Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch
Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch

Der Waldfriedhof: Miesbachs Campo Santo

Wenn Du etwas über einen Ort herausfinden willst, so geh auf seinen Friedhof.
So oder so ähnlich denken viele Menschen. Und tatsächlich ist jeder Friedhof einzigartig, alleine schon durch die jeweils dort liegenden Verstorbenen. Die Grabsteine, die gesamte Anlage und die Pflege derselben sowie natürlich auch die Lage des Friedhofs im Stadtgefüge: das alles lässt viele Rückschlüsse über den Ort zu, für den der Friedhof angelegt wurde. Wobei manches auf den ersten Blick anders scheint, als bei genauerer Recherche herauskommt.

 

Die Miesbacher haben seit über 200 Jahren ihren Begräbnisplatz auf einer luftigen Höhe mit einem wunderbaren Blick in das Gebirge – einerseits. Andererseits ist er vom Zentrum aus nur über einen steilen Berg erreichbar und lag sogar einstmals ganz außerhalb des Ortes.

Was mag sich hinter diesem ersten Eindruck verbergen?

 

Eine spannende Vorgeschichte

Schauen wir uns also zunächst die Geschichte des Friedhofs an. Zunächst, liebe Leserin und lieber Leser: der Friedhof ist deutlich älter als der Verfasser dieser Zeilen Ihnen zunächst mitgeteilt hat. Und außerdem gab es zunächst, wie allgemein üblich, den ersten Friedhof um die Pfarrkirche, die jetzige Stadtpfarrkirche Mariae Himmelfahrt. Also mitten im Zentrum, mitten unter den Lebenden und das wohl seit Gründung der Kirche im 13. Jahrhundert.

Dass daneben ein zweiter Friedhof angelegt wurde, war nur in etwas größeren Orten üblich und hatte zudem besondere Gründe. Obwohl Quellen fehlen, kann man drei Gründe ausmachen, welche einzeln oder zusammen zur Entstehung des Friedhofs führten.

Die frühere Bezeichnung „Bruderhausfriedhof“ weist schon auf die älteste Option hin, das 1552 gegründete Bruderhaus am Gschwendt. Dieses wurde damals an der Stelle des heutigen Senioren- und Pflegeheimes Inge-Gabert-Haus der AWO von Wolfgang von Maxlrain und seiner Gemahlin Anna von Frundsberg gestiftet. Wolfgang war als Inhaber der Herrschaft Waldeck auch um das körperliche Wohl seiner Untertanen besorgt. Dass schon damals oder wenig später ein Friedhof entstand, kann durchaus angenommen werden. Zudem wurde der Friedhof laut einem Bericht des Jahres 1794 eigentlich fast nur von den Insassen des Bruderhauses benutzt.

Ein weiterer Grund für die Anlage des Friedhofs mag die Reformation gewesen sein. Die Herrschaft Waldeck war zwischen 1561 und 1584 eine evangelische Hochburg inmitten des damals streng katholischen Herzogtums Bayern. Der Überlieferung nach, hätte die katholische Geistlichkeit den Protestanten die Bestattung ihrer Toten auf dem älteren Friedhof um die heutige Stadtpfarrkirche verboten. Daraufhin soll ein neuer Begräbnisplatz angelegt worden sein.

Ein drittes und zeitlich letztes Gründungsereignis wäre die Pest des Jahres 1634. Wegen der massenhaften Toten sollen damals in fast allen Gemeinden eigene Pestfriedhöfe errichtet worden sein. In Miesbach wäre das der Bruderhausfriedhof gewesen.

Welches Gründungsjahr nun zutrifft, bleibt wohl fraglich. 1688 erfolgte auf alle Fälle die Weihe des bis dahin ungeweihten Friedhofs, womit er auch offiziell in Gebrauch genommen wurde. Doch zeigt der alternativ verwendete Begriff „äußerer Friedhof“, dass er damals noch weit außerhalb des Ortes lag.

