsam stiegen wir in Holzkirchen aus.
Mitte Februar ist das Warten am Bahnsteig so eine Sache. Aber wie sich herausstellt, ist der Zug nach Rosenheim schon bald zum Einsteigen bereit. Drinnen ist es warm und alle Plätze sind noch frei. Wir suchen uns ein nettes Viererabteil mit Tisch und guter Aussicht und harren der Dinge.
Weiter nach Rosenheim
Pünktlich um 12:04 ist Abfahrt. Der Zug nimmt Fahrt auf und über Wiesen und an Gärten vorbei geht es auf die Strecke nach Rosenheim, immer wieder wird die schöne Mangfall uns begleiten. Schon ab Westerham ist klar, dass hier irgendwo Fasching gefeiert wird: Die ersten Maskierten steigen ein und fünf Stationen später in Heufeld ist der Zug dann rappelvoll: Jung und alt, Singles, Familien, Gruppen und Grüppchen in den schönsten Kostümen und Verkleidungen füllen – eine wundervolle, ausgelassen-erwartungsvolle Stimmung verbreitend – die Gänge bis auf den letzten Platz. Ich mache mir schon Sorgen, wie der Zug wohl weitere lustige Faschingsleute aufnehmen soll, als wir uns dem Bahnhof Bad Aibling nähern. Doch zu meiner Verblüffung steigt dort die Faschingsgesellschaft aus. In Sekunden ist es ganz still im Zug.
„In Bad Aibling gibt es immer am Faschingssonntag einen Umzug. Das ist Tradition“, klärt mich ein Fahrgast auf, den ich aufgrund seines WACKEN-Shirts für einen Faschingsjecken gehalten hatte. „Und der Name Aicher-Park erinnert an das große Sägewerk, das hier stand“, weiß er noch zu erzählen.
In 25 Minuten nach Kufstein
„Aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens erreichen wir Rosenheim mit 4 Minuten Verspätung“, verkündet der Lautsprecher – also legen wir einen Schritt zu, um den Zug nach Kufstein zu erreichen. Tatsächlich macht sich der RB 54 nach Kufstein kaum, dass wir wieder einen angenehmen Platz gewählt haben, auf den Weg. Draußen zieht das heute geheimnisvoll neblige Inntal vorbei, und schon 20 Minuten später erreichen wir den Fluss, der hier bereits gut 430 Kilometer seines langen Weges hinter sich hat.
Knapp 5 Minuten später rollen wir gemütlich in den modernen Kufsteiner Bahnhof ein. Einige Schritte bringen uns zur Inn-Brücke und dann liegt „das Städtchen Kufstein“ mit seinen mittelalterlichen Gässchen vor uns.
In einem gepflegten Lokal bestellen wir einen frischen Veltliner und entspannen mit Blick auf den Inn, der – einzigartig grün und elegant wie eh und je – seinem fernen Ziel entgegenströmt.
Schön ist es, hier zu sitzen am Fuß der wuchtigen Festung und das Gefühl zu genießen, unabhängig und auf Reisen zu sein. Erfrischt und gestärkt machen wir einen Bummel durch die Altstadt, ehe wir uns auf den Rückweg machen.
Pfade durch das Tarif-Angebot
Da es ja einerlei und das Unterwegssein gerade so schön ist, wählen wir für den Rückweg eine andere Route: Wir bleiben in Rosenheim sitzen und fahren mit dem RB 54 weiter über Grafing und Ostbahnhof nach München HBF, um dort in „unser“ Integral der BRB nach Bayrischzell zu steigen. Die Rückfahrt nutze ich, um das neue Tarifsystem zu erkunden. So wie ich es verstehe, muss man Folgendes wissen: München und das Umland sind weiterhin in Tarifzonen unterteilt. Von denen gibt es jetzt 12, nämlich München (Zone M) sowie 11 Außenzonen.
In der Kernzone München (M), sowie in jeder anderen Einzel-Zone kostet das Fahren innerhalb der Zone 3,90 € für einen einzelnen Erwachsenen. Man kann in einer Zone an dem Tag, an dem das Ticket gültig ist, nach Belieben hin und herfahren.
Schön ist, dass auch Fahrten in zwei aneinandergrenzenden Zonen dasselbe kostet.
Durch jede weitere Zone erhöht sich dann der Tarif. Die Fahrt von Miesbach nach München-Marienplatz führt durch die Zonen 6-1 + M und kostet laut Tarifübersicht 16,80 €.
Fast unbegrenzt reisen in und rund um München
Ein Tipp: Sehen Sie sich den Preis für ein Tagesticket an, das im teuersten Fall 27,30 € kostet – ein Angebot, das allerdings für einen ganzen Tag das Fahren und Durchqueren im gesamten Streckennetz des MVV und BRB gilt!
Theoretisch heißt das, dass Sie sich – mit nur einem Ticket in der Tasche – frei zwischen Bernau, Flughafen München, Geltendorf, Kochel, Lenggries und Aschau bewegen könnten! Und zwar ganz egal, ob Sie mit einem Zug der BRB, dem Bus, der S- und U-Bahn, der Tram oder dem ExpressBus fahren…
Da es zudem weitere Angebot für Gruppen, eine Wochenkarte, Kurzstrecken-Regelungen und außerdem die Streifenkarten gibt, lohnt es sich, sich VOR der Fahrt schlau zu machen. Als sehr hilfreich und kompetent haben sich die Mitarbeiter erwiesen. Immer freundlich, gut informiert und geduldig habe ich sie auch auf dieser Test-Fahrt erlebt.
Die Ungeliebte
Wenn man unterwegs ist und warten muss, hat man Zeit, Bahnhöfe einmal in Ruhe zu erleben. Mein Fazit: Die Bahnsteige sind sauber, man kann sich versorgen, aber es herrscht eine gewisse Ödnis. Auch im Bezug auf die sanitären Einrichtungen an den Bahnhöfen müsste einiges verbessert werden.
Was mich aber besonders beschäftigt, ist, dass ich den Eindruck gewonnen habe, dass niemand „seine“ Bahn liebt. Jeder erwartet zwar, dass die Züge sauber sind und pünktlich fahren, dass Anzeigen und das Personal „funktionieren“. Mehr nicht.
Das ist eigentlich schade, denn der Service, den unsere Verkehrsmittel bieten, die Möglichkeiten, die sie eröffnen, und die Reisefreude, die sie schenken können, sind großartig.
Vielleicht ist es das Fehlen von schönen Dingen, das dazu beiträgt, dass gerade die Bahnhöfe vernachlässigt wirken.
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