 

Der Bruderhausfriedhof wird allgemeiner Friedhof

Als man im Zuge der Aufklärung allgemein daran ging, die hygienischen Zustände zu verbessern, kamen auch die Friedhöfe in den Fokus. Gerade in volkreicheren Orten sollten sie aus den Zentren hinausverlegt werden. In Miesbach konnte man auf den Bruderhausfriedhof zurückgreifen, den man 1808 zum allgemeinen Friedhof erweiterte. Leider gibt es keine zeitgenössischen Quellen, doch mag dies für viele Alteingesessene ein schmerzlicher Vorgang gewesen sein. Man hatte schließlich Generationen von Ahnen auf dem alten Friedhof um die Kirche beerdigt. Hier wurden die Gräber nun eingeebnet, die meisten Grabsteine zudem entfernt. Heute erinnern nur noch einige wenige alte Grabsteine an der Außenmauer der Stadtpfarrkirche an den alten Friedhof.

Der neue Friedhof indes wurde auch rasch zu klein und musste im Laufe der nächsten 120 Jahre stetig erweitert werden. Die erste größere Baumaßnahme war dabei zwischen 1870 und 1881 eine Verdoppelung der Fläche. Die größte Erweiterung fand indes erst 1924/25 statt. Damals lieferte kein geringerer als Hans Grässel aus München die Pläne zum Ausbau auf fast ein Vierfaches. Grässel war damals der renommierteste deutsche Friedhofsarchitekt und hatte etwa den Münchner Waldfriedhof angelegt. Auch der Miesbacher Friedhof sollte zu einem Waldfriedhof werden, was vornehmlich eine große Aufforstung und Anlage von malerischen Wegen und Feldern bedeutet hätte. In Miesbach wurden die Pläne allerdings vereinfacht und die Aufforstung erfolgte in bescheidenerem Maße. Um aber an Grässels Einfluss zu erinnern, übernahm man gern den neuen Namen „Waldfriedhof“ – auch wenn er im strengen Sinne nur bedingt zutrifft.

Noch von Grässel war der Neubau einer Aussegnungshalle geplant. Er erfolgte schließlich 1953/54 nach Plänen von Alfred Ambs. Zugleich entstand das reizende Pförtnerhaus.

 

Die Aussegnungshalle

Breit gelagert und mit hohem Walmdach steht die Aussegnungshalle am Ende eines langen Weges. Des Hauptzugangs von der Albert-Schweitzer-Straße her – und auch am Ende vieler Leben, die von hier aus zu ihrer letzten Ruhe auf dem Friedhof gebracht werden. Die Aussegnungshalle ist ein würdiger Ort, der Ruhe ausstrahlt und unter dessen Dach man Schutz findet.
Ihr Inneres birgt noch ein Erinnerungsstück an seine Vorgeschichte. Es ist der feine Altar aus Untersberger Marmor, der noch aus dem Vorgängerbau stammt. Es war dies die 1870 erbaute Friedhofskapelle, geweiht Maria und Joseph, den Eltern Jesu. Sie war ein Bau des Historismus mit seitlichen Arkaden, in denen viele Prominente ihre letzte Ruhe gefunden hatten.

Die älteste Kapelle an dieser Stelle mag schon bei Erstanlage des Friedhofs entstanden sein. Wir wissen allerdings von einem Neubau im Jahr 1725 oder 1735. An diesen wurden 1779 ein Turm und eine Sakristei angebaut. Dieser Bau war sehr klein und befand sich etwa 10 Meter südlicher als die heutige Aussegnungshalle. Auf dem ältesten erhaltenen Plan (Bild) wird dies erkennbar.

 

Der Grundriss des Friedhofs

Was ebenso erkennbar ist, ist die Lage der Gräber: Sie waren früher recht ungeordnet angelegt. Die heute so typisch empfundene, akkurate Anordnung ist tatsächlich etwas, was sich erst im 19. Jahrhundert durchsetzte. Auch die Anlage der Gräber selbst, mit gärtnerisch gestalteten Grabhügeln und Umrandungen ist eigentlich ein Produkt dieser Zeit. Die Grabsteine sind wiederum ein Spiegel der Kultur- und Kunstgeschichte. Jede Generation oder zumindest jede Epoche hat hier andere Vorlieben. Mal sind Grabsteine, mal Grabkreuze beliebt, mal aus Naturstein, Marmor oder Holz. Die Friedhofsordnung gibt dem ganzen einen festen Rahmen, damit der würdige Charakter der Anlage erhalten bleibt – im Sinne aller!

Trotzdem sind immer auch Neuerungen möglich, wie man bei einem Rundgang immer wieder bemerken kann.

 

Was man nicht übersehen sollte

Ein Rundgang über den Friedhof lohnt sich immer. Für den Einheimischen gibt es an jedem Weg viele bekannte Namen oder Menschen, die er noch kannte und vermisst. Für den Unkundigen sind es wiederum bemerkenswerte Grabdenkmäler oder bedeutende Namen, die ihm ins Auge fallen.

Erwähnt sein sollen daher nur einige Namen: Am alten Hauptweg zur Aussegnungshalle finden sich einander gegenüber zwei der ältesten Grabsteine: Die Familie Waitzinger, Besitzer der Brauerei Waitzinger und im 19. Jahrhundert mächtigste Familie Miesbachs. Gegenüber der neugotische Grabstein des Landrichters Joseph Wiesend (gest. 1846). Es ist der älteste erhaltene Grabstein des Friedhofs und ein Erinnerungsstück an die Zeit des Biedermeier.

Gleich hinter dem Pförtnerhaus und zwischen schattigen Bäumen befinden sich die Gräber der beiden Bürgermeister Rudolf Pikola und Hans Schuhbeck. Sie prägten unsere Kreisstadt 1960 bis 1990. Wir haben ihnen viel zu verdanken.

Im westlichen Friedhofsteil stehen zwei große Kreuze, die beide an schicksalhafte Kriege erinnern. Das nördliche, hoch aufragend mit einer bewegten Christusfigur, wurde 1871 zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg gestiftet. Fast drei Felder südlich liegt das Gedenkkreuz der Heimatvertriebenen. 1953 errichtet, erinnert es an die Folgen des Zweiten Weltkrieges, der von Deutschland ausging und wie ein Bumerang das eigene Land fast zugrunde richtete.

Der Waldfriedhof Miesbach ist ein Ort für Menschen. Hier finden sie ihre letzte Ruhe und hier kann man Abschied nehmen. Man kann bei einem Spaziergang durch die gepflegten und würdig gestalteten Reihen Ruhe finden. Die Natur ist präsent durch eine reiche Pflanzen- und Tierwelt. Die Berge schauen aus der Ferne hinzu und im Sommer hört man Kuhglocken herüber läuten. Das ist der Waldfriedhof in Miesbach.

 

Text: Alexander Langheiter
Bilder: Isabella Krobisch, Stadt Miesbach

Impressionen

Friedhofsplan 1870, © Stadt Miesbach
Friedhofsplan 1870

© Stadt Miesbach

Altes Leichenhaus - 1954 abgebrochen, © Stadt Miesbach
Altes Leichenhaus - 1954 abgebrochen

© Stadt Miesbach

Alb.Schw.str.Aussegnungshalle alt 1953 Süden, © Stadt Miesbach
Alb.Schw.str.Aussegnungshalle alt 1953 Süden

© Stadt Miesbach

Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch
Waldfriedhof Miesbach

© Isabella Krobisch

Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch
Waldfriedhof Miesbach

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Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch
Waldfriedhof Miesbach

© Isabella Krobisch

Waldfriedhof Miesbach, © Isabella Krobisch
Waldfriedhof Miesbach

